Warum schwingt eine Kette?

MOTORRAD beantwortet nie gestellte Fragen Warum schwingt eine Kette?

Gerade bei konstanter Geschwindigkeit schwingt die Antriebskette. MOTORRAD erklärt, warum.

TechnikProfi_2021_08_01_1 BMW (7), Jo Deleker (4), Louis (3), Yamaha (1)
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Gesehen haben dürfte es schon jeder: Bei konstanter Fahrt auf ebener Straße schwingt die Antriebskette des Nebenfahrers fast hüpfend. Je nach Situation erkennt man das auch bei seiner eigenen Kette. Woher kommt die schwingende Kette? MOTORRAD beantwortet die Frage, die keiner stellt.

Kettenschwingen: Fünf Gründe

Wer nach der Frage der schwingenden Kette sucht, der findet viele Antworten. Die meisten sind falsch. Manchen wohnt ein Stück Wahrheit inne, und die führen am Ende zu den Auslösern des Schwingens.

  1. Die Kette schwingt, weil die Kette zu wenig gespannt ist.
  2. Die Kette schwingt, weil die Kette zu stark gespannt ist.
  3. Die Kette schwingt, weil die Kette zu wenig geschmiert ist.
  4. Die Kette schwingt, weil sie Spiel auf den Zähnen hat.
  5. Die Kette schwingt, weil der Motor auch schwingt.

In mancher der Weisheiten liegt etwas Wahrheit.

Zu. 1.: Ist der Kettendurchhang zu groß, schwingt die Kette nur stärker als sonst. Der Grund dafür ist ein anderer.

Zu. 2.: Umgekehrt schwingt die Antriebskette weniger, je weniger Durchhang sie hat. Doch durch die engere Umschlingung von Ritzel und Kettenrad kann die Kette womöglich lauter rasseln. Es gilt immer: Den Kettendurchhang nie unter die Herstellerangaben senken.

Zu 3.: Das Schwingen der Kette verstärkt oder senkt der Schmierzustand im Grunde nicht. Sie könnte womöglich lauter rasseln, durch die fehlende Geräuschdämpfung des Schmierstoffs.

Zu 4.: Abgenutzte Ritzel und Zahnräder geben der Kette wirklich mehr Spiel, was das Schwingen grundsätzlich fördert. Doch wie bei 1.: Es wird nur die Ursache des eigentlichen Grundes verstärkt.

Zu. 5: Nein, denn würden die normalen mechanischen Schwingungen des Motors oder der Räder die Kette anregen, dann wäre das Motorrad im Grunde nicht fahrbar. Der Endantrieb würde sich durch die unterschiedlichen Amplituden nach kurzer Zeit selbst zerstören. Allerdings: Der Motor hat durchaus etwas mit dem Kettenschwingen zu tun.

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Die Wahrheit ist unrund

Der grundlegende Effekt, der das Schwingen und Rasseln auslöst, ist das unrunde Laufen der Kette über Ritzel und Kettenrad: der Polygoneffekt. Er tritt auf, wenn ein Zugmittel wie ein Zahnriemen oder eine Kette eine Maschine oder beim Motorrad das Hinterrad antreibt. Dabei läuft das Zugmittel nicht formschlüssig über die Zahnräder. Im Falle einer Kette wird das deutlich, da die Kettenglieder und Bolzen ein Vieleck, ein Polygon bilden, während sie auf den runden Zahnrädern läuft. Jedoch: Die Rollen der Kette greifen nie so exakt zwischen die Zähne, wie sie es für perfekte Funktion müssten. Dadurch ändert sich ständig die Umlaufgeschwindigkeit der Kette in Relation zum Antrieb. Die Geschwindigkeit der Kette schwankt also, selbst wenn das Motorrad mit der gleichen Geschwindigkeit fährt und es keine Änderung im wirkenden Drehmoment gibt. Dieses Ändern der Kettengeschwindigkeit ergibt das Schwingen einer Kette und verursacht auch das Rasseln. Verstärkt und deutlich begünstigt wird das Schwingen und in extremen Fällen das Hacken oder Schlagen der Kette durch die Drehkraftspitzen des Motors, die je nach Stärke die Kette kurzzeitig spannen und wieder entspannen. Besonders Ein- und Zweizylinder zeigen diese Spitzen bei niedrigen Drehzahlen durch starkes Schwingen der Kette. Bei Konstantfahrt wirken Drehkraft und Polygoneffekt zusammen und werden unter Umständen durch das Überlagern der Eigenfrequenz der Kette und der Drehkraftspitzen verstärkt.

Große Räder dämpfen

Wie beschrieben unterliegt ein Antrieb per Kette unter anderem dem Polygoneffekt. Dessen Stärke resultiert aus der Anzahl der Zähne auf dem Zahnrad und dem Umschlingungswinkel der Kette. Ein Rad mit wenig Zähnen und kleinem Durchmesser erzeugt mehr Schwingungen als ein in beiden Dimensionen größeres Zahnrad. Bei einer Zähnezahl von 16 beträgt der Geschwindigkeitsunterschied bei einem Umlauf 2 Prozent und nimmt je zwei Zähne mehr um 2 Prozent ab. Bei weniger als 16 Zähnen nehmen die Schwingungen stark zu. Nahezu keinen Unterschied der Umlaufgeschwindigkeit haben Kettenräder ab 19 Zähnen (knapp über 1 Prozent). Bei 40 Zähnen ist der Effekt nahezu komplett aufgehoben. Bildlich für den Effekt bei einem Ritzel mit 16 Zähnen: Stellt euch ein Motorrad vor, das eigentlich 100 km/h fährt, aber ständig zwischen 98 und 102 km/h schwankt.

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Fazit

Es gibt einige mögliche Antworten auf die Frage, warum eine Motorradkette während der konstanten Fahrt ständig schwingt und unruhig läuft. Wartung und Pflege des Endantriebs haben einen Einfluss auf das Verhalten, ausgelöst wird das Schwingen allerdings vom Polygoneffekt und von den Drehkraftspitzen des Antriebs.

Der Polygoneffekt besagt, dass eine Kette oder ein Zahnriemen niemals so rund läuft wie die Räder darunter, sondern in einem Vieleck – Polygon – mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten um die Zahnräder läuft. Dadurch ergeben sich Schwingungen.

Die Drehkraftspitzen des Motors sind unter anderem der Grund für das berüchtigte Kettenschlagen bei niedrigen Drehzahlen, besonders bei Ein- und Zweizylindermotoren.

Polygoneffekt und Drehkraftspitzen ergeben zusammen das stetige Schwingen der Antriebskette.

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