Schraubertipp: Räder Runderneuerung
Damit alles Rundläuft

Mal ehrlich, wann haben Sie zum letzten Mal die Räder Ihres Motorrads intensiv begutachtet: Felgen mitsamt der Wuchtgewichte überprüft, Reifen und Profil­tiefen untersucht, Luftdruck gecheckt? Nutzen Sie den Saisonstart zur Runderneuerung.

Damit alles Rundläuft
Foto: Ralf Petersen

Motorradreifen sind Multitalente. Sie sorgen für den (überlebens-)wichtigen Kontakt des Fahrzeuges zur Fahrbahn, übertragen Beschleunigungs-, Brems- und Seitenführungskräfte und erhöhen dank ihrer Dämpfungseigenschaften den Fahrkomfort. Um ihre vielfältigen Aufgaben bewältigen zu können, müssen Reifen regelmäßig kontrolliert und gewechselt werden.

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Bauarten

Ob Sport-, Touren-, Renn- oder Enduro-Reifen, die Auswahl ist groß und manchmal verwirrend. Orientierungshilfe erhält man – neben den regelmäßigen Reifentests von MOTORRAD im Internet (www.motorradonline.de/reifentest) – oft auch im passenden Internet-Forum der Maschine. Natürlich spielen Verwendungszweck (z. B. Touren oder Rennstrecke) und Fahrstil eine wichtige Rolle. Unbedingt müssen bei der Reifenwahl die zulässigen Reifengrößen (Breite, Tragfähigkeit, Geschwindigkeitsindex etc.) und eine eventuelle für das Motorrad vorgeschriebene Reifen­bindung beachtet werden, die sich aber durch eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Reifenherstellers umgehen lässt. Man unterscheidet auch noch zwischen schlauchlosen Reifen und solchen mit Schlauch, die überwiegend bei klassischen Speichenrädern zum Einsatz kommen.

Kontrolle ist besser

Unabhängig von Typ und Bauart gilt für alle Reifen, dass ein wachsamer Blick sinnvoll ist. Untersuchungen z. B. der Dekra zeigen, dass bei Mängeln, die nachweislich zu Unfällen führten, die Reifen auf Platz eins der Statistik liegen. Neben fehlender Profiltiefe spielten dabei auch falscher Luftdruck und das Reifenalter beziehungsweise Beschädigungen eine große Rolle.

Der Luftdruck

Zwar gibt es keine rechtlich bindenden Vorschriften für den korrekten Luftdruck, die entsprechenden Empfehlungen der Hersteller (Fahrerhandbuch!) bieten aber in der Regel ein Höchstmaß an Sicherheit und sollten eingehalten werden. Senkt man für den sportlichen Einsatz den Luftdruck ab, gewinnt man durch die größere Auflagefläche an Grip. Allerdings kann der Reifen dann durch verstärktes Walken zu heiß werden, im schlimmsten Fall sogar Schaden nehmen, und auch der Verbrauch des Fahrzeugs steigt. Bereits 0,2 bar Unterschied machen sich bemerkbar. Ein zu hoher Luftdruck führt zu erhöhtem Verschleiß und schlechterer Haftung der Reifen. Da die Tragfähigkeit eines Reifens mit dem Luftdruck ansteigt, passt man ihn bei Beladung entsprechend an.

Da viele Biker die Bedeutung des korrekten Luftdrucks unterschätzen, vernachlässigen sie die wichtige regelmäßige Kontrolle (am besten alle zwei Wochen). Bedenklich ist auch das blinde Vertrauen in die verwendeten Manometer, die manchmal ungenau arbeiten. Ein vernünftiger, qualitativ hochwertiger Luftdruckprüfer (z. B. von Flaig, erhältlich bei Polo für zirka 30 Euro) ist daher empfehlenswert. Ganz wichtig: Der Luftdruck wird immer in kaltem Zustand geprüft. Durch Erwärmung während der Fahrt erhöht er sich um 0,1 bis 0,2 bar, sodass man ihn vor Antritt der Fahrt prüfen bzw. den Unterschied berücksichtigen sollte. Mit den an Tankstellen verwendeten Luftdruckmessgeräten kommt man nicht immer vernünftig ans Ventil. Eine praktische Ventilverlängerung (gehört ins Bordwerkzeug) leistet dann gute Dienste. Die Ventilkappen sollten aus Stahl und mit einer Dichtung versehen sein. So entweicht bei sehr hohen Geschwindigkeiten keine Luft. Ferner prüft man den Reifen auf Risse, Fremdkörper und sonstige Beschädigungen sowie auf verlorene Auswuchtgewichte. Profiltiefe: Der Reifenverschleiß ist abhängig vom Reifentyp. Ein Rennsport-Reifen mit einer extrem weichen Gummimischung hat hervorragende Haftungseigenschaften, ist aber häufig schon nach weniger als 1000 km am Ende. Tourenreifen halten dagegen oft mehr als 10000 Kilometer. Auch der persönliche Fahrstil beeinflusst den Verschleiß, z. B. durch ständiges extremes Beschleunigen und Bremsen. Die gesetzlich vorgeschriebene Mindestprofiltiefe beträgt 1,6 mm, doch schon bei 3 mm können die Fahreigenschaften eines Motorradreifens nachlassen, und weniger als 2 mm Restprofil sollte er auf keinen Fall haben. Zur Messung reicht ein einfacher Profiltiefenmesser, zur Not tut es auch ein Ein-Euro-Stück, dessen Goldrand 3 mm beträgt. Moderne Reifen haben oft keine Mittelrille mehr. Sie verfügen dann über Verschleißanzeiger, sogenannte TWI. Diese stegähnlichen Erhöhungen, die in den Längsrillen der Bereifung integriert sind, werden meist von dreiecksähnlichen Pfeilmarkierungen am Reifenrand angezeigt. Zwar sind die Stege oft nur 0,8 mm hoch (amerikanische Norm), aber wenn man direkt daneben misst, ist man auf der sicheren Seite. Auch wenn das Profil noch okay ist, kann durch ungleichmäßigen Verschleiß oder eckig gefahrenen Reifen sowie bei Beschädigungen der Reifenflanke ein Wechsel unvermeidlich sein.

Reifenalter

Unabhängig von den Fahr- oder Standzeiten, härtet das Gummi eines Reifens im Laufe der Jahre aus und verliert zunehmend seine Haftungseigenschaften. Man sollte also immer versuchen, einen möglichst neuen Reifen zu bekommen. Fast alle Hersteller geben einen Zeitraum von zirka sechs Jahren als maximales Alter für Motorradreifen an. Kurioserweise gilt rechtlich gesehen ein fabrikneuer, ordnungsgemäß gelagerter Reifen aber auch fünf Jahre nach Herstellung noch als neu. Das Alter eines Reifens erkennt man an der DOT-Nummer auf der Reifenflanke. DOT 1914 bedeutet, dass der Reifen in der 19. Kalenderwoche 2014 produziert wurde. Aber Achtung: UV-Licht, Ozonbelastung, Feuchtigkeit und Hitze beeinträchtigen die Leistungsfähigkeit eines Reifens erheblich. Steht die Maschine oft in der Sonne, ist bei jedem Wetter auf der Straße, oder werden bei längeren Standzeiten die Reifen nicht entlastet, altern sie schneller. Laternen-Parker sollten deshalb darauf achten, dass eine Abdeckplane so groß ist, dass sie auch die Reifen komplett abdeckt.

Reifenbezug und Montage

Ein neuer Reifen lässt sich entweder per Internet oder direkt beim Reifenhändler besorgen. Bleibt die Frage der Montage. Das Aufziehen und Auswuchten eines modernen Motorradreifens ist durchaus anspruchsvoll, erfordert nicht nur Geschick und Erfahrung, sondern auch passendes Werkzeug, Wuchtbock etc. und wäre ein eigenes Thema für einen Schraubertipp. Die Mehrzahl der Motorradfahrer wird einen Reifendienst bzw. eine Werkstatt aufsuchen und zum Teil auch den Radausbau nicht selbst machen. Beim Reifenkauf per Internet wird als Service für die Reifenmontage meist eine Werkstatt in Wohnortnähe vermittelt. Bei mir in Duisburg wurde allerdings nur eine Motorradwerkstatt vorgeschlagen, der Rest waren normale Reifendienste, die sich nicht immer gut mit Motorrädern auskennen.

Bei meinen Schrauberkursen muss ich leider immer wieder feststellen, dass erschreckend viele Motorräder (fast jede zehnte Maschine!) mit falsch montierten bzw. falsch gewuchteten Reifen unterwegs sind. Dabei ist es eigentlich ganz einfach. Bei einem korrekt montierten Reifen zeigt der Laufrichtungsanzeiger in Fahrtrichtung, und der Montagepunkt (soweit vorhanden) befindet sich am Ventil. Beide Vorgaben sollte man kennen und beim Abholen der Räder unbedingt direkt am besten vor dem Bezahlen überprüfen. Hat die Felge keine Markierung für die Laufrichtung, klebe ich sicherheitshalber ein Stück Kreppband mit Laufrichtungspfeil auf die Felge. Der Monteur erkennt daran außerdem den erfahrenen Kunden und wird (hoffentlich) sorgfältig arbeiten.

Ein Kapitel für sich ist das wichtige, korrekte Auswuchten des Rades (siehe MOTORRAD 13/2017). Typisches Indiz für falsche Montage sind übermäßig viele Auswuchtgewichte auf der Felge. Die meisten Reifen haben einen sogenannten Montagepunkt (rote bzw. gelbe Markierung), der deckungsgleich mit dem Ventil montiert werden muss. An dieser Stelle ist der Reifen konstruktiv erleichtert, und so wird das Eigengewicht des Ventils ausgeglichen. Wird der Reifen aber falsch montiert, dann müssen zum Ausgleich meist erheblich mehr Auswuchtgewichte angebracht werden als eigentlich notwendig, vor allem ist das Rad dann nicht gut gewuchtet. Das ist keine Bagatelle, denn selbst kleine Unwuchten verursachen erhebliche Fahrwerksunruhen und führen zu Schäden an Reifen und Maschine.

Wenn also schon die Montage der Reifen anscheinend viel zu oft nachlässig durchgeführt wird, dann stellt sich natürlich die Frage, ob man den Ein-/Ausbau der Räder einem (meist auf Autos spezialisierten) Reifendienst überlassen sollte.

Do it yourself

Der Ein- und Ausbau des Rades ist keine Hexerei. Wer seine Räder selbst ein-/ausbaut, spart nicht nur Geld, sondern kann bei der Gelegenheit auch gleich Wartungsarbeiten miterle­digen. Dazu gehören das Einfetten der Steckachse, Reinigen und Schmieren des Tachoantriebs (falls mechanisch), eine Prüfung der Radlager auf Rostbefall und einwandfreie Funktion, ein Blick auf Kolben und Beläge der Bremse. Wichtig ist, dass das Motorrad stabil und hoch genug steht, um das Rad ausbauen zu können. Falls die Achse festgegammelt ist, wird sie vorsichtig (Gummihammer) gelöst. Beim Einbau achtet man darauf, sie mit dem korrekten Drehmoment an-zuziehen, und prüft nach dem Wiedereinbau eines Hinterrades Kettenspannung und Radflucht.

Erste Fahrt – Rutschgefahr! Neue Reifen sind fertigungsbedingt durch den Backvorgang mit einer Trennschicht überzogen und deshalb extrem rutschig. Auf den ersten 200 bis 300 km ist daher Vorsicht angebracht.

Pannenhilfe

Eine Reifenpanne, vor allem auf einer Tour fernab der Heimat, kann ein echtes Ärgernis sein. Hier helfen Pannensets (nur als Notreparatur!). Die einfachste und billigste Reparaturmöglichkeit ohne Reifendemontage ist bei kleinen Beschädigungen Pannenspray (z. B. Reifen fit, bei Polo für ca. zehn Euro), das sowohl für schlauchlose als auch für Reifen mit Schlauch geeignet ist. Ist das Loch größer, dann gibt es für schlauchlose Reifen ein spezielles Reparaturset mit Stopfen, Kleber und Druckluftkartuschen. Damit habe ich auf Touren sehr gute Erfahrungen gemacht, aber diese Reparatur erfordert ein gewisses Maß an Übung. Baut man das Rad selbst aus, dann wäre jetzt der perfekte Moment für eine Trainingseinheit am alten Reifen: Loch machen und flicken – nach dem dritten oder vierten Mal klappt’s bestimmt. Bei Schlauchreifen kann man den Schlauch eventuell flicken, muss dafür aber den Reifen demontieren. Ohne Werkzeug und Erfahrung kaum möglich.

Die letzte Möglichkeit, die aber eine ziemliche Sauerei auf der Felge hinterlässt, ist Reifenmilch, eine Art flüssiges Vulkanisiermittel. Zum Einfüllen muss aber das Ventil ausgedreht werden (passende Ausdreher gibt es als Ventilkappe!). Bei allen Varianten sollte man beachten, dass die Materialien altern. Ich erneuere daher Stopfen, Kleber, Dichtmasse spätestens nach drei Jahren.

Schrauberkurse

Ralf Petersen
Ralf Petersen.

Der Autor arbeitet als Weiterbildungslehrer bei der VHS Duis­burg und veranstaltet seit über 20 ­Jahren Schrauberkurse. 12 bis 15 Praxis-Seminare zum Thema Wartung, Reparatur und Technik werden jedes Jahr angeboten. Im Delius Klasing- Verlag erschien 2015 sein Buch „Ba­siswissen Motorrad-Technik“. Infos: www.motorrad-schrauberkurse.de Facebook: Motorrad-Technik Petersen

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023