Zeitvorgaben bei Motorrad-Reparaturen Werkstatt

Zeitvorgaben bei Motorrad-Reparaturen Mit der Zeit nervt das

Bei Verschleißreparaturen zahlen Motorradfahrer beim Händler meist das, was die Hersteller dafür vorgeben. Zeit ist dabei Geld. Und meist zu wenig, klagen die Händler. Denn oft dauert’s in der Werkstatt real viel länger als auf dem Papier. Eine echte Zwickmühle. Aber nicht überall.

Mit der Zeit nervt das markus-jahn.com
MOTORRAD
Was die Hersteller als Arbeitszeiten für Verschleißreparaturen veranschlagen - ob das hinkommt, darauf geht der Text ein.

Es gibt Dinge, da kommt man ganz schön ins Grübeln. So geht es MOTORRAD-Werkstattchef Gerry Wagner, als er sich daran macht, den Dauertester Honda Crosstourer zu demontieren. Es gehört bekanntlich zum redaktionseigenen Prinzip der Gründlichkeit, dass nach dem 50.000 Kilometer-Dauerlauf die Maschine in ihre Einzelteile zerlegt wird, um Verschleißspuren auf die Schliche zu kommen. Wagner, weiß Gott kein Greenhorn an der Werkbank, braucht allein rund einen halben Tag, bis das Triebwerk ausgebaut ist – vom Zerlegen ist da noch nicht die Rede.

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Spaßeshalber erkundigt sich Gerry bei Honda, was für einen Motortausch – also Aus- und Einbau – beim Crosstourer an Arbeitszeit veranschlagt wird. Und staunt nicht schlecht, als Honda nur viereinhalb Stunden kalkuliert. Eine Diskrepanz, die Grund genug ist, das Thema Arbeitszeitvorgaben grundsätzlich zu hinterfragen.

Schwingenlagertausch in 55 Minuten?

Eine Liste mit Verschleißreparaturen ist schnell erstellt und an die Hersteller übersandt. Aus praktischen Gründen fragen wir die jeweiligen Positionen für Modelle ab, die sich größtenteils ohnehin im MOTORRAD-Dauertest-Fuhrpark befinden. „Insgesamt ziemlich sportlich“, urteilt Chefschrauber Wagner, als die Ergebnisse der Umfrage vorliegen (siehe Bild oben). Da dürfe aber rein gar nichts dazwischenkommen. „Um diese Zeiten einhalten zu können, muss die Maschine bereits tipptopp sauber in der Werkstatt stehen und der Arbeitsplatz optimal vorbereitet sein.“

Schwingenlagertausch bei der BMW R 1200 R in 55 Minuten? Angesichts des erforderlichen Ausbaus von Kardanantrieb und Hinterrad hält unser Werkstattchef dies für ziemlich unrealistisch. Und wer einen Kettensatzwechsel bei der KTM Super Duke R in einer halben Stunde hinbekomme, der müsse fliegende Hände haben, meint Wagner. Die angegebenen Zeiten seien zu erreichen, wenn man die Reparatur zum fünften oder zehnten Mal ausführe.

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Zitat eines BMW-Händlers.

Das bestätigen auch die zum Thema Arbeitszeitwerte befragten Händler. „Der Austausch des Gabeldichtungsrings bei der KTM 1190 Adventure ist für die Werkstatt ein Problem“, sagt ein Markenhändler aus Baden-Württemberg. 40 Minuten werden von KTM einschließlich Probefahrt angesetzt, realistisch sei die doppelte Zeit. Ist der Lichtmaschinen-Rotor einer KTM Duke 125 zu wechseln, fallen in der Regel mit 80 Minuten sogar viermal mehr an, als vom Hersteller vorgegeben. Im Prinzip bleibt die Werkstatt auf dem Mehraufwand sitzen, was sich aber niemand leisten kann. In den krassesten Fällen wird nachjustiert: Einen Teil nimmt der Händler auf seine Kappe, einen anderen versucht man beim Kunden zu holen. Zudem lässt sich mit geschickter Mischkalkulation noch die eine oder andere Kostenschraube drehen. Der KTM-Händler beklagt zudem, dass bei Rückrufen die Arbeitszeiten extrem knapp bemessen sind. „Da reicht die Zeit nie und man legt gleich zigfach drauf.“ 

Davon kann ein Triumph-Händler aus dem Fränkischen ebenfalls ein Lied singen: „Die Zeitvorgaben bei Rückrufen sind sehr knapp kalkuliert, weil in der Regel eine große Zahl von Maschinen betroffen ist“, sagt er. Als Beispiel nennt er den Austausch des Zylinderkopfs bei der Tiger Explorer – selbst bei mehrmaliger Ausführung dauere dies zwölf Stunden und nicht acht Stunden, wie vorgegeben. In Sachen Verschleißreparaturen hingegen gebe es bei Triumph nur vereinzelt Diskrepanzen zwischen Vorgabe und tatsächlichem Zeitaufwand.

Suzuki setzt auf Vertrauensarbeitszeit

Marktführer BMW verfolgt dagegen in jedem Fall die Linie der knapp bemessenen Arbeitszeiten. „Die Vorgaben sind nur mit viel Erfahrung und Routine zu schaffen“, sagt ein Markenhändler aus Bayern. „Ein Mechaniker, der noch nie eine Kupplung bei der R 1200 R getauscht hat, benötigt beim ersten Mal locker die dreifache Zeit.“ Knifflig seien beispielsweise auch Bremssattelreparaturen. „Ab dem fünften Mal geht es dann schneller.“ Die schmalen Zeitfenster habe BMW wohl mit Blick auf die Kunden gesetzt. Ventile bei der S 1000 RR zu prüfen und einzustellen, schafften nur zwei seiner neun Leute in der vorgegebenen Zeit. „Die haben das aber auch schon x-mal gemacht“, sagt der Chef. Wie löst er das Dilemma, ohne dauernd draufzuzahlen? „Wir haben den realistischen Mehraufwand auch bei Routinearbeiten mit einkalkuliert.“

Die Konstruktion spielt natürlich auch eine Rolle dabei, wie hoch der Arbeitsaufwand ausfällt. So ist Ventile prüfen und einstellen bei der Suzuki GSX-R für den damit unerfahrenen Mechaniker ebenfalls kein Kinderspiel. Doch bei der japanischen Marke gibt es sozusagen Vertrauensarbeitszeit – es gibt keine Vorgaben. „Feste Arbeitszeitwerte gibt es nur für Inspektionen und bei Garantiefällen“, bestätigt ein Markenhändler aus dem Ruhrgebiet. „Und die kommen hin.“ Er lobt die Kooperation mit dem Suzuki-Außendienst. „Die sind sehr gut aufgestellt, helfen wirklich, wenn es ein Problem gibt und kommen dafür auch mal in den Betrieb“, sagt er.

Ein Marken-Kollege aus Süddeutschland, der gleichzeitig Kawasaki-Händler ist, sieht das genauso: „Bei Suzuki und Kawasaki stimmen die Vorgaben.“ Bei Yamaha scheint es auch ohne Druck auf die Arbeitszeit gut zu laufen. „Die Kundendienst-Leute kommen alle aus der Praxis, das hilft“, sagt ein schwäbischer Yamaha-Händler.

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