- Hybrid-Motor zwischen Zweitakt und Viertakt
- Erster Eigenbau-Hybrid-Motor mit 500 Kubik
- Kompletter Eigenbau-Einzylinder mit fast 1.200 Kubik
- 150 PS bei 6.000/min
- Selbst gegossen und gefräst
- Membraneinlässe für die Zweitaktkompression
- Rotationszylinderkopf
- 3 integrierte Pumpen, kein Getriebe
- Leichtes Eigenbau-Fahrwerk
- Fazit
In England wurde John Ellwood geboren, doch der Elektrotechniker lebt schon lange im schwedischen Stockholm. Im Motorsport ist er überaus aktiv gewesen, in vielen verschiedenen Klassen: Motocross, Enduro, Gespanne, Speedway, Dragster – und vor allem in der Kategorie Supermono. Mit Einzylindern.
Hybrid-Motor zwischen Zweitakt und Viertakt
Als John Mitte der 1990er-Jahre beruflich im eiskalten Kasachstan war und seine Zahnschmerzen tagelang mit Wodka betäubt hatte, wachte er eines Morgens aus seinem Delirium auf und hatte eine Vision: Einen neuartigen Motor wollte er bauen, eine Mischung aus Viertakter und Zweitakter, die er seitdem "Hybrid" nennt. Dabei wird nach dem Viertakt-Prinzip gezündet, also bei jeder zweiten Kurbelwellenumdrehung. Doch jede Abwärtsbewegung des Kolbens wird zur Kompression der Ansaugluft genutzt. Möglich wird das durch Membraneinlässe im Kurbelgehäuse. Ebenso zweitakttypisch wie die Membraneinlässe und bei diesem Konzept unvermeidbar ist die Verlustschmierung. Das Motoröl schmiert hier also nicht nur, es gelangt vom Kurbeltrieb in die Ansaugluft und wird schließlich mitverbrannt.
Erster Eigenbau-Hybrid-Motor mit 500 Kubik
Seine technische Vision setzte John Ellwood tatsächlich zeitnah in die Realität um. Zunächst mit 500 Kubik auf Basis eines Speedway-Einzylinder-Viertaktmotors von Godden, in den er die Membraneinlässe von einem Zweitaktmotor einpflanzte – von einer Yamaha RD 350. Damit fuhr er jahrelang bei Supermono-Rennen mit, zwar nicht besonders erfolgreich, doch er freute sich, wenn sein Hybrid-Motor funktionierte und durchhielt.
Kompletter Eigenbau-Einzylinder mit fast 1.200 Kubik
Für die Supermono-Rennen in England und Schweden, bei denen John Ellwood antritt, steht nicht viel im Reglement, außer: Einzylinder. Ein Hubraumlimit gibt es praktisch nicht, denn es wurde utopisch hoch angesetzt: Bis zu 1.300 Kubik wären erlaubt. Die Grenzen des Machbaren wollte John mit seinem Hybrid-Konzept ausloten, doch ein 1300er-Einzylindermotor wäre für Supermono-Rennen zu lang geworden, hätte zu wenig Platz zwischen Zylinderkopf und Vorderrad gelassen. Zudem wären die Lastspitzen und die Schwingungen zu extrem, unzumutbar, sowohl fürs Material als auch für den Fahrer. Der Eigenbau-Tüftler sieht das pragmatisch und bleibt knapp unter 1.200 Kubik. So passt das, und der 1200er-Einzylinder kann circa 1.000/min höher gedreht werden als ein 1300er.
150 PS bei 6.000/min
Selbst gesetztes Ziel sind 150 PS bei 6.000/min. Mit 11:1 Verdichtung und E85-Sprit. Mit Nitromethan seien bis zu 400 PS möglich, meint John. Übrigens könnte sein XXL-Single auch mit normalem Benzin laufen, oder mit Methanol. Sogar Diesel könnte in den Eigenbau-Alutank gefüllt werden, dann müsste lediglich die Verdichtung angepasst werden, auf 15:1, mindestens.

Selbst gegossen und gefräst
Wesentliche Bestandteile des Triebwerks hat John bei sich zuhause aus Aluminium gegossen und gefräst. Das Kurbelgehäuse hat 40 Millimeter Wandstärke. Die Kurbelwelle läuft in insgesamt 4 entsprechend dimensionierten Wälzlagern und ist so gewuchtet, dass die Vibrationen – oder besser: Schwingungen – zwischen 5.000 und 6.000/min einigermaßen auszuhalten sind. An 16 Millimeter starken Zugankern ist der liegende Zylinder befestigt. Der ebenfalls aus Aluminium gefräste Zylinder ist wassergekühlt, und in der eingesetzten Stahlbuchse von Westwood läuft ein geschmiedeter Aluminiumkolben von Carillo. Durchmesser: 116,5 Millimeter. Auch das Stahlpleuel steuerte Carillo zu diesem erstaunlichen Eigenbauprojekt bei. Mit 110 Millimeter Hub ergeben sich 1.173 Kubikzentimeter Hubraum.

Membraneinlässe für die Zweitaktkompression
Insgesamt 3 Membraneinlässe sind am Kurbelgehäuse verteilt. Durch sie saugt der Kurbeltrieb Luft an, die bei den Abwärtsbewegungen des großen Kolbens verdichtet wird. Damit ist in Ellwoods Hybrid-Motor quasi ein Zweitaktkompressor integriert. Über ein viertes Membranventil gelangt die komprimierte Luft in eine Druckkammer. Diese Druckkammer befindet sich hier unter dem Sitz, und sie musste aus Stahlblech gefertigt werden, denn Aluminiumblech würde den heftigen Druckpulsationen nicht Stand halten. Ausgeglichen und angestaut in der Druckkammer, strömt die Ansaugluft in den Einlasstrakt. Dort wird das Luft-Schmieröl-Gemisch von vier Haltech-Einspritzdüsen mit Sprit angereichert. Von Maxx stammen Motorsteuerung und Zündung.
Rotationszylinderkopf
Eine weitere Besonderheit ist der Zylinderkopf. Denn in dem wird der Ladungswechsel weder von 2, noch von 3 oder 4 Ventilen gesteuert. Angetrieben über Zahnriemen und Kegelrad, von der Kurbelwelle übersetzt im Verhältnis 2:1, rotiert im Zylinderkopf ein maximal großes Ventil mit einem Fenster, das abwechselnd den Einlass und den Auslass oder die Zündkerze freigibt. Inspiriert wurde John Ellwood dabei von Frank Aspin, der dieses Prinzip erfand. Zusätzlich ist hier eine Wassereinspritzung adaptiert, für zusätzlichen Sauerstoff in der Verbrennung und zur Kühlung. Ansonsten ist der Zylinderkopf luftgekühlt, mit dem "kühleren" E85-Sprit genüge das, sagt John. Zudem sitzt unter dem Kraftstofftank ein Ladeluftkühler, um die Erwärmung der Ansaugluft durch die Kompression auszugleichen.
3 integrierte Pumpen, kein Getriebe
Insgesamt sind 3 Pumpen integriert, die alle mit 12 Volt laufen: eine fürs Zweitaktöl, das aus einem Reservoir unter dem Sitz direkt an die Kurbelwelle gepumpt wird, eine für die Wasserkühlung des Zylinders und eine für die Wassereinspritzung. Ein Getriebe mit verschiedenen Gängen hat der Riesen-Einzylinder keines. Er braucht keines, das würde ihn nur unnötig noch länger machen. Lediglich eine besonders verstärkte Kupplung von BDL ist angebaut, um in engen Kurven den Kraftschluss trennen zu können. Abstimmung und Feintuning des XXL-Singles sind noch nicht abgeschlossen. John Ellwood nutzt dafür – natürlich – seinen Eigenbau-Prüfstand.
Leichtes Eigenbau-Fahrwerk
Ebenfalls Eigenbau, jedenfalls weitgehend, ist das Fahrwerk des Supermono-Racers. Proportional zum Motor erscheint es filigran und unterdimensioniert. Upside-down-Telegabel und Aluminium-Einarmschwinge stammen von einer älteren 125er-Aprilia. Allerdings rüstete John die Einscheibenbremse vorn mit einer Sechskolbenzange von ISR auf und modifizierte die Einarmschwinge aufwändig. Der Endantrieb per Kette läuft hier koaxial im Schwingenlager, mit konstantem Kettendurchhang. Beim Gitterrohrrahmen aus Stahl ließ John sich von Freunden unterstützen. Fahrzeug-Gesamtgewicht, vollgetankt: circa 165 Kilogramm. Ursprünglich angepeilt hatte John Ellwood 120 Kilo. Doch dann wäre das Motorrad wohl um diesen Motor herum zerbröselt.
Fazit
Ein sensationelles Eigenbau-Motorrad von John Ellwood aus Stockholm. Sein leichter Supermono-Racer wird von einem XXL-Einzylindermotor angetrieben, mit 1.173 Kubik und 150 PS. Dabei handelt es sich um eine außergewöhnliche Triebwerkskonstruktion mit Rotationszylinderkopf und Zweitaktkompression.