Motorradreise Armenien - Ararat Kaukasus

Motorradreise in Armenien Zwischen Ararat und Kaukasus

Mit dem Motorrad durch Armenien fahren, das war bisher Langzeit-Weitreisenden vorbehalten. Nun aber kann man in Eriwan XTs mieten und das spannende Land auch in zwei Wochen entdecken.

Zwischen Ararat und Kaukasus Jo Deleker
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Ein paar Monate vor unserer Reise kannten wir allenfalls drei Dinge über das Land am Kleinen Kaukasus: die Radio-Eriwan-Witze, den Vulkan Ararat und den Völkermord der Osmanen an 1,5 Millionen Armeniern vor 100 Jahren. Das ist zugegebenermaßen viel Nichtwissen über ein Land. Aber damals im Erdkundeunterricht war es dem Lehrkörper wichtiger, die Bodenschätze Südafrikas zu pauken, als über eine unbedeutende Teilrepublik der Sowjetunion zu dozieren. Jetzt endlich wollen wir unseren mangelhaften Kenntnisstand verbessern.

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Edle Boutiquen, hippe Cafés und deutsche Luxus-SUV

Und so fliegen wir nach Eriwan, der Metropole des Landes, Millionenstadt, heiß, laut und hektisch. Das Zentrum ist eine faszinierende Mischung weniger alter und vieler neuer Gebäude, letztere im beliebten Stil postsowjetischer Monumentalarchitektur. Es gibt edle Boutiquen westlicher Couleur, hippe Cafés, attraktive Menschen, schattige Parks und zehnspurige Boulevards, auf denen deutsche Luxus-SUV in maximaler Tuningstufe flanieren, Porsche Cayenne, BMW X6 und vor allem die Mercedes G-Klasse mit AMG-V8, schwarz und böse. So viele Protzkisten, die wir hier in einer Stunde sehen, dafür brauchte es in Stuttgart einen Monat. Wie die sich das leisten können? Besser nicht fragen. Business.

Jo Deleker
Ortsdurchfahrt von Tatev mit altem russischen GAZ 53-LKW.

Ein Hyundai-Taxi bringt uns zur Mietstation Araratour, wo schon zwei blaue XT 660 R auf uns warten. Perfekte Mopeds für dieses Land, leicht, robust und sparsam. Andrea erledigt mit uns den Papierkram und scheucht uns dann aus der Stadt, bevor das Thermometer die 40-Grad-Marke knackt. Mitte Juni, Sommer in Armenien. Dank Karte, Navi und Intuition finden wir aus der Stadt, kurven bergwärts in kühlere Gefilde bis zum Campingplatz 3Gs. Ein grünes Paradies mit Pool und Palmen auf 1.600 Meter Höhe, angelegt von der Holländerin Sandra, die sich in Armenien verliebt hat.

Wir rollen bergab ins weite Ararat-Tal

Am Tal-Ende finden wir das Kloster Geghard, 800 Jahre alt, Unesco-Welterbe, narbige graue Mauern, im kühlen und dunklen Inneren eine magische Atmosphäre, warmes Kerzenlicht flackert auf uralte Fresken und mächtige Torbögen. Völlige Stille. Gänsehaut. Es gibt Dutzende von solchen Klöstern, Armenien war im Jahre 300 das erste christliche Land. Früh um sieben sind die Yamahas startklar, wir rollen bergab ins weite Ararat-Tal, der heißesten Region des Landes. Der anfängliche Asphalt bröckelt dahin, zerfällt in Löcher, Steine und Sand, die Renaturierung zur zünftigen Piste. Sehr schön. Das Grün der Berge wird schnell von einer gelbbraunen Wüste abgelöst. Trotzdem gibt es ein paar Höfe, bewässerte Felder und Obstplantagen. Ein alter russischer GAZ-Lkw, haushoch beladen mit Stroh, röhrt vor uns her, pudert uns mit dichtem Staub ein. Schnell vorbei, der lachende Fahrer hebt den Daumen.

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Weites Hochtal auf 2000 Metern Höhe mit uralten Vulkankratern.

Und dann, wie eine Fata Morgana leuchtet unwirklich weit oben ein Gletscher durch den Hitzedunst. Ein Gletscher? Der Gipfel des Ararat, 5.165 Meter hoch, so nah und doch unerreichbar fern zieht der riesige Vulkan jenseits der türkischen Grenze alle Blicke auf sich. Keine Chance, dorthin zu kommen, die Grenze ist dichter als Goretex, durchlässig nur für Luft und Blicke. Tragisch, aber seit dem Völkermord an den Armeniern herrscht Eiszeit zwischen den Ländern. Wir folgen der Magistrale M2 ostwärts. Kurz vor Yeghegnazdor – leicht gehen die armenischen Namen nicht über die Zunge – finden wir den Campingplatz Crossways. Mit viel Liebe und Engagement gestalten zwei junge Frauen diese kleine Oase. Aufbruchstimmung, Investition in die Zukunft, die Hoffnung auf Touristen, das erleben wir so oft in diesem Land.

Was für eine grandiose Landschaft

Die M2 schwingt sich in weiten Kurven zum Vorotan-Pass, 2.344 Meter hoch. Beiderseits rundliche, grüne Berge über 3.500 Meter hoch. Was für eine grandiose Landschaft, kein Baum stört den Fernblick in diese Weite. Meditatives Fahren mit Tempo 90, kühler Gegenwind, von Osten drängen dicke Wolken über die Berge. Wir spüren den Klimawechsel, vom Kaspischen Meer schiebt feuchte Luft über Aserbaidschan, kondensiert beim Aufsteigen zu Wolken, die dafür sorgen, dass die Landschaft mit einem dichten grünen Teppich ausgelegt ist.

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Das Kloster Tatev hoch über der Vorotan-Schlucht ist 1100 Jahre alt und Unesco-Welterbe

Spaßig kurvt die Straße in die Vorotan-Schlucht, tauscht im Talgrund den guten Teer gegen staubigen Schotter und serpentint steil hinauf nach Tatev. Ein uriges Dorf mit einfachen Häusern, einigen B & B und dem 1100 Jahre alten Kloster. Wieder so ein magischer Ort, dunkle Mauern, mächtige Gewölbe, die Atmosphäre eines Jahrtausends. Schweigen und Staunen. Aber es gibt keine Tankstelle in Tatev. Damit hatten wir nicht gerechnet. Und die XTs brauchen dringend flüssige Kohlenwasserstoffe. Gayane, die junge Chefin unseres B & B, rät uns, im Dorfladen zu fragen. Dort schickt man uns in eine Nebenstraße zu einem grünen Blechtor. Wir klopfen, ein fragender runder Kopf lugt durch den Türspalt. „Bensin?“ „Da. Skol’ko?“ „Pjat litr, fünf Liter.“ Der Mann nickt, verschwindet im Hof und kommt kurz darauf mit einem vollen Eimer und einem Blechtrichter aus Zeiten der russischen Revolution zurück, füllt jeder XT fünf Liter Sprit in den Tank und kassiert 900 Dram, nahezu der normale Tankstellenpreis. Perfekt. Auf zur iranischen Grenze.

Ein Ort zwischen Vergessen und letzter Hoffnung

Die Bergstraße nach Kapan ist von der rustikalen Sorte, steinig, löchrig, kurvig und staubig. Ideal für die Yamahas. Es bleibt kühl und grau, die Aussichten nebulös. Hinter Kapan, einer Industriestadt weit jenseits von Schöner Wohnen, kurvt eine neue Teerstraße in die Berge, haarscharf an der Grenze zu Aserbaidschan entlang. Alte Bunker und Soldatengräber erinnern an den unsinnigen Krieg um Berg-Karabach, der noch immer nicht ganz vorbei ist. Die Länder sind sich spinnefeind.

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Abfahrt vom Gormarants-Pass, 2230 Meter, im Nachmittagsdunst der iranischen Grenze.

Im Dunst des Nachmittags sehen wir die iranische Grenze, unpassierbar für Mietmotorräder. Also umkehren, auf in den Norden, wir geben den XTs die Sporen, Zeit, ein paar Meter zu machen. Wieder hoch zum Vorotan-Pass, wo sich die Wolken längst aufgelöst haben, dann rechts ab auf eine Piste in die Berge. Karmrashen steht auf einem Ortsschild, dahinter Bauernhöfe und unzerstörbare „Fortschritt 132"-Mähdrescher aus der DDR. Ein Ort zwischen Vergessen und letzter Hoffnung. Tot liegt die Ortsdurchfahrt in der gleißenden Mittagshitze, Wildwest-Atmo, und ­tatsächlich reitet da ein Cowboy über die Piste. Statt den Colt zu ­ziehen, winkt er uns zu.

So stelle ich mir die Mongolei vor

Die Piste mutiert zur Spur, autogroße Löcher bremsen uns ein, wir mäandern durch ein sanftes, grünes Hochtal, alte Vulkankegel, Felder, menschenleer. Das Navi zeigt tapfer geradeaus, obwohl wir zweifeln bei der Spur, die immer schmaler wird. Die Ortlieb-Packtaschen pflücken beiderseits Gras, hier ist schon lange kein Auto mehr gefahren. Aber es geht tatsächlich weiter, über ­einen namenlosen Pass und hinunter ins schöne Yeghegistal, das uns zur Hauptstraße M10 bringt. In perfekten Radien schraddeln wir höher und höher, vorbei an der einzigen erhaltenen Karawanserei des Landes, 700 Jahre alte Gewölbe, einst Teil der Seidenstraße, bis hoch zum Selimpass, 2.410 Meter. Hier beginnt das Hochland, weiche Hügel, dichtes grünes Gras bis zum Horizont, wo sanfte 3.500-Meter-Berge aufragen. Blumenfelder, sandige Pisten, Furten, Nomadenzelte und Schafherden. So stelle ich mir die Mongolei vor. Was für eine wundervolle Weite.

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Artjom bestätigt uns, dass sein Dnepr-Gespann fahrtüchtig ist.

Ein hellgelber Lada hält an, ist dachhoch mit Aprikosen beladen. Ein schmächtiger Mann steigt aus, schenkt uns zwei Hände voll der gelben Früchte, einfach so, lächelnd und ohne Worte. Spasiba – danke! Die Freundlichkeit der Menschen macht uns immer wieder sprachlos, selbst kaum etwas besitzen, aber die Fremden beschenken. Wäre es doch überall so. Im Norden breitet sich das armenische Binnenmeer aus, der Sevansee, doppelt so groß wie der Bodensee. Aber im Gegensatz zum schwäbischen Meer fast unbesiedelt. Zwei Stunden stauben wir am Ostufer nordwärts, ab und an kommt ein Lada oder GAZ-Lkw entgegen, ein paar kleine Orte, sonst nichts. Tags darauf sind wir in Alaverdi unweit der Grenze zu Georgien. Alaverdi, was für ein schöner Name für eine so hässliche Stadt. Giftige gelbe Abgaswolken der Kupferhütte schweben bedrohlich über dem engen Tal, monströse Ruinen der sowjetischen Schwerindustrie prägen die Stadt. Endzeitstimmung. Aber kaum halten wir an, umringen uns neugierige Kinder. Alle wollen auf den Yamahas sitzen, unsere Arai-Helme aufsetzen, Selfies schießen und glücklich am Gasgriff drehen. Begeisterung, unbeschwertes Lachen, die Eltern klicken Fotos mit ihren Handys vom Balkon der wrackigen Plattenbauten. Pures Leben, was für ein Gegensatz zu den deprimierenden Häusern, in denen sie leben.

Was ­wäre die Welt ohne Träume?

Langsam wird es Zeit für den Rückweg nach Eriwan, wir fahren durch grüne Hügel und Täler bis zum Aragats, mit 4092 Metern höchster Berg des Landes. Eine schmale Straße kurvt hinauf bis zu ­einem See auf 3200 Meter. Das Gewitter der Nacht hat den Staub aus der Luft gewaschen, so klar war es auf dieser Reise noch nie. Das ist unsere Chance, es dämmert schon, als wir die Enduros über die rumpelige Straße treiben, voller Elan unsere Mission verfolgen. Und was ­haben wir für ein Glück: 100 Kilometer entfernt präsentiert sich erhaben der Ararat unter wolkenlosem Himmel. Was für ein gigantischer und wunderschöner Vulkan. Ach, könnten doch die Armenier ihrem heiligen Berg in Ostanatolien näher sein. Es ist höchste Zeit für Entspannung zwischen den Ländern, Zeit für offene Grenzen, für erlebnisreiche Motorradtouren in beiden Ländern. Eine traumhafte Vision, sicher, aber was ­wäre die Welt ohne Träume, ohne Visionen?

Weitere Infos über Armenien

Neues erleben, den eigenen Horizont erweitern, das geht bestens in Armenien. Zumal das Land recht einfach mit guten Mietmotorrädern zu bereisen ist. Ein wenig Entdeckergeist vorausgesetzt.

Allgemeines & Historie: Armenien ist ein asiatischer Binnenstaat, etwas kleiner als Belgien, zwischen der Türkei, Georgien und Aserbaidschan gelegen. Der größte Teil des Landes ist bergig und einsam. Vor 100 Jahren erstreckte sich das Land noch bis weit hinein in die heutige Türkei. Zwischen 1915 und 1918 wurden etwa 1,5 Millionen Armenier von den Jungtürken, einer nationalistischen Partei im späten Osmanischen Reich, deportiert und getötet. Das sehr empfehlenswerte ­Genozidmuseum in Eriwan erinnert sachlich und äußerst eindringlich an diesen Völkermord. Die Türkei leugnet den Genozid bis heute, bezeichnet ihn als „kriegsbedingte Sicherheitsmaßnahme".

1922 wurde Armenien Teil der Sow­jetunion. 1988 zerstörte ein schweres Erdbeben weite Landesteile im Norden. 25.000 Menschen starben an den Folgen des Bebens. Kurz darauf begann der Krieg mit dem Nachbarland Aserbaidschan um die Exklave Berg-Karabach, der bis heute nicht wirklich beendet ist und mehr als 30.000 Tote forderte. 1991 folgte das Ende der UdSSR, und Armenien wurde ein unabhängiger Staat. Offene Grenzen gibt es heute nur nach Georgien und zum Iran.

Jo Deleker
Die Reisedauer betrug zwei Wochen, in welcher 1800 Kilometer zurückgelegt wurden. Start und Endziel waren die Hauptstadt Eriwan.

Anreise: Von Köln bis Eriwan sind es auf dem Landweg mehr als 4.300 Kilometer über den Balkan und durch die Türkei. Etwas weit für den normal langen Urlaub. Flugverbindungen von Frankfurt oder Düsseldorf nach Eriwan bieten Aeroflot über Moskau, Ukraine Airlines über Kiew, Lot über Warschau und Lufthansa/Austrian über Wien. Tickets gibt es ab etwa 300 Euro.

Motorräder: Es gibt zwei Vermietstationen in Eriwan. Der Autor machte beste Erfahrungen mit Araratour, wo es gut gepflegte Yamaha XT 660 R zum Tagespreis von 90 Euro gibt. Infos: https://araratour.com/de/. Ebenfalls im Programm sind geführte Touren. Ansprechpartner ist Andrea Pessl: a.pessl@araratour.com. Die zweite Agentur ist Silkroad Armenia (www.silkroadarmenia.am). Auch hier gibt es geführte Touren oder die Vermittlung von 650er-Enduros (XT, DR, KLR) ab 60 Euro pro Tag. Deutschsprachiger Kontakt mit Narine Kharazyan: ­german@silkroadarmenia.am

Reisezeit & Einreise: In Armenien herrscht Kontinentalklima mit kalten Wintern und sehr heißen Sommern bis 45 Grad. Ideale Reisemonate sind Juni bis Mitte Juli sowie Mitte September und Oktober. Im Hochland ist es generell fünf bis zehn Grad kühler als in Eriwan. Zur Einreise reicht der Reisepass, für die Bikes der deutsche Führerschein.

Unterkünfte: Neben zwei Campingplätzen gibt es inzwischen zahlreiche B & B und Hotels, die einfach über booking.com reserviert werden können. In der sommerlichen Hauptreisezeit kann es schon mal eng werden. Ausstattung und Preisniveau liegen deutlich unter deutschen Standards.

Sicherheit & Geld: Armenien zählt zu den sicheren Ländern mit ganz wenig Kriminalität. Die meisten Menschen sind auffallend freundlich und hilfsbereit. Währung ist der Dram, Geldnachschub gibt es an ATM oder in Wechselstuben, die man in Städten findet. Amtssprache ist Armenisch, Russisch wird ebenfalls gesprochen. Mit Englisch kommt man gelegentlich weiter, auf dem Lande eher seltener.

Literatur & Karten: Es gibt nur zwei Reiseführer, ein 470-Seiten-Buch vom Trescher-Verlag für 21,95 Euro, das sich vor allem an kirchenbegeisterte Kulturreisende richtet, sowie vom Lonely Planet Verlag das englische Buch „Georgia, Armenia & Aserbaidschan“. Eine gute Landkarte im Maßstab 1:250.000 kommt vom Verlag Reise Knowhow für 9,95 Euro. Möglich ist auch die Orientierung mit den detaillierten OSM-Karten fürs Navi.

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