Sonne, Sand und Pistenabenteuer. Plong, plong. Umpf - die merkwürdigen Geräusche des Einzylinders verstummen mit einer knallenden Fehlzündung. Flirrende Hitze mitten im Nichts, und die Karre springt ums Verrecken nicht mehr an. Neue Zündkerze. Hilft nix. Vielleicht die Zündspule? Oder Vergaser verdreckt? Da fällt plötzlich der schweflig-gelbe Ruß im Auspuffendrohr auf, und die Diagnose ist klar: gepanschter Kraftstoff. Wasser, Verdünner, Diesel - alles, was schlecht und billig ist, verhilft den Spritpanschern zu schnellem Geld und dem Globetrotter zum kapitalen Motorschaden. So wird aus Kraftstoff Schwachstoff gemacht. Und tatsächlich, der Blick in den Tank bestätigt die Befürchtung: Außer Sand und allerlei Verunreinigungen schwappt auch noch eine große Wasserpfütze am Boden des Behälters. Elektronisches Motormanagement, Einspritzung, geregelter Kat und dann so eine undefinierbare Suppe im Tank. Der reinste Horror. Doch solche Alpträume beginnen nicht erst in fernen Bananenrepubliken, sondern der Motorradtourist muss sich schon in den südlichen und vor allem östlichen Ländern Europas auf schlechtere Spritqualität einstellen. Selbst in Italien ist Super Plus mit 98 Oktan gar nicht erhältlich, sondern lediglich Euro Super mit 95 Oktan. Dessen Qualität reicht allerdings immer noch für fast alle Motorradmotoren. Spätestens in Russland oder Ägypten jedoch sind die Qualitätseinbußen beim Benzin gravierend und Oktanstufe 80 und weniger möglich. Mit einer solchen Brühe muss das Triebwerk jetzt mindestens bis Kenia oder Wladiwostok klarkommen. Doch was bedeutet eigentlich Klopfen? Es tritt dann auf, wenn sich das Kraftstoff-Luft-Gemisch unter starkem Druck und hoher Temperatur in Zylinder und Brennraum selbst entzündet und unkontrolliert verbrennt. Dabei verläuft der Druckanstieg sehr steil, und bereits bevor der Kolben den oberen Totpunkt erreicht hat, entstehen extreme Druckspitzen. Die der Mechanik des Motors - insbesondere Kolben und Kurbelwelle schwer zusetzen. Diesen unkontrollierten Verbrennungsvorgang kann der Fahrer hören. Die akustische Bandbreite reicht dabei von hellem Zirpen bis zum dieselähnlichen Nageln. Bereits bei den geringsten Warnsignalen ist dem Piloten dringend empfohlen, den Gasgriff so weit zurückzudrehen, bis das Geräusch verschwindet. Denn wer munter weiter am Quirl dreht, riskiert einen kapitalen Motorschaden. Zerstörte Pleuellager oder ein Loch im Kolbenboden sind häufig die Folge. Was hat es nun mit der Oktanzahl auf sich? Sie steht mit den Geräuschen in direktem Zusammenhang, da sie die so genannte Klopffestigkeit des Sprits kennzeichnet. Ein Kraftstoff mit hoher Klopffestigkeit vermeidet frühzeitige Selbstentzündung und unkontrollierte Verbrennung. Um die Klopffestigkeit eines Kraftstoffs festzulegen, haben die Petrochemiker ein genormtes Verfahren festgelegt: In einem Einzylinder-Prüfmotor vergleichen sie die Klingelneigung der Probanden mit einem Gemisch aus dem extrem klopffesten Kohlenwasserstoff ISO-Oktan und dem klopffreudigen Kohlenwasserstoff n-Heptan. Die Oktanzahl gibt dabei an, wie viel Volumenprozent ISO-Oktan sich in einem Gemisch mit n-Heptan befinden. Reines n-Heptan hat die Oktanzahl 0, reines ISO-Oktan die Zahl 100. Motoren mit großen Zylinderbohrungen und somit Brennräumen mit langen Flammwegen neigen eher zu unkontrollierter Verbrennung als kleine Triebwerke mit kompakten Brennräumen. Darum verträgt eine kleine Suzuki DR 350 schlechten Sprit besser als ihre große Schwester DR Big mit 800 Kubikzentimetern Hubraum. Maßgeblichen Einfluss haben auch Zündzeitpunkt und Verdichtung. Ist ersterer recht früh beziehungsweise letztere hoch, klingelt der Motor bei niederoktanigem Sprit ebenfalls. Vor allem Fahrer älterer Enduros behalfen sich, indem sie den Zündzeitpunkt in Richtung spät verstellten (was nur bei alten, kontaktgesteuerten Zündanlagen möglich ist) und dickere Zylinderkopf- oder Fußdichtungen einbauten, um die Verdichtung zu reduzieren. Maßnahmen mit Nebenwirkungen: Der Motor wird zwar vor dem schädlichen Klopfen geschützt, hat aber einen schlechteren Wirkungsgrad. Der wirkt sich sowohl auf die Leistung als auch auf den Spritverbrauch aus. Mit gemäßigter Fahrweise vorbeugen zu wollen, gelingt nur bedingt. Zwar tritt Klopfen und Klingeln vor allem bei höherer Last auf, aber auch im Teillastbereich und ist dort in den meisten Fällen akustisch fast nicht wahrnehmbar. Und damit sind wir schon beim nächsten Problem des modern motorisierten Globetrotters: Um die Klopffestigkeit des Kraftstoffs zu steigern, wurden früher bleihaltige Substanzen wie Bleitetraethyl zugesetzt. Da Blei aber hochgiftig und damit äußerst schädlich für die Umwelt (und für Katalysatoren!) ist, nimmt man heute zumindest in den Industrieländern Ersatzstoffe wie PTBE oder Benzol statt Blei. In vielen Entwicklungsländern ist jedoch häufig nur verbleites Benzin zu haben. Was passiert dann mit dem Kat? Will man nicht dessen Zerstörung riskieren, sollte eine Auspuffanlage aus dem Zubehörhandel ohne Kat verwendet werden. Theoretisches Problem bei der An- und Abreise: Im eigenen Land erlischt dadurch die Betriebserlaubnis. Aber auch die Funktionstüchtigkeit der Lambdasonde, die für den optimalen Wirkungsgrad der Abgasreinigung verantwortlich ist, kann bei längerem Kontakt mit verbleitem Sprit herabgesetzt werden. Im Extremfall kommt es dadurch zu Fehlfunktionen des elektronischen Motormanagements. Die bis zu 150 Euro teure Sonde kann aber wegen ihrer Regelfunktion nicht demontiert werden. Dennoch steht auch einer Afrikadurchquerung mit solch einem Hightech-Antrieb nichts im Wege. Außer vielleicht ein paar Fehlzündungen wegen Wasser im Tank. Sind Maschine und Pilot unbeschadet aus den bleihaltigen Gegenden der Welt zurück, belastet möglicherweise der Kauf einer neuen Lambdasonde die Reisekasse, doch das ist ein durchaus erträgliches und finanzierbares Problem.
Expertentipps - Benzingespräch
Osteuropa, Afrika, Asien und Südamerika das bedeutet meist miesen, verunreinigten Sprit und eventuell schädliches Blei im Katalysator. Welche Tipps geben Hersteller und Ausrüster dem Fernreisetouristen?
Beim Thema Katalysator bietet BMW dem Motorrad-Globetrotter keine technische Lösung oder Hilfestellung an. Experten des Hauses meinen zwar inoffiziell, dass der Betrieb mit verbleitem Benzin nur zu einer unwesentlichen Beeinträchtigung der Lambdasondenfunktion und des Katalysators führt. Offiziell und mit Blick auf eventuelle Garantieforderungen weist der Konzern jedoch darauf hin, dass die Verwendung von bleihaltigem Sprit die Konvertierungsrate des Katalysators herabsetzt und die Lambdasonde in ihrer Funktion beeinträchtigt. Handfeste Tipps geben die Bajuwaren jedoch zum Thema Benzinqualität: Um eventuellen Motorschäden durch niederoktaniges Benzin vorzubeugen, raten die Techniker in München dazu, den Zündzeitpunkt in der Werkstatt verstellen zu lassen. Steht nur extrem niederoktaniges Benzin zur Verfügung, hilft laut BMW moderate Fahrweise: »Keine Vollgasfahrten. Hohe Lastanteile über den gesamten Drehzahlbereich vermeiden. Lieber den Motor mit weniger Gas im optimalen Drehmomentbereich fahren.« Fernreiseausrüster wie HPN oder Touratech empfehlen Fahrern aller neueren BMW-GS-Modelle die Demontage des Kats. Entsprechende technische Lösungen sind bei Zubehöranbietern im Programm. Die Folgen von Bleiablagerungen auf der Lambdasonde sieht Touratech-Chef Herbert Schwarz hingegen wenig dramatisch: »Zwar kann die Funktionstüchtigkeit mit der Zeit beeinträchtigt werden, jedoch hat zum Beispiel die Lambdasonde der GS unseres Kunden Michael Martin mehr als 40 000 Kilometer mit verbleitem afrikanischem Bleisprit klaglos überstanden.«Während Vergasermotoren durch Zusatz-Benzinfilter zumindest gegen Schmutz und Schwebstoffe geschützt werden können, rät Schwarz bei Einspritzern von der Montage ab: »Dadurch kann der Benzindruck im System beeinträchtigt werden. Lieber das Original-Filterelement als Ersatzteil mitnehmen. Denn der Seriefilter der GS ist auch gröberen Verunreinigungen gewachsen.« Die Umrüstung auf eine Doppelzündung theoretisch bei minderwertigem Sprit eine gute Idee - hält Schwarz aber beispielsweise bei den alten Boxer-Modellen für sehr problematisch: »Bei der Doppelzündanlage ist die Zusatzkerze an der Unterseite des Zylinderkopfs angebracht. Ein Sturz - das Ding ist ab und eine irreparable Beschädigung des Zylinderkopfes programmiert. Noch schlimmer wird es, wenn der Funkenschlag des abgerissenen Zündkabels eventuell auslaufendes Benzin entzündet.«Besser ist die globetrottende Kundschaft bei KTM aufgehoben: Die Mattighofener bieten sogar eine Zündbox mit zwei unterschiedlichen Kennfeldern an. Einfach zwei Kabel umgesteckt, und schon läuft der Motor mit einer eigens programmierten Zündkurve für schlechten Sprit weiter. Derart hochgerüstet kann mit der KTM - egal ob in Bayern oder Bengalen fast immer hemmungslos am Quirl gedreht werden.Fahrer japanischer Motorräder neuerer Bauart suchen derart pfiffige Lösungen leider vergebens, den hier sind nirgends Eingriffe ins Motormanagement möglich. Sie haben aber ohnehin weniger Probleme, da Fernost- Enduros meist niederoktaniger ausgelegt und daher normalbenzintauglich sind. Ist dieser Bonus allerdings ausgeschöpft, bleibt nur noch die moderate Fahrweise und das Vertrauen auf einen äußerst robusten Motorenbau, der vielen Oktanunpäßlichkeiten gewachsen ist.