Motorradtour am Main entlang: vom Fichtelgebirge zum Rhein

Motorradtour entlang am Main
Zwischen Stadt, Fluss und Fachwerk

ArtikeldatumVeröffentlicht am 18.10.2025
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"Moin, Moin" oder sogar "Moin Moin, Moin", so hätten vielleicht die Kelten jenen Fluss begrüßt, der von ihnen damals noch Moin genannt wurde, lange bevor daraus schließlich der Main wurde. Und den Matthias und ich jetzt gerne persönlich willkommen heißen würden, gleich nachdem er quasi Mutter Erde entschlüpft ist, in einer Quelle tief im Wald. Nur welche Quelle? In welchem Wald? Nun, ein wenig Aufklärung: Der Weiße Main entspringt im Fichtelgebirge nördlich, der Rote Main dagegen in der Fränkischen Schweiz südlich von Bayreuth. Erst später vereinigen sich die beiden Quellflüsse bei Kulmbach zum eigentlichen Main.

Wegweiser zur Weißmainquelle an der B 303

Tja, zumindest eines der beiden Brüderchen wollen wir im Kinderbett begrüßen und entscheiden uns schließlich für den Weißen Main, sicherlich nicht zuletzt auch wegen einer gewissen Voreingenommenheit ob der wunderschönen weiß-blauen Lackierung von Matthias’ Triumph Bonneville T100.

Aber ach, endlich neben dem "Waldrasthaus Karches" an der B 303 den Wegweiser zur Weißmainquelle gefunden, heißt es dort: Durchfahrt verboten. Ein 1.400-Meter-Lauf durch den Forst am Fuße des Ochsenkopfes? Nein danke, lieber unsere Zweizylinder auf Trab halten! Deutlich einfacher fällt die Begrüßung des jungen Weißen Mains kurz nach dem Wintersportort Bischofsgrün in Röhrenhof aus: Gleich neben der Bundesstraße hüpft und strudelt er quicklebendig und strahlend weiß durchs Labyrinth bemooster Felsbrocken. Ein Beispiel für geregeltes Geplätscher hingegen entdecken wir auf dem historischen Marktplatz des Kneipp-Kurortes Bad Berneck, wo Wasser einen blumenumrankten Brunnen füllt – und im rustikalen "Marktplatzstüberl" goldgelbes Weismainer Püls-Bräu durch durstige Kehlen rinnt.

Kulmbach: Zusammenfluss von Weißem und Rotem Main

Und jetzt mal ein paar Meter mehr machen. Was der Triumph zwischen Kloster Himmelkron und Ködnitz eine göttliche Links-Rechts-Links-Rechts beschert, durch die die handliche Triumph wedelt, als wolle sie Marco Odermatt im Riesenslalom Konkurrenz machen. In der Hopfen-und-Malz-Disziplin indes steht Kulmbach weit oben, unsere nächste Station, bekannt für Braukunst und vielleicht ja noch die weltgrößte Zinnfigurensammlung in der Plassenburg.

Alles Geschmackssache. Kein Weg aber führt vorbei am Zusammenfluss von Weißem und Rotem Main unterhalb von Schloss Steinenhausen. Die Suche wird zur echten Dschungelprüfung, ehe der Fußmarsch am Schild "Flusskilometer 0,0" endet. Und der Main beginnt.

Mainleus, Mainroth, Mainklein, Maineck – besonders fantasievoll waren die Menschen am Main bei der Wahl ihrer Ortsnamen offenbar nicht. Aber wer will schon im Örtchen Prügel wohnen? Vielleicht besser, als welche zu beziehen …

"Meine T100 macht trotz nur 65 Pferdchen total Bock, meinetwegen kann es ewig so weitergehen", schwärmt Matthias beim Boxenstopp am Café "Söllner" in Lichtenfels. Ja, der Wunsch nach Ewigkeit. Dafür steht auch das Kloster Banz. 14 Prozent Steigung von der einen, satte 20 Prozent von der anderen Seite machen den "Stairway to Heaven" für Pilger auf dem Main-Radweg zur mörderischen Prüfung. Erlösung verspricht hoch oben die Klosterschenke. Ein Paradies schon auf Erden dann der Campingplatz am Ebinger See sowie die Streuobstwiesen nebst appetitlich eingestreuten Kürvchen bei Daschendorf.

Bamberger Dom und Weltkulturerbe in Würzburg

Biimm, baamm, blubber, blubber. Bamberger Dom und Bonnie beim gemeinsamen Sonntagmorgenkonzert. Während das viertürmige Gotteshaus mit dem Standbild Bamberger Reiter, dem Hochgrab für Kaiser Heinrich II. und Gemahlin Kunigunde sowie dem Grab von Papst Clemens II. besonders die Kunstsinnigen begeistert, ist rund ums berühmte bunte Brückenrathaus auch viel Platz für profanes Pläsier, macht Wildwasser statt Weihwasser die Köpfe nass, wenn sich Kajakfahrer und -fahrerinnen beim Slalom durch Tore auf dem linken Regnitz-Arm kämpfen.

Und jetzt wieder Meter machen, anfangs auf der B 26 nach Eltmann durchs Industriegebiet – da, wo die Schraube wohnt. Dann durchs mainfränkische Gebiet zwischen den lieblichen Haßbergen und dem Weltkulturerbe Würzburg – da, wo die Normalität wohnt. Wir Motouristen passieren Wonfurt mit Geschichte von 1700 Jahren jüdischem Leben in Deutschland sowie Grafenrheinfeld am Main mit stillgelegtem Kernkraftwerk. Bei Schwanfeld und Wipfeld warten die ersten Weinberge auf uns, gepaart mit kurvigen Achterbahnen durchs Rebenmeer, das sich mancherorts neben der Fahrbahn auftürmt wie Steilkurven in einem Motodrom.

Über Himmelstadt nach Wertheim

Auch der Main wechselt in den Schunkel-Modus, mäandert zusammen mit den Motorrädern in weiten Schleifen p(n)eu à p(n)eu gen Würzburg. Wo es beim Rutsch durch die mainfränkische Metropole wegen des eng getakteten Zeitplans, mea culpa, nur für wenige Impressionen reicht: vom "Sex up your Life", Reklame wohl eines Beate-Uhse-Shops, über die das Stadtbild beherrschende fürstbischöfliche Residenz bis zur den Main querenden Brücke der Deutschen Einheit. Feierabend flussabwärts in Retzbach, dank Tante Booking im "Hotel Vogelsang" respektive in der Weinstube "Zum Römer".

Wär der Main ein Mann, er wär’ jetzt in den besten Jahren, voller Energie und kaum zu zähmen, noch nicht stromlinienglatt den Zwängen des Lebens folgend. Wie auch immer und wie bereits gestern begleiten wir den Fluss jedenfalls auf seinen weiteren Schleifen – die vielleicht attraktivste Phase des Mains. Erst ein kurzer Stopp in Himmelstadt, bei Philatelisten und Briefe-ans-Christkind-Schreibenden bekannt wegen des Weihnachtspostamtes, dann geht die Post ab, schön flüssig linksmainisch vorbei an Gemünden, Lohr und Marktheidenfeld nach Wertheim; dabei unterwegs immer wieder Gelegenheit zum Abstecher in den Spessart, himmlisches Motorradrevier mit den Treffs "Zum Engländer" und "Bayrische Schanz".

Die Clingenburg und die Erlenbacher Schiffswerft

Ob in der Altstadt von Wertheim oder acht Mainschleifen weiter erst auf dem malerischen Marktplatz von Miltenberg mit dem Schnatterloch: Mach mal Pause vom Gesause, umgeben von viel altehrwürdiger Bausubstanz drum herum wie obendrüber. Herrlich aus der Zeit gefallen und doch oft unverzichtbar ist auch die Fähre Stadtprozelten–Mondfeld, in Betrieb bereits seit 1948 – und damit geradezu eine junge Hüpferin im Vergleich zur nächsten Station, der Clingenburg, erbaut schon um 1170. Die Anlage ist zwar längst zur Ruine verfallen, bietet nichtsdestotrotz eine einladende Gaststätte mit Terrasse und Panoramablick auf den Main und das Rotweinstädtchen Klingenberg. Und wer bietet uns Recken der Landstraße heute ein kommodes Quartier? Es wird in Erlenbach das Hotel "Tannenhof", leider nur als garni, sodass wir noch durch die Nacht tapern auf der Suche nach dem "MyKebap", irgendwie aber zeitgemäß das ja heutzutage.

Topadresse in ihrem Segment ist die Erlenbacher Schiffswerft Maschinen- und Stahlbau GmbH, einzige Anlaufstelle zwischen Duisburg und Linz für bis zu 135 Meter lange Schiffe. "Helme habt ihr ja dabei", heißt es, als wir mit den Eisenrössern aufs Werftgelände rollen und zusehen können, wie es dem Eisbrecher "von Pechmann" an den stählernen schwarzen Leib geht. Szenenwechsel. Satt rot-gelb hängen sie an den Bäumen, glänzen in der Sonne, die kugeligen Rohstoffe für Äppelwoi. Frankfurt is calling. Damit auch Heimspiel für die Rodgau Monotones, unsterblich geworden durch ihre Hymne "Erbarmen – zu spät, die Hesse’ komme’!".

Von Aschaffenburg nach Seligenstadt

Letzte bayerische Bastion vor der Rhein-Main-Metropole ist dann Aschaffenburg mit der imposanten, selfietauglichen Fassade von Schloss Johannisburg; wenige Meter weiter die Brauereigaststätte "Schlappeseppel", ebenfalls tauglich seit 1631. Jetzt aber noch mal Kurven tanken beim forschen Ritt über Rückersbach und den Hahnenkamm, bis es, nun wie beim Duo Ohrenschmaus, wieder heißt: "Unn de Fährmann bringt dich auf die anner Seit. Er wär so gern auf dem Ozean, doch sei Fähr hängt an nem Drahtseil dran."

Von Karlstein also über den Main nach Seligenstadt, wo ein Fachwerk-Flash dir fast den Sehnerv raubt. Während am reich verzierten Einhard-Haus die Inschrift "Selig sei die Stadt genannt, da ich meine Tochter wieder fand" an Kaiser Karl den Großen und sein mit einem Lover durchgebranntes Töchterchen Emma erinnert, berichtet Matthias vom Ex-Pornostar Gina Wild, der oft in der Eisdiele "Eis-Kaiser" verkehrte – ein Hochgenuss, wenn man sie als Junge beim leckersten Eis im Ort antraf.

Sonnentuntergang in der Rhein-Main-Metropole Frankfurt

Fachwerk ade, Frankfurt mit seinen Bürotürmen olé. Oje, nicht das klassische Pflaster für eine Moppedreise, dieses Mainhatten. Gilt fürs ausufernde, dicht besiedelte Umland ebenso. Wär’ der Main ein Mann, er wär ein in die Breite gegangener, der hier seine bestsituierten Jahre erlebte. Ab auf die Bahn, direktemang zur Mündung des Mains in den Rhein."Ginsheim-Gustavsburg, Auf der Mainspitze" ist die Adresse fürs Navi – und zugleich auch die für eine satte Prise Romantik. Besonders wenn die Sonne tief im Westen versinkt, nicht, frei nach Grönemeyer, hinter der Kulisse von Bochum, sondern den Kirchturmspitzen von Mainz; davor mal schwer beladene Schubschiffe, mal sportlich schmale Ruderboote, ihre Bahn ziehend auf gülden glänzendem Strom.