Mit der T 595 zum größten Triumph-Treffen der Welt

Mit der T 595 zum größten Triumph-Treffen der Welt Home Run

Sie fahren eine Triumph und stehen auf englische Skurrilität? Dann sollten Sie sich mal auf den Weg zum weltgrößten Triumph-Treffen nach Newchurch machen. Doch bevor Sie jetzt den Kompass Richtung Nordwest ausrichten: Das Mekka für die Markenfans liegt mitten im Herzen der Alpen.

Home Run Jahn

Die spinnen, die Briten!“ Hinkelsteinlieferant Obelix zeigt gegenüber britischer Schrulligkeit wenig Verständnis, wenn es um lauwarmes Bier, eiskalten Rotwein oder gekochtes Wildschwein in Pfefferminzsoße geht. Auch 2000 Jahre später zeigen sich die Inseleuropäer in puncto Skurrilität er-staunlich kreativ.

Nehmen wir beispielsweise an, die kleine, aber feine Motorradmarke Triumph möchte ein Treffen veranstalten. Das könnte man in der Heimat England statt-finden lassen, müsste jedoch riskieren, dass der gemeine Kontinentaleuropäer sich zunächst am Wetter aufreiben und schließlich im Linksverkehr verlieren würde. Also verlegt man den Ort der Zusammenkunft ins kleine, aber feine Österreich und erschlägt damit gleich eine ganze Reihe anderer Fliegen. Österreich ist in Sachen Kurvendichte eines der führenden Länder Europas und hat eine deutlich angesagtere Küche als die Engländer.
Und die Ostalpinisten sind in puncto Spleen – für manche hat der Hader Josef durchaus Monty-Python-Qualität – den Engländern dicht auf den Fersen. Wie sollte es anders möglich sein, dass sich das kleine Nest Neukirchen am Großvenediger für ein Wochenende mal eben in Newchurch umbenennen lässt.
Als im vergangenen Jahr die Triumph T 595 den Weg in den Redaktionsfuhrpark fand (siehe MOTORRAD 10/2008), stand schon am Abend des Kaufs fest, dass man mit dem „Goldstück“ auch Newchurch gesehen haben muss. Bei der besten Sozia von allen, ohnehin eingefleischter England-Fan, brauchte es keine Über-redungskunst, um an einem wunderbar sonnigen Wochenende Ende Juni hinten aufzusteigen. Newchurch, wir kommen!
Bei Reutte donnert der Triple über die Grenze. Noch fühlt sich Österreich wie Österreich an, Spuren des Vereinigten Königreichs sind nirgendwo auszumachen. Ganz im Gegenteil. Oben auf dem Hahntennjoch zeigt sich ein gewohntes Bild: Es sind die Kräder aus München und Mattighofen, die in den Alpen die Macht haben. Noch.
Bei Strass geht es rechts ab ins liebliche Zillertal. Und da sind sie plötzlich. Triumphs in allen Farben, Formen und Facetten. Mit deutschen, belgischen oder schwedischen Kennzeichen. Kernige Eisen aus den frühen Neunzigern, zuhauf die markante Speed Triple mit charismatischem Glubschaugengesicht, hier und da eine originale Bonneville aus den Swinging sixties. Dazwischen ein Trupp Rocket III, der sich wie eine Herde stampfender Elefanten den Weg durch die Alpen bahnt. Und sie alle vereint der Union Jack, der als Fähnchen am Heck weht, den Helm ziert oder die Gepäckrolle umspannt.
In Zell am Ziller formieren sich die einzelnen Verbände zu einer gewaltigen Armada. Vor dieser nimmt spätestens auf dem Gerlos-Pass der letzte Boxer Reißaus und überlässt jenen Abschnitt der Alpen kampflos den Engländern.
Passenderweise legt sich dann bei der Abfahrt Richtung Krimmler Wasserfälle dichter Nebel übers Tal und feiner Sprühregen aufs Visier. Mehr England kann man an diesem Tag wirklich nicht von Österreich erwarten. Oder doch?
Die Wirtin des Hotels Buasen jedenfalls empfängt uns mit einem sympathischen „Du“, das synchron zum englischen „You“ gleich sämtliche Distanz hinwegfegt. Wir lagern die restfeuchten Packtaschen im Zimmer und lassen die 595 langsam Richtung Newchurch Center rollen.
Wer meint, Motorradtreffen seien öde Veranstaltungen, die fernab jeder Zivili-sation auf matschigen Wiesen stattfinden, wo zur Betäubung der Sinne Alkohol in Strömen fließt und im Laufe der Nacht Hemmungen wie Hüllen gleichermaßen fallen, hat sich im Falle der Tridays getäuscht. Das Treffen hat den gesamten Ort fest in der Hand – oder ist es umgekehrt? Drehbuchautor Uli Brée, Initiator und Organisator des Treffens, blickt jedenfalls stolz auf die „Main Street“ von Newchurch und erzählt mit leuchtenden Augen von der Sympathie für die englische Motorradmarke in dem kleinen Städtchen am Fuße des mächtigen Großvenedigers. Auf die 2600 Einwohner – Kinder und Greise inklusive – kommen weit über 60 Triumph-Motorräder. Diese Dichte ist laut Brée für Kontinental-europa vermutlich einmalig.
2009 werden die Tridays in ihre vierte Runde gehen und wohl wieder weit über 10000 Besucher anziehen. Über 13000 waren es im Jahr 2008. Offizielle Unterstützung gibt es von vielen Seiten. So sitzen neben der Gemeinde Neukirchen die deutsche und italienische Werksvertretung von Triumph zusammen mit den Tourismus-verbänden von Neukirchen und Bramberg als feste Partner gemeinsam im Boot.
Und schließlich ist es jeder Einwohner, der seinen Beitrag zum Treffen leistet. Sei es, dass er Union Jack und Triumph-Banner über seine Balkonbrüstung hängt, sein Geschäft „very british“ dekoriert oder als Wirt den Topfenstrudel auf der Karte durch Fish ’n‘ Chips ersetzt. Selbst die Schulkinder der örtlichen Hauptschule sind dabei, machen sich zur Besucherzählung auf und erfassen in ihrer Statistik auch Babys und herrenlose Hunde (2007 waren es drei!).
Natürlich bleibt nichts dem Zufall und nur wenig spontaner Improvisation überlassen. Das Treffen entpuppt sich als wohlorganisierter Event. Beim Gang über die „Streets of Newchurch“ stolpert man über Comedians und Straßenkünstler, der Master of Ceremony steuert auf Disco-rollern und in Begleitung seiner Velo Solex durch den Ort, und in „Downtown“ heizt das schottische Stunt-As Kevin Carmichael mit rauchenden Reifen, Wheelies und Stoppies ein. Wer es bequemer mag, setzt sich in den original englischen Doppel-deckerbus und schaut sich Newchurch von oben an. Oder er bricht zu einer Shopping-Tour durch den Triumph-Mega-store oder entlang der Händlermeile auf, wo zahlreiche Spezialisten wie LSL, Pala-tina oder SBF ihre Produkte ausstellen.
Tourguides stehen bereit, die Festivalbesucher auf ihrem eigenen Bike oder einem ladenneuen Vorführer in die atemberaubende Bergwelt rund um Groß-venediger, Wildkogel sowie Großglockner zu entführen. Bis tief in die Nacht tönt Rock und Pop von der Showbühne, die mitten im Zentrum direkt vor der Pfarr-kirche von Neukirchen aufgebaut ist. Ein Motorradcorso von Down- nach Uptown und die Wahl der schönsten Triumph des Treffens runden das Programm ab.
Am Sonntagnachmittag zurren wir die Packtaschen fest, sagen der freundlichen Wirtin „Good bye“ und rollen mit vielen anderen Triumphs aus Newchurch heraus. An der Zahlstelle vom Gerlos-Pass geben die vereinigten Triples ein letztes Ständchen, dann rollt jede ihren eigenen Kurs. Als wir das Treffen mit fantastischem Fernblick auf der Zillertaler Höhenstraße ausklingen lassen, gröhlt eine Horde Boxer an uns vorbei. Und damit ist alles beim Alten: Die Bayern haben wieder die Macht in den Alpen übernommen.

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