Bei vielen Old- und Youngtimern muss das Ventilspiel sehr oft kontrolliert und eingestellt werden. Bei einigen Moto Guzzi-Typen der 1970er-Jahre schreibt der Hersteller sogar ein regelmäßiges Wartungsintervall von gerade mal 3000 Kilometern vor. Da braucht es schon einen gut gefüllten Geldbeutel, wenn die Maschine immer von einer Werkstatt betreut werden soll.
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Wie stelle ich Ventile ein?
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Wer nicht gerade zwei linke Hände besitzt, kann bei vielen Motorradmodellen das Ventilspiel jedoch selbst einstellen – das ist bei weitem nicht so kompliziert, wie es weniger versierte Schrauber glauben. Vor allem an den Stoßstangen-Motoren von BMW, Ducati, Guzzi, Morini, Norton, Triumph oder Yamaha lässt sich das korrekte Spiel am Kipphebel mit etwas Übung und technischem Sachverstand einfach einstellen.
Dehnen und Setzen
Doch zunächst ein wenig Theorie: Weshalb ist das richtige Spiel und damit die Einstellung so wichtig? Die Ventile sind die mit am höchsten belasteten Bauteile im Motor. Neben dynamischen Kräften müssen Ein- und Auslassventile vor allem den hohen Verbrennungstemperaturen standhalten können. Aus diesem Grund kommen für Ventile spezielle Metalllegierungen zum Einsatz. Mit dem Nachteil, dass sich das Ausdehnverhalten der Ventile von jenem der anderen Bauteile des Motors und Ventiltriebs unterscheidet, die in der Regel aus einer Aluminiumlegierung oder hochwertigem Stahl, mitunter aber auch aus exotischen Werkstoffen bestehen können.
Da sich alle diese Materialien bei Erwärmung unterschiedlich ausdehnen, haben die Motor-Konstrukteure gewisse Toleranzen vorgesehen, um eine einwandfreie Funktion der bewegten Teile des Motors zu gewährleisten, insbesondere während der Warmlaufphase. Das gilt vor allem für das Ventilspiel. Dessen Korrektur ist nicht zuletzt bei frisch montierten Motoren wichtig, um das Setzen von Zylinderfuß- und -kopfdichtungen auszugleichen. Bei den oben genannten Stoßstangen-Motoren wird es mittels Einstellschrauben an den Ventilkipphebeln justiert.
Auf den Punkt öffnen und schließen
Der korrekte Wert, der immer bei kaltem Motor eingestellt werden muss, ist entscheidend, damit der Ventiltrieb bei Betriebstemperatur möglichst wenig Spiel hat. Nur so ist gewährleistet, dass Steuer- und Öffnungszeiten exakt eingehalten werden, der Verschleiß durch ein zu weites oder enges Spiel somit bestmöglich reduziert wird. Das richtige Ventilspiel stellt zudem sicher, dass das Ventil gasdicht an seinen Sitz anliegen kann. Gerade die Auslassventile benötigen diesen Kontakt, um die aufgenommene Wärme der verbrannten Abgase abführen zu können. Bleiben sie bei zu engem Ventilspiel leicht offen stehen, können sie am Ventilteller durchbrennen, da bei jedem Verbrennungstakt eine Flamme um den Ventilschaft „züngelt“.
Hat ein Ventil zu viel Spiel, wird die Nockenrampe, die das Ventil sanft abheben und aufsetzen lässt, außer Funktion gesetzt. Was dazu führt, dass Nocken, Kipphebel und Ventilschaft durch hohe Lastspitzen regelrecht kaputt gehämmert werden. Die Folge: Materialausbrüche an den Oberflächen und eingelaufene Ventilsitze. Das Einstellen der Ventile ist daher der erste Wartungspunkt, bevor Zündung und Vergaser kontrolliert werden.
Die einzelnen Arbeitsschritte bei einem BMW-Zweiventil-Boxer
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Bei Mehrzylinder- Motorrädern müssen zunächst alle Ventildeckel runter und sämtliche Zündkerzen herausgeschraubt werden.
Im Folgenden zeigen wir die einzelnen Arbeitsschritte bei einem BMW-Zweiventil-Boxer. Zuerst die Maschine auf den Hauptständer aufbocken und sicherstellen, dass die Zündung ausgeschaltet ist. Dann die Zündkerzen herausschrauben und die beiden Ventildeckel rechts und links entfernen. Damit die Ventile richtig eingestellt werden können, muss der Kolben des betreffenden Zylinders auf OT (oberer Totpunkt) im Kompressionstakt gebracht werden. Das heißt, der Kolben steht im Zylinder ganz oben an seinem Umkehrpunkt. Dabei spielt es keine Rolle, mit welchem Zylinder man bei mehrzylindrigen Motorrädern beginnt.
Für die Ermittlung des OT (Kompressionstakt) hat jeder Motor – abhängig von Zylinderzahl und Kurbelwellenkröpfung – eine oder mehrere OT-Markierungen, die entweder auf der Schwungscheibe der Kupplung oder auf der Lichtmaschine angebracht sind. In der Regel muss diese für den jeweiligen Zylinder mit einer Markierung am Motor in Deckung gebracht werden, um die exakte Stellung des Kolbens zu erlangen. Bei mehrzylindrigen Motorrädern können die jeweiligen OT-Markierungen zur leichteren Identifizierung zusätzlich noch Buchstaben (z.B. „L“ oder „R“ für linken oder rechten Zylinder) oder auch Zahlen aufweisen, um sie dem richtigen Zylinder zuordnen zu können.
Zum Durchdrehen des Motors legt man am besten einen hohen Gang ein und dreht das Hinterrad von Hand in Abtriebsrichtung. Man kann aber auch mit einem passenden Werkzeug an der Lichtmaschine die Kurbelwelle drehen, speziell bei Bikes ohne Hauptständer. Achtung: Wegen der Kontur der Nockenwelle(n) unbedingt auf die richtige Drehrichtung des Motors achten! Bei den BMW-Zweiventil-Boxern dreht man, von vorne auf den Motor gesehen, im Uhrzeigersinn. Erkennt man die OT-Markierung im Schauloch, zunächst prüfen, ob wirklich der OT im Kompressionstakt vorliegt. Das ist bei Viertaktern nur bei jeder zweiten Kurbelwellenumdrehung der Fall!
Hierzu testet man bei Stoßstangen-Motoren wie der BMW, ob sich diese leicht drehen lassen. Falls ja, muss der OT vorliegen, anderenfalls die Kurbelwelle eine Umdrehung weiter drehen. Anschließend prüft man mit der Hand das Kipphebelspiel. Die Lagerung der Kipphebel darf radial kein Spiel haben. Axial hingegen weisen einige Kipphebelkonstruktionen leichtes Spiel auf, das bisweilen durch Federn oder Unterlegscheiben ausgeglichen wird (Guzzi). Sind auch die Kontaktflächen zwischen Kipphebel und Ventilschaftkopf in Ordnung, ermittelt man mit einer Fühlerlehre das anliegende Ventilspiel zwischen Ventilschaftkopf und Kipphebel. BMW gibt einen Wert von 0,15 Millimeter für den Einlass und 0,20 Millimeter für den Auslass vor. Bei neu montierten Motoren, aber auch solchen, die bereits länger gelaufen sind, ist es häufig zu eng. Dies liegt einerseits am Setzen der Zylinderdichtungen, andererseits schlagen sich die Ventilteller allmählich in die Ventilsitze ein. Bei gerade frisch montierten Motoren muss daher vor dem Einstellen noch der Zylinderkopf nachgezogen werden (auf der OT-Stellung!).
Ein paar Worte zur Steuer-Peripherie
Schoch
Kontermutter und Einstellschraube müssen sich leicht mit den Fingern drehen lassen – ansonsten sind die Teile zu ersetzen.
Gelegentlich kann es beim Ventil-Einstellen vorkommen, dass sich die Einstellschrauben sehr schwer drehen lassen. Dann wurde die Kontermutter irgendwann einmal zu fest angezogen. Die überdehnten Einstellschrauben sperren sich dann im Gewinde des Kipphebels. Solche Einstellschrauben bitte sofort ersetzen, da sie jederzeit im Betrieb abreißen können.
Zu den obligatorischen Arbeiten rund ums Einstellen der Ventile gehört ebenso die Kontrolle von Steuerkette oder Zahnriemen (beispielsweise Morini, Ducati). Bei einigen Motorradmodellen muss die Spannung der Steuerkette in vorgeschriebenen Intervallen manuell nachgestellt werden. Die Intervalle und das erlaubte Spiel stehen im Handbuch oder müssen beim Experten erfragt werden. Ist ein automatischer Kettenspanner verbaut, erübrigt sich das Nachstellen. Unabhängig aber vom Kettenspannersystem macht sich eine verschlissene bzw. gedehnte Steuerkette oft mit rasselnden oder schlagenden Geräuschen bemerkbar, insbesondere im Standgas. Dann sollte sie unverzüglich gewechselt werden, da sonst die Gefahr besteht, dass sie auf den Kettenrädern überspringt und sich somit die Ventilsteuerzeiten verstellen. Dies hat dann in den meisten Fällen einen kapitalen Motorschaden zur Folge. Das Wechseln einer Steuerkette kann sehr aufwendig sein, da hierzu oft der komplette Motor zerlegt werden muss.
Bei Motorrädern, deren Nockenwelle über Steuerriemen (Zahnriemen) angetrieben werden, gibt der Hersteller feste Wechselintervalle vor, die entweder von der Laufleistung oder der Betriebszeit abhängen. Diese Intervalle sind unbedingt einzuhalten, selbst wenn der Zahnriemen bei der Sichtkontrolle noch einen guten Eindruck macht. Grund: Der Gummi des Zahnriemens härtet mit der Zeit aus und wird spröde. Alte Steuerriemen machen sich meist nach dem Start des kalten Motors durch pfeifende Geräusche bemerkbar, die nach wenigen Betriebsminuten wieder verschwinden. Wer diese Geräusche aus seinem Motor hört, sollte demnach dringend über einen Wechsel der Steuerriemen nachdenken.
Vor der Endmontage aller Teile empfiehlt sich noch eine Kontrolle des Zündkerzenbildes. Dann die Kerze reinigen und ihr Gewinde mit Strom leitendem Kupferfett (!) einschmieren. Es sorgt neben gutem Kontakt auch dafür, dass sich die Zündkerze im Gewinde nicht festfrisst. Zum Schluss nicht vergessen, die Synchronität der Vergaser zu prüfen – jede Veränderung der Öffnungszeiten beeinflusst nämlich auch die Standgas-Synchronität.
Misst man dann erneut das Ventilspiel, ist es in der Regel noch enger, weil sich dabei die Dichtungen weiter gesetzt haben.
Jetzt kann das korrekte Ventilspiel nach Herstellervorgabe eingestellt werden. Hierzu bei Stoßstangen-Motoren wie der BMW die Kontermutter auf dem Kipphebel öffnen und die Einstellschraube so weit verdrehen, bis die Fühlerlehre sich „satt-saugend“ durch den Spalt zwischen Kipphebel und Ventilschaftkopf ziehen lässt. Stimmt das Spiel, wird die Kontermutter unter Gegenhalten der Einstellschraube mit dem richtigen Drehmoment angezogen (20 Newtonmeter bei den BMW-Zweiventilern). Nach dem Einstellen den Motor vor dem ersten Starten bei noch offenen Ventildeckeln mit der Hand durchdrehen und die korrekte Funktion des Ventiltriebs testen. Anschließend prüfen Profis noch einmal das Ventilspiel, um sicher zu gehen, dass alles korrekt eingestellt wurde.