Die Gründe, der Sitzbank zu Leibe zu rücken, sind vielfältig: Spätestens wenn sie durchgesessen ist oder sich Risse zeigen, muss sie erneuert werden. Oder man will Sitzhöhe durch Auf- oder Abpolstern verändern, hat den Wunsch nach mehr Komfort oder will ihr einen schicken, individuellen Look verpassen. Ein simpler Bezugwechsel ist auch vom Hobbyschrauber einfach zu bewerkstelligen. Wird eine größere Veränderung geplant, dann bietet sich der Gang zum Profi mit technisch wie optisch oft herausragenden Ergebnissen an. Wir zeigen beide Varianten.
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Schraubertipps zu Motorrad-Sitzbänken
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Standard-Sitzbank meist für 1,80-Meter-Fahrer
Motorrad-Sitzbänke sind fast immer ähnlich aufgebaut. Die Basis ist meist eine Grundplatte aus Kunststoff, bei älteren Maschinen kann sie auch aus Metall bestehen und ist dann zusätzlich rostanfällig. Darüber sitzt das Polster, bestehend aus einer Lage Schaumstoff, der auf der Platte fixiert ist, und schließlich der eigentliche Bezug, der in der Regel aus Kunstleder besteht und meist an der Grundplatte festgetackert ist.
Das Kunstleder härtet mit den Jahren langsam, aber sicher aus, da sich die im Bezug enthaltenen Weichmacher verflüchtigen. Dadurch wird er spröde und brüchig, und schließlich bekommt die Sitzbank auch Risse. Wenn es jetzt noch regnet, dann saugt sich das Polster mit Wasser voll, was die Freude am Sitzen auf Dauer deutlich trübt. Provisorisch lassen sich kleinere Risse mit Panzerband tapen, das hält aber selten lange und sieht auch nicht wirklich toll aus. Nicht nur der Bezug, auch das Polster altert und verliert zunehmend seine dämpfende Funktion. Die Sitzbank ist dann irgendwann „durchgesessen“, und lange Touren werden zur Tortur. Das größte Manko einer Standard-Sitzbank ist aber ihr standardisierter Aufbau, der auf einen durchschnittlichen Biker (180 Zentimeter groß/80 Kilogramm schwer) ausgelegt ist. Ist man kleiner oder größer, leichter oder schwerer, dann passt die Bank oft zumindest nicht optimal zum Fahrer. Eine individuelle Anpassung kann sich deshalb sehr positiv auf Sitzposition und Komfort auswirken. Einfaches Abpolstern durch Entfernen eines Teils des Sitzkerns ist dabei nicht empfehlenswert, weil der Sitzkomfort dadurch erheblich verschlechtert wird.
Pflege der Sitzbank
Damit die Sitzbank lange Freude bereitet, ist eine entsprechende Pflege sinnvoll. Am besten reinigt man sie mit einem weichen Mikrofasertuch, warmem Wasser und Spüli. Auf keinen Fall sollte man aggressive Reinigungsmittel benutzen. Anschließend kann ein Kunstleder-Pflegemittel aufgebracht werden, das aber keine Lösemittel enthalten, sondern auf Wasserbasis arbeiten sollte (z. B. Big Block Protectant). So bleibt der Bezug länger geschmeidig und behält obendrein seine Farbe und seinen Glanz.
Bezugwechsel
Soll nur der Bezug gewechselt werden, dann ist Selbermachen kein großer Akt. Dazu braucht man vergleichsweise wenig Werkzeug und Geschick. Ein passender Ersatzbezug für die hier als Beispiel verwendete Sitzbank meiner Honda NTV 650 wird von Louis für günstige 35 Euro angeboten. Beim Vergleich des alten mit dem neuen Bezug fällt auf, dass der Ersatzbezug zusätzlich Nähte im Bereich der Sitzfläche hat. Diese müssen entweder abgedichtet werden, oder man muss zusätzlich eine Plastikfolie als Zwischenlage einbauen. Nach dem Abbau der Sitzbank wird diese umgedreht, und die alten Tackernadeln können entfernt werden. Dazu kann man einen speziellen Tackerentferner benutzen, muss man aber nicht, denn alternativ lassen sich die Tackernadeln auch mit einem kleinen, schmalen Schraubendreher anheben und einer Kombizange herausziehen. Die alten Nadeln werden als Muster für die neuen benutzt.
Nach dem Entfernen des Bezugs untersucht man den Sitzkern aus Schaumstoff auf Beschädigungen und Zustand. Falls der Kern schon zerbröselt ist, muss er erneuert werden. Eventuelle kleinere Löcher kann man ausbessern. Den dazu benötigten Schaumstoff gleicher Festigkeit erhält man bei einem Sattler oder Polsterer, der gegebenenfalls auch gleich die Reparatur vornehmen kann. Ist der Kern feucht, dann muss man ihn vor dem Beziehen komplett trocknen lassen. Der Kern der NTV-Sitzbank war noch in sehr gutem Zustand, sodass nur ein Neubezug notwendig war.
Schraubertipp zu Motorrad-Sitzbänken
Zuerst wird der Sitzkern mit einer Plastikfolie bezogen und dann auf eine stabile, ausreichend große Oberfläche gelegt. Alle Werkzeuge sollten griffbereit liegen, denn spannen, föhnen und tackern gleichzeitig erfordert eine entsprechende Koordination. Nun legt man den neuen Bezug auf den Sitzkern und richtet ihn möglichst sorgfältig aus, damit er später auch wirklich gerade sitzt. Dann wird er zur ersten Fixierung genau auf halber Höhe der Sitzbank auf beiden Seiten festgetackert. Wichtig ist es, den Bezug dabei recht stramm zu ziehen, damit er später schön glatt ist und keine Falten wirft. Falls er nicht stramm genug sitzt, dann erwärmt man ihn vorsichtig (!) mit einem Föhn. So wird der Bezug geschmeidig und passt sich den Konturen des Sitzkerns und der Grundplatte besser an.
Durch das Erwärmen dehnt sich das Material aus, zieht sich beim Erkalten wieder zusammen, bekommt so die nötige Spannung, und man verhindert die Faltenbildung. Doch Vorsicht – nicht punktuell, sondern möglichst großflächig erwärmen, da sonst an einer Stelle zu viel Hitze entstehen könnte. Auf die gleiche Weise wird der Bezug nun auch am Anfang und am Ende der Sitzbank fixiert. Unbedingt prüfen, ob dabei etwas verrutscht ist. Etwas komplizierter wird es bei den Ecken. Man zieht den Bezug stramm über die Ecke und kann ihn auch ruhig überlappend festtackern, solange die Falten nur an der Unterseite der Sitzbank auftreten (das nimmt etwas Spannung aus dem Bezug).
Das Ganze macht man von einer Ecke ausgehend einmal um die Sitzbank herum. Beim Tackern sollte man auf einen relativ gleichmäßigen Abstand der Tackernadeln achten. Gegebenenfalls kann man nun noch mit einem scharfen Messer oder einem Skalpell das überstehende Material des Bezugs abschneiden – fertig. Bei der NTV-Sitzbank brauchte ich ca. 60 Minuten für ein gutes Ergebnis. Der Bezug von Louis ist passgenau und sieht fertig montiert auch recht gut aus – für den schlanken Anschaffungspreis eine echte Empfehlung.
Zubehörbänke
Der Zubehörmarkt bietet je nach Modell eine ganze Reihe von Möglichkeiten für den Komplett-Ersatz. Einfache Sitzbänke z. B. für Café Racer-Umbauten gibt es schon ab 100 Euro. Allerdings nur als Universalbank, das heißt, die Halterung/Befestigung am Rahmen muss man sich selbst bauen. Typenspezifische Bagster- oder Touratech-Bänke kosten dagegen schon 250 bis 400 Euro. In der Regel sind alle diese Ersatz-Bänke ähnlich wie die Originale auf den Standard-Motorradfahrer ausgelegt, eine individuelle Anpassung an Größe und Gewicht erfolgt also nicht.
Sitzbank-Umbau vom Profi
Wer also eine Maßanfertigung möchte (z. B. wegen der Sitzhöhe) oder besondere Vorstellungen bezüglich der Form, des Designs oder des Materials hat, der kommt um einen professionellen Sitzbankbauer nicht herum. Als Hobby-Bastler stößt man nämlich schnell an seine Grenzen, denn es fehlt an Material, Erfahrung und Kenntnissen. Bei meiner Honda Seven-Fifty, die ich im Retro-Stil umbaue, war die Sitzbank zum einen viel zu weich und zum anderen der Bezug relativ stillos. Im Internet fanden sich viele Anregungen, eine passende Modell-Sitzbank und die Adresse eines Profis in meiner Nähe: Niklas Lange in Solingen war der richtige Mann für den Umbau und die Maßanfertigung von Sitzkern und Bezug, wofür das Motorrad aber unbedingt mitgebracht werden muss. Die Zielvorgabe war klar: Die „Wunschsitzbank“ soll bequem und tourentauglich sein, dazu auch noch chic aussehen. Im Übrigen ist bei einem Umbau je nach Kundenwunsch fast alles möglich, individuelle Formen, farbige Bezüge, gestickte Embleme, Gelkissen und sogar Sitzheizungen sind im Prinzip machbar, dem Rat und der Erfahrung des Profis sollte man aber folgen.
Nach kurzer Besprechung und der Begutachtung des Vorlagen-Fotos beginnt dieser mit der eigentlichen Arbeit, die letztendlich fast fünf Stunden dauern wird. Nach dem Entfernen des alten Bezugs stellt sich heraus, dass die Sitzbank schon einmal verändert wurde, allerdings mit ungeeignetem, viel zu weichem Material. Dieses wird nun entfernt und der Sitzkern mit verschiedensten Lagen Polstermaterial genau auf die Größe und das Gewicht des Fahrers abgestimmt. Wichtig ist, weder eine zu weiche noch zu harte Sitzbank zu erhalten, sondern eine optimal angepasste. Zwischendurch wird die Bank immer wieder an der Maschine montiert und ausprobiert.
Ähnlich anspruchsvoll ist auch die Herstellung des Bezugs. Nach dem provisorischen Zuschneiden des Bezugs legt Niklas die Absteppnähte nach der Foto-Vorlage fest und näht noch eine dünne Schaumstoffschicht ein. Dazu braucht man neben Geschick auch eine entsprechende Erfahrung, damit das Ganze am Ende auch wirklich harmoniert. Die Seitenteile werden angenäht, die Nähte zusätzlich abgedichtet, dann der Kern mit einer Plastikfolie bezogen, die das Eindringen von Wasser verhindert. Das eigentliche Beziehen unterscheidet sich kaum von der weiter oben beschriebenen Vorgehensweise, nur eben schneller und professioneller. Der schönste Augenblick ist dann die „finale Anprobe“ der maßgefertigten Sitzbank. Wie nach den sorgsam ausgeführten Vorarbeiten nicht anders zu erwarten, passt sie nicht nur perfekt auf das Motorrad (es gibt nicht die geringsten Spalten, Überstände etc.), sondern sie ist auch ein echtes Schmuckstück, das der Seven-Fifty einen individuellen Touch und einen Hauch des Charmes der 70er-Jahre beschert. Die Sitzposition, das subjektive Sitzgefühl und der Komfort sind ausgezeichnet und, wie sich im Laufe der Saison herausstellt, auch auf langen Strecken über jeden Zweifel erhaben. Der Lohn für diese Profi-Arbeit ist dagegen relativ bescheiden: 283 Euro sind wahrlich nicht zu viel bezahlt – vor allem auch im Vergleich zur Standard-Ersatzbank aus dem Zubehör.