Ohne Landkarte kommt kein Biker aus. Wie sie entstehen, wie man sie nutzt, was eine gute Karte auszeichnet sowie viele Tips rund ums Leben mit Karten hat MOTORRAD zusammengetragen.
Ohne Landkarte kommt kein Biker aus. Wie sie entstehen, wie man sie nutzt, was eine gute Karte auszeichnet sowie viele Tips rund ums Leben mit Karten hat MOTORRAD zusammengetragen.
Welches die beste Karte ist, hängt in hohem Maß vom Einsatzzweck ab. Wer beispielsweise auf dem schnellsten Weg von Hamburg in den Schwarzwald will, ist zunächst mit einer Deutschlandkarte im Maßstab 1:750000 gut bedient. Sie enthält zusätzlich zum Fernstraßennetz und groß gedruckten Ortsnamen, die auch auf den Straßenhinweisschildern stehen, idealerweise noch Raststätten und Tankstellen an der Autobahn.Im Süden angekommen, sollen nun möglichst kleine Sträßchen unter die Räder kommen. Dafür ist eine Karte nötig, anhand derer man sich eine Vorstellung von der Landschaft machen kann - Basisanforderung für eine gute Motorradkarte. Schließlich fährt das Auge mit. Eine Hilfe können die grünen Linien sein, die auf vielen Karten landschaftlich reizvolle Strecken kennzeichnen. Was jedoch eine subjektive Angelegenheit ist, wie der Vergleich mehrerer Kartenwerke zeigt. Und mit etwas Erfahrung braucht man diese Empfehlungen gar nicht. Auf einer ausreichend genauen Karte erkennt der geübte Leser schöne Strecken an Topographie und Verlauf.»Im Tal, noch vor dem Bach, rechts die kleine, einspurige Straße hoch, kurz nach der Burgruine links, durch den Wald, nach etwa zwei Kilometern vermutlich schöner Blick ins Tal.« Informationen, die sich auf einer General- oder Michelinkarte im Maßstab 1:200000 oder kleiner leicht ablesen lassen. Daß die Strecke zunächst durch ein Tal und rechts des Bachs dann bergauf führt, sieht man bei topographischen Karten an den Höhenlinien, ansonsten an der Schummerung und den kleinen Pfeil-Symbolen auf den Straßen, die Steigungen oder Gefälle kennzeichnen. Die Kategorie der Straße ergibt sich aus Breite und Farbe der Einzeichnung. Der Bach ist ebenso klar auszumachen wie die Burgruine und der Wald. Auch der Ausblick und sogar das »vermutlich« läßt sich erklären: Der Punkt liegt ausreichend hoch über dem Tal, um einen schönen Blick zu bieten Doch die Karte ist fünf Jahre alt, der Ausblick könnte also vom Wald zugewachsen sein.Zuviel Information auf kleinem Raum kann allerdings auch schiefgehen und die Karte unübersichtlich werden lassen. Dagegen helfen zwei Maßnahmen: Weglassen (Übersichtskarten) oder den Maßstab vergrößern. Denn je größer der Maßstab, desto kleiner ist die Fläche, die auf der Karte dargestellt wird. Folglich lassen sich mehr Details abbilden. Eine gute Karte ist daran zu erkennen, daß sie den Spagat aus Übersicht und maximaler Information am besten meistert. Für Motorradtouren leisten Michelin und Mairs Generalkarte mit ihren 1:200000er Blättern optimale Dienste. Bis hinunter zu Feldwegen ist alles drauf - totzdem muß man sie nicht alle Nase lang umdrehen. Mit leichten Vorteilen für die Michelin, die sich vor allem beim Suchen kleinster Sträßchen einen Tick besser ablesen läßt. Mit etwas Übung kann man auf ihr sogar während der Fahrt in der Kartentasche noch etwas erkennen.Beide Blätter stehen im Ruf, besonders genau zu sein - was so eigentlich nicht stimmt. Eine wirklich genaue Karte in diesem Maßstab wäre nämlich ohne Lupe nicht lesbar. Ein Beispiel: In einem Tal teilen sich eine Straße dritter Ordnung, die Eisenbahn und ein kleiner Fluß eine Breite von knapp 30 Metern. Im Ort am Ende des Tals führt diese Straße mit 50 Metern Rechts-Links-Versatz über eine Hauptstraße. Bei einer exakt maßstäblichen Abbildung wäre alles nur ein dicker, undefinierbarer Strich. Also werden Straße, Fluß und Eisenbahn optisch getrennt. Verdrängung nennen das die Kartographen, weil die einzelnen Elemente viel mehr Raum einnehmen, als ihnen maßstäblich korrekterweise zustehen würde. Die versetzte Fortführung der kleinen über die große Straße wird so übertrieben gezeichnet, daß sofort erkennbar ist: erst rechts, dann gleich wieder links.Die Qualität einer Karte zeigt sich außerdem darin, wie eindeutig sie informiert, ob die Straße nach Kleinkleckersdorf nun am Ortsende oder mittendrin abzweigt. Und ob die Karte Orientierungspunkte wie Bahnlinien, Flußläufe, Wälder, markante Erhebungen und Aussichtstürme enthält. Denn wer vom Kartenstudium weiß, der Hügel mit dem Turm müßte rechts der Straße liegen, sieht ihn aber linker Hand, kann getrost umdrehen - Verfahren kann man sich auch mit der besten Karte.
Der beste Platz für die Landkarte ist in Sichtweite auf dem Tank. Entweder in einer separaten Tasche oder im Kartenfach des Tankrucksackes. Um die Karten nicht zu sehr zu strapazieren, sollte die Einschuböffnung nicht kleiner als das Kartenfach selbst sein und dieses wiederum sicher vor Regengüssen schützen (bei der Verwendungen von Tankrucksack-Regenhaube auf gute Durchsicht zum Kartenfach achten). Damit die Karte die vielen Falten besser übersteht, am besten die Pappdeckblätter entfernen und außerdem auf eine Hauptfaltrichtung parallel zur Nord-Süd-Achse achten. Um die schnelle Orientierung zu erleichtern, ist es sehr hilfreich, wenn die geplante Route mit dem Leuchtmarker markiert ist. Beim Kartenkauf sollte das Erscheinungsjahr beachtet werden (steht bei Generalkarten auf dem Deckblatt, bei Michelin auf der Rückseite unten rechts, sonst meist am weißen Rand beim Copyrightvermerk). Karten am besten vor der Abreise zu Hause besorgen. Allerdings sind die Blätter im Lande mitunter billiger: So kosten Michelinkarten in Frankreich ungefähr die Hälfte und die Italienwerke von Kümmerly& Frey in italienischen Buchhandlungen als ACI-Lizenzausgabe nur 10 statt 16,80 Mark.Tip: Wer einen Tankrucksack mit untauglichem Kartenfach hat, kann unter eine einfache Kartentasche passender Größe ein Stück Klettband nähen, das Gegenstück oben auf den Tankrucksack anbringen, und fertig ist die Kombination.
Grundlage der meisten Karten ist die sogenannte topographische Karte. Ihre Daten werden von den Landesvermessungsämtern ermittelt, und dort wird auch die Karte erstellt. Die Errungenschaft einer genauen Kartographie, basierend auf systematischer Vermessung der Landschaft, verdanken wir ausnahmsweise nicht dem Militär, sondern dem Fiskus. Anfang des 19. Jahrhunderts wollte man in Deutschland systematisch Grundsteuern erheben können und zeichnete einfache Flurkarten, die das Land im Maßstab 1:2 500 lückenlos abbildeten und Grundlage für das alle Flurstücke verzeichnende Liegenschaftskataster bildeten. Die topographische Landesaufnahme, also die Berücksichtigung der Landschaftsstruktur, wurde ab 1890 einbezogen. Bis das ganze Land vermessen war, dauerte noch einmal 45 Jahre, bis 1935. Seit dieser Zeit werden systematisch Luftbilder für die Kartographie genutzt: Die Landschaft wird überflogen und mit Spezialkameras im Flugzeugboden streifenweise fotografiert. Vermessungstrupps am Boden müssen heute zur Unterstützung der Kartenmaler nur noch in Sonderfällen raus, etwa wenn die Geländestruktur auf bewaldeten Flächen aus der Luft nicht erkennbar ist oder um besondere Gebäudehöhen auszumessen. Jedes Jahr wird ein Fünftel des Landes in Luftbildern neu erfaßt, alle fünf Jahre erscheinen neue topographische Karten im Basismaßstab 1:25 000.Um die Vogelpersepktive zu korrigieren - wirklich senkrecht ist nur die Stelle genau unter der Kamera abgebildet, alle anderen Punkte sind je nach Entfernung mehr oder weniger stark verzerrt abgebildet -, müssen die Fotos zunächst im Computer entzerrt werden, um später als Kartengrundlage dienen zu können. Das Ergebnis nennt sich Orthofoto und kann, auf den richtigen Maßstab gebracht, direkt in eine Karte einfließen. Zur Aktualisierung werden die alte Karte und das neue Orthofoto nebeneinandergelegt, verglichen und die Abweichungen übertragen. Solche Änderungen gehen relativ einfach vor sich, weil eine Kartendruckvorlage aus mehreren Schichten beziehungsweise Folien besteht. Höhenlinien für die Steigungen, Schummerung für Plastizität durch simulierten Schattenwurf, Vegetationssymbole, Gewässer, Orte, Straßen, Schriften sind jeweils auf separaten Folien verzeichnet, die später übereindergepaßt werden. Ändert sich nun etwa ein Ortsname, muß nur die Folie mit den Schriften korrigiert werden. Genauso lassen sich Spezialkarten für Wanderer oder Radfahrer durch einfaches Hinzufügen einer zusätzlichen Folie hergestellen. Was früher aufwendig am Zeichentisch entstand, wird heute am Bildschirm erledigt. Zusätzlich macht diese digitale Erfassung es möglich, aus derselben Kartenbasis ein Atlas, eine Karte oder eine CD-Rom herzustellen.An dieser Stelle beginnt nun das Arbeitsfeld der privaten Kartenverlage. Auf Basis der Topo-Daten des Landesvermessungsamts erstellen sie Kartenwerke für die verschiedensten Zielgruppen und Einsatzbereiche, setzen Schwerpunkte, fügen Informationen hinzu, lassen andere weg. Den Großteil bilden die Straßenkarten, denn zum Reisen sind die Basiswerke der Vermesssungsämter viel zu unhandlich und zu teuer. In der Dimension 1:25000 braucht man allein für Baden-Württemberg 285 Blätter, in 1:50000 wären es 76. Im reiseüblichen Maßstab 1:200000 reichen drei, ist von den Vermessungsämtern selbst aber wenig zu kriegen. Als Kurt Mair, Gründer des gleichnamigen geographischen Verlages, 1948 seinen Shell-Atlas herausbrachte, war er ein Pionier auf diesem Gebiet. Heute gibt es Landkarten in unzähligen Ausführungen sowie Maßstäben, und jeder Kartenverlag hat für seine Produkte seinen eigenen, geschützen Zeichensatz von Symbolik, Farben und Erscheiungsbild. Um die Karten immer auf dem neuesten Stand zu halten, werden Forstämter, Straßenbauämter, Gemeinden, das Land - kurz alle, die mit Straßenbau zu tun haben - regelmäßig angeschrieben und um aktuelle Änderungen gebeten. Ein Netz aus Informanten speist die Korrektur-Kisten in einer Kartenredaktion, die diese in Informationen dann in die jährliche Neuauflage einfließen lassen. Deshalb ist es ratsam, zumindest seine Deutschlandkarten alle zwei bis drei Jahre zu erneuern.
Mancher braucht Karten nur, um von A nach B zu kommen. Andere sind stolz, ihren Weg ohne Karte zu finden. Mir geht es nicht ums Finden - mir geht es ums Suchen. Für mich beginnt jede Tour am Kartentisch. Der Weg ist nicht die kürzeste Verbindung zum Ziel, der Weg ist das Ziel. Diesen Weg zu suchen, immer wieder neu sich das Ziel zu definieren - darin liegt der Reiz. So lange in der Karte zu versinken, bis die Landschaft vor dem geistigen Auge plastische Formen annimmt, ist die schönste Vorfreude aufs Fahren. Oder Reisen mit dem Finger, der Kurztrip im Kopf. Einfach die pure Lust an der Karte. Es ist aber auch die Lust an der Perfektion. Wissen, wo es langgeht, um nichts zu verpassen. Ich will das Gefühl haben, den optimalen Weg zu fahren, will immer wissen, wo ich bin. Schrecklich die Vorstellung, eine langweilige Piste entlang zu rollen, während parallel die ultimative Kurvenstrecke lauert - ohne daß ich es weiß. Auch während der Fahrt muß ich die Karte immer im Blick haben. Es könnte ja genau jetzt ein kleiner Weg rechts reingehen, einer, der mir die bekannte Landschaft von einer völlig neuen Seite offenbart. Meine Karte muß mir zeigen, ob und wie dieser kleine Weg befahrbar ist, wo er herauskommt. Werden Strecken einfach weggelassen, ist es Bevormundung statt Information. Lieber drehe ich unterwegs alle halbe Stunde die Karte um. Bei der Gelegenheit kann ich auch checken, ob die grobe Richtung überhaupt noch stimmt...