Bei modernen Fahrzeugen werden Schadensfälle nach der sogenannten Schwacke-Liste reguliert. Für Bikes, die älter als zwölf Jahre sind, gibt es nichts Vergleichbares. Was dann?
Bei modernen Fahrzeugen werden Schadensfälle nach der sogenannten Schwacke-Liste reguliert. Für Bikes, die älter als zwölf Jahre sind, gibt es nichts Vergleichbares. Was dann?
Freundlich und umfassend teilte die HUK-Coburg mit, dass die Yamaha XS 650 von 1983 nicht in der Teilkasko versichert werden könne, da bei älteren Fahrzeugen in der Regel der Wiederbeschaffungswert „nicht mehr so hoch“ sei und der Kunde somit im Schadensfall erfahrungsgemäß durch eine Regulierung nicht zufriedengestellt werden könne. Denn: „Je älter das Fahrzeug, desto geringer die Ersatzleistung.“
Die Kernfrage ist dann, wer diesen Wert festlegt. Über 30 Jahre alte Fahrzeuge gelten als Oldtimer, für sie wurde als Ausweg aus diesem Dilemma erst die Begutachtung durch Experten wie Classic Data und classic-car-tax ermöglicht. In der Konsequenz gibt es seither das H-Kennzeichen, das ein solches Oldtimergutachten zwingend voraussetzt. Danach wird auch im Schadensfall abgerechnet.
Youngtimer zwischen 20 und 30 Jahren werden ebenfalls nicht mehr von der Schwacke-Liste erfasst, können aber weder mit H-Kennzeichen zugelassen noch mit der roten 07er-Nummer betrieben werden.
H-Kennzeichen finden sich aber auch deshalb eher selten an Motorrädern, weil man unter 650 Kubikzentimetern Hubraum für die Pauschalsteuer in Höhe von 46 Euro mehr bezahlen würde als bei regulärer Zulassung. Ohne einen echten Vorteil, denn viele Versicherungen bieten einen Oldtimertarif unabhängig von der H-Zulassung an. Hier sollte man sich jedoch immer eine Vergleichsrechnung aufmachen lassen, da Oldtimertarife meist ohne Einstufung in Schadenfreiheitsklassen gestaltet sind. Und ein Wertgutachten kann man völlig unabhängig von der Art der Zulassung erstellen lassen.
„Ein Wertgutachten macht im Grunde bei allen Fahrzeugen Sinn, die nicht mehr in der Schwacke-Liste erfasst werden, deren Wert jedoch deutlich höher liegt als die dort zuletzt erfolgte Einschätzung“, so Frank Wilke von classic-car-tax.
Wann immer ein Motorrad beschädigt wird und sich dafür ein Schuldiger findet, der versichert ist, stellt sich die Frage nach der Schadenshöhe. Ebenso bei Diebstahl oder einem Wildunfall, wenn die Maschine kaskoversichert ist.
In allen Fällen, vor allem aber bei Totalverlust oder Zerstörung durch einen Brand, sind möglichst umfangreiche Nachweise über den Zustand sowie eine Einschätzung durch Fachleute enorm hilfreich, um die Assekuranzen vom Wert des versicherten Schätzchens zu überzeugen.
MOTORRAD Classic fuhr mit zwei Motorrädern zum Oldtimer-Gutachter. Mit dabei eben jene knapp 30 Jahre alte Yamaha XS 650, die zum Prüfzeitpunkt noch nicht H-Kennzeichen-fähig war. Ein Classic-Data-Partner erstellte eine sogenannte Kurzbewertung, die der Yamaha eine Note verpasste sowie deren Marktwert festlegte.
Dieser erschien plausibel, hatte doch der Besitzer exakt jene Summe für die XS 650 bezahlt. Aber Achtung: Zusätzliche Investitionen, wie eine Motorüberholung, Erneuerung der Elektrik oder Ähnliches, sorgen nicht automatisch für einen höheren Marktwert, schon gar nicht in Höhe der Reparaturkosten. Sollen solche Investitionen erfasst werden, kann ein Gutachten anhand der Unterlagen den sogenannten Wiederherstellungswert ausweisen. Darunter versteht man den Marktwert plus die Aufwendungen, die nötig waren, um den aktuellen Zustand zu erreichen.
Im Hinterkopf behalten sollte man jedoch, dass ohne anders lautende Absprachen der Marktwert die relevante Größe ist, nach der bei Oldie-Versicherungen das Fahrzeug eingestuft und im Schadensfall auch abgerechnet wird. Gerade bei seltenen Fahrzeugen im Top-Zustand kommt es neben dem Marktwert auf den meist deutlich höheren Wiederbeschaffungswert an. Diesen weist die Fahrzeugbewertung von classic-car-tax gesondert für eine BMW R 80 GS Basic aus, die 1997 zugelassen wurde. Der erst 16 Jahre alte Zweiventil-Boxer hat mittlerweile Kultstatus erreicht. Und ist damit ein spannender Fall, weil hier die Diskrepanz zwischen dem Marktwert und dem Betrag, den eine Versicherung unter normalen Umständen zahlen würde, besonders groß ausfällt. Auch mit Gutachten ist aber keineswegs sicher, dass danach abgerechnet wird. Die Chancen sind bei jüngeren Bikes jedoch ungleich höher als ohne. Das gilt zum Beispiel auch bei einem unverschuldeten Unfall, wenn die gegnerische Versicherung zahlen soll.
Dem Gutachten folgt dann die Suche nach einer Versicherungsgesellschaft. Während die Szene sonst eigentlich klare Regeln kennt - ab 20 Jahren gilt ein klassisches Fahrzeug als Youngtimer, ab 30 als Oldtimer - stellen viele Versicherungsgesellschaften, die spezielle Oldtimertarife anbieten, ihre eigenen Regeln auf. Die zudem für Vier- und Zweiräder unterschiedlich ausfallen.
Ein paar Beispiele: Die Axa verlangte zum Zeitpunkt der Recherche Ende 2012 eine Zulassung vor dem 31.12.1979, das H-Kennzeichen reicht hier also nicht. Nur für Autos von 1980 bis 1984 gibt es eine Einstufung als Youngtimer. Bei Motorrädern bis zu einem Marktwert von 10.000 Euro benötigt sie wie die LVM kein Gutachten, rät aber dennoch dazu, eines anfertigen zu lassen.
Die Belmot bietet ihren Motorradtarif nur für Kräder bis Baujahr 1980 an. Erstaunlich: Für Pkw liegt die Grenze bei 1989. Ein Wertgutachten wird erst ab 12.500 Euro Versicherungswert verlangt. Dafür kann hier auch eine Saisonzulassung erfolgen, was bei anderen vielfach nicht möglich ist. Der Concordia genügt bei einem Wert von weniger als 10.000 Euro eine Fotodokumentation, unter 20.000 Euro eine Kurzbewertung. Der HDI fordert ein Mindestalter von 25 Jahren, einen Mindest-Marktwert von 500 Euro und lässt ebenfalls Saisonkennzeichen zu.
Die OCC in Lübeck wirbt damit, dass sie jedweden Klassiker unabhängig vom Alter versichert, solange er sich „in gutem und weitestgehend originalem Zustand“ befindet. Schadenfreiheitsklassen gibt es auch hier nicht, schadenfreie Jahre werden jedoch angerechnet. Bei der Württembergischen ist ein Gutachten erst ab 15 000 Euro Wert nötig, darunter genügen Fotos. Bei der Zurich Versicherung liest sich das so: „Die Oldtimerversicherung kann abgeschlossen werden für Kraftfahrzeuge, die aufgrund ihres Alters, ihres überdurchschnittlichen Erhaltungszustandes und ihrer Verwendung nicht mehr als handelsüblich anzusehen sind.“ Zwingend nötig ist hierzu ein Gutachten. Laut Tarifrechner müssen Motorräder dann allerdings doch mindestens 30 Jahre alt sein.
Wie so oft im Leben ist allerdings auch hier so manches Verhandlungssache. Ein Sonderfall ist der Oldtimer-Versicherungsmakler Olasko, der hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt sei. Die Internetpräsenz enthält zahlreiche interessante Infos, aber auch die Bemerkung, dass man aufgrund des großen Andrangs nur Anfragen ab einem Fahrzeugwert von mehr als 10.000 Euro bearbeiten kann. Schade.
Viele Anbieter, wie die ADAC-Versicherung, die Allianz, die Concordia, die Gothaer, die LVM, die Nürnberger und die Württembergische setzen ein Mindestalter von 30 Jahren voraus, bieten also für Youngtimer-Motorräder keine speziellen Tarife, bei Autos ab 25 Jahren dagegen mitunter schon.
Bei einigen Gesellschaften, etwa der Zurich, kann sich der Kunde aussuchen, ob für die Entschädigung im Kaskofall der Marktwert, der Wiederbeschaffungswert oder der Wiederaufbauwert zugrunde gelegt werden soll. Dies will je nach Fahrzeug wohl überlegt sein und schlägt sich logischerweise in der Prämie nieder. Als besonderes Zuckerl bieten manche Gesellschaften, etwa die Mannheimer mit ihrer Belmot oder die Württembergische, eine All-Risk-Deckung an, mit der sich sogar Motorschäden versichern lassen. Genau hinschauen und nachfragen ist in allen Fällen also unerlässlich.
Und was wurde aus der eingangs erwähnten Yamaha XS 650? Eine Oldtimerversicherung oder eine Abrechnung nach Gutachten bietet die HUK nicht an, sie entließ den Yamaha-Besitzer daher nach erfolgtem Nachweis einer Oldtimerversicherungspolice vorzeitig aus dem Vertrag.
Er musste also nicht wie sonst üblich mit dem Wechsel bis zum Jahresende warten. Dieses Vorgehen ist in der Branche durchaus üblich, aber wenig bekannt. Die Japanerin darf nun die beiden wesentlichen Vorteile der Oldtimereinstufung genießen: Bei einem Kaskoschaden, also Diebstahl, Sturm, Hagel, Brand oder einem Haarwildunfall, wird nach dem Gutachten abgerechnet, außerdem ist sie nun auch beim Transport auf dem Anhänger gegen Unfallschäden versichert.
Der Eigner der 16 Jahre alten GS Basic darf darauf hoffen, dass bei einem Schaden das Gutachten hinzugezogen wird. Laut Aussage der ADAC-Versicherung am Privatkundentelefon würde ein versicherungseigener Sachverständiger bei einem Schaden sehr wohl den Marktwert ermitteln. Diese Arbeit kann ihm mit einem Wertgutachten erleichtert werden.