Aus einer Laune heraus tauschten zwei bastelwütige Freunde eine geringe Menge Gerstensafts gegen einen zerrupften Riesenhaufen Plastik und Metall. Daraus erstand – wie neu – eine wunderschöne Honda XL 500 R.
Aus einer Laune heraus tauschten zwei bastelwütige Freunde eine geringe Menge Gerstensafts gegen einen zerrupften Riesenhaufen Plastik und Metall. Daraus erstand – wie neu – eine wunderschöne Honda XL 500 R.
Manche Projekte beginnen alles andere als zielgerichtet, und auch im hier dargestellten Fall kann von Vorsatz keine Rede sein: Weder Jürgen Friedmann, von Beruf Zeitschriften-Produktioner und Motorradfan seit Jugendjahren, noch sein ähnlich veranlagter Freund, der Automechaniker Peter Westerbarkei, hatten sich bislang für frühe Enduros erwärmt. Nein, vielmehr suchten beide eine echte Herausforderung, als sie mit beherztem „Wär’ doch gelacht“ den bereits angestrippten Torso sowie einige Kartons Teile einer Honda XL 500 R gegen zwei Kisten Bier eintauschten und dem Vorbesitzer siegessicher, wenngleich nicht mehr ganz nüchtern, versicherten: „Wirst schon sehen, die wird wieder wie neu.“
Mit null Promille im Blut und bei Tageslicht betrachtet, empfand Jürgen diese Ankündigung zwar als durchaus vollmundig, aber keineswegs erschreckend. Wer schon mal eine Suzuki GSX 750 F zum ausstellungsreifen Streetfighter à la Triumph Speed Triple umgeformt hat, der wird doch vor einem vergammelten Einzylinder nicht einknicken. Demontage und Sortieren ergaben immerhin, dass zwar wirklich alles gründlicher Reinigung bedurfte, aber dafür auch fast alles vorhanden war. Um diesen Eindruck zu untermauern, aber auch, um zu ergründen, was wie und wo genau angebracht werden musste, sammelten die Schrauberfreunde fortan jeden greifbaren Text und jedes Foto zum Thema, wann immer Jürgen auf einer seiner vielen Dienstreisen an einer Honda XL 500 R vorbeikam, ging er in die Knie und machte Detailaufnahmen.
Nicht viele begegnen Hondas erster Großenduro heute mit derlei Zuneigung. Wie die Zeiten sich ändern: 1979 und somit quälend lange drei Jahre nach Yamahas XT 500 auf den Markt gekommen, holte die XL in der Käufergunst rasch auf. Vier Ventile, ein sonst nur im Sport gebräuchliches 23-Zoll-Vorderrad, der automatische Ventilausheber sowie diverse weitere moderne Details zählten eben auch. 1982 dann erhöhte Honda den Reiz noch mal beträchtlich und verbaute die markeneigene Schwingen-Hebelei Pro-Link erstmals in einem Serienmotorrad. Wie beim Vollcrosser ließ ein raffiniert zwischen Schwinge und Rahmen angelenkter Kniehebel das Monofederbein stark progressiv arbeiten, obendrein verlängerte sich der Federweg. Das Hochrüsten auf 12-Volt-Elektrik und das Abrüsten auf 21-Zoll-Vorderrad erhöhten die Attraktivität für Straßenfahrer, insgesamt war das nun Honda XL 500 R getaufte Stollenkrad selbst gegen Yamahas neue XT 550 bestens gewappnet. Die sportliche und in den USA viel verkaufte Variante namens XR bewies das übrigens sogar bei der Rallye Paris-Dakar und verhalf Werksfahrer Cyril Neveu zum Gesamtsieg.
Anders als Yamaha vertraute Honda einer Nasssumpfschmierung – und verzichtete auf einen Ölfilter. Das war mutig, vor allem angesichts einer nur im Leichtmetall von Zylinderkopf und Zylinderdeckel gelagerten Nockenwelle. Eine der wenigen Schwachstellen der Honda XL 500 R, umso froher waren Jürgen und Peter, dass ihr Motor keinen Lagerschaden aufwies. Allerdings war das pflegerische Talent der Vorbesitzer mit der sorgsamen Kontrolle des Ölstands offensichtlich erschöpft: Eingegammelte Hebelei der Schwinge, Schäden durch übergelaufene Batteriesäure, halb zerknautschte Kabel mit angescheuerten Ummantelungen, schwergängige Bremsnocken – die XL ließ wahrlich nichts aus, was Kummer und schmutzige Finger bereitet. Als der ganze Dreck ab war, sah die Sache deutlich erfreulicher aus: Lediglich am Gepäckträger mussten zwei Schweißnähte nachgezogen werden. Und bei der Elektrik reichten – mit Ausnahme einer zu erneuernden Zündspule – kosmetische Maßnahmen.
Neue Schrauben, Scheiben, Dichtringe und Schläuche waren unschwer aufzutreiben, die fehlenden Originalblinker ließen sich – was ein Glück! – im Internet fangen. Während dieser Beschaffungsmaßnahmen weilten Rahmen, Schwinge, Tank, Zylinder, Kopf und so weiter beim Lackierer, die Gehäuseteile des Motors der Honda XL 500 R ließen die Freunde pulvern. Und würden Letzteres heute nicht mehr tun, denn sie hatten nachher viel Arbeit, um die hinterlaufenen Dichtflächen wieder richtig sauber zu kratzen. Für neue Frische bei den alten Kunststoffteilen sorgte ein Heißluftföhn: Wenn man die verblassten Flächen damit vorsichtig anstrahlt, werden die chemischen Weichmacher aktiviert und lösen eine kräftigende Reaktion aus.
Blieb nur noch die Sitzbank, genauer deren stilbildende Beschriftung. Das XL sollte unbedingt wieder das hintere Ende zieren, und hier zahlten sich endlich mal Jürgens berufliche Erfahrungen aus. Das Logo wurde abfotografiert, das Foto dann am Computer in einem professionellen Grafikprogramm bearbeitet. Diese Vorlage wiederum verwandelte ein Plotter in eine Schneide-Schablone. Elastischen Lack auf den neuen Sitzbankbezug gesprüht, perfekt. Leider nur beinahe perfekt kam der Tank der Honda XL 500 R zurück: Der tolle, aber Motorrad-unkundige Lackierer hatte die Honda-Schwinge verkehrt herum angebracht. Noch mal das Ganze, und nun endlich: wie neu.
Eben deshalb verwirrt diese Honda XL 500 R, denn Enduros sahen früher bereits nach zwei, drei Jahren reichlich runtergeritten aus. Wegen ihrer günstigen Versicherung reichte sie anschließend ein Anfänger an den nächsten weiter, irgendwann war dann Ende. Dieser Exodus treibt heute die Gebrauchtpreise hoch, doch dass frühe japanische Enduros mittlerweile zu den gesuchten Youngtimern zählen, hat die beiden Freunde wenig interessiert.
Sie wollten gemeinsam ein überschaubares Projekt meistern, Winterabende füllen, Spaß haben. Den hatten sie. Vor allem, als der Motor auf den zweiten Tritt ansprang. Zum Fahren erschien ihnen die Honda XL 500 R dann allerdings ein wenig schwachbrüstig, ein wenig klein. Jürgen meint, man könne es ja mal mit einer Ténéré probieren. Auch wenn da die Basis garantiert mehr als zwei Kisten Bier kostet.
Motor: Luftgekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, eine kettengetriebene, obenliegende Nockenwelle, vier über Kipphebel betätigte Ventile, Bohrung x Hub 89 x 80 mm, Hubraum 498 cm³, Verdichtung 8,6:1, Leistung: 27 PS bei 5500/min
Kraftübertragung: Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, Kettenantrieb
Fahrwerk: Unten offener Stahl-Einrohrrahmen, Motor mittragendes Element, Telegabel, Ø 37 mm, Hinterradschwinge mit über Pro-Link-Hebelsystem angelenktem Zentralfederbein, Drahtspeichenräder mit Alufelgen, Reifen vorn 3.00-21, hinten 4.60-17, Duplex-Trommelbremse vorn, Simplex-Trommelbremse hinten, Ø vorn und hinten 130 mm
Maße und Gewichte: Radstand 1405 mm, Gewicht vollgetankt 152 kg, Tankinhalt 10 l
Fahrleistungen: Höchstgeschwindigkeit 134 km/h, 0 - 100 km/h: 7,6 sek