Konzeptvergleich Burgman AN 400 gegen GS 500 E
Halbstark

Den Kinderschuhen endgültig entwachsen, greift Suzuki mit dem Burgman AN 400 bei den großen Jungs an. Die GS 500 E ist fair, kämpft mit 34 PS - und damit nur mit halber Kraft.

Jetzt ist es soweit. Mit Spannung erwartet, unausweichlich. Roller meets Motorrad. Bierernst, ohne Pardon. Zumindest fast ohne. Suzuki hat es so gewollt. Trieb den Roller-Gigantismus motorseitig auf die Spitze, verpaßte dem imposanten Burgman einen seiner Statur entsprechenden Antrieb. 33 PS - willkommen an jener Grenze, die von Amts wegen für junge Zweiradneulinge die Freiheit auf zwei Rädern beschränkt und spitzen Rechnern versicherungstechnisch den Griff zu mehr Leistung verbietet. Willkommen Burgman - aber zieh dich warm an. Der Wind weht auch in der 34-PS-Klasse rauh.
Ein Beispiel dafür findet sich umgehend im Suzuki-Prospekt: die GS 500 E. Kampferprobt im jahrelangen Stahlbad der Bestsellerlisten, oft kopiert und mittlerweile manchmal übertroffen, aber immer noch gut bei der Musik. Nicht zuletzt, weil der Preis konkurrenzlos günstig ist. Für 7490 Mark gibt´s andernorts nicht mal einen feuchten Händedruck. Und bei Suzuki auch keinen Burgman. Der liegt glatte 3500 Mark darüber. Eine Rechnung, die zugunsten des Rollers zunächst nur für jene Chauvis aufgeht, für die pure Länge alles ist. Satte 2,26 Meter davon stellt der Burgman bereit. Das sind immerhin acht Zentimeter mehr, als die 500er bietet. Und bevor nun von abgeklärterer Seite der Einwand kommt, das schlichte Maß von einer Seite zur anderen sei überhaupt nicht von Bedeutung, bringt eine Sitzprobe Klarheit. Dahingehend nämlich, daß acht Zentimeter Welten bedeuten können. Auf dem Burgman ist einfach Platz im Überfluß. Okay, es könnte für Menschen über 1,80 Meter etwas mehr - Achtung, Rollerjargon - Fußraum sein, aber sonst: Hut ab. Selbst der Beifahrer fühlt sich bis auf die schmalen Fußstützen burgherrenmäßig aufgehoben.
Das heißt nicht, daß man auf der GS 500 E schlecht sitzt. Nur eben ganz anders. Der Fahrer versammelt, mit leicht nach vorn gebeugtem Oberkörper und nach hinten abgestützten Füßen. Der Beifahrer auf dem kleinen Rest, der übrigbleibt.
Überbleibsel ist bei der GS 500 auch das richtige Stichwort, wenn es um Kraft geht. Nur von der Anmutung traut man ihr - Leistungsangaben hin, Leistungsangaben her - viel zu. Dem Burgman, wie allen Rollern, eher wenig. Erwartungshaltung nennt man das. Fakt ist, daß der Roller besser durchzieht, die GS besser sprintet und schneller ist (siehe Meßwerte). Beispiel GS 500: Motor gedrosselt, Getriebeabstufung beibehalten. Ergebnis: Es wird bis knapp in fünfstellige Regionen gedreht, die letzten beiden Gänge haben meistens Pause. Übrig bleibt immer der Wunsch nach mehr.
Gegenbeispiel Burgman: Beim Gasanlegen hebt er - wenn auch vor allem bei feuchter Witterung von anfänglichen Schluckbeschwerden gebeutelt - keck das Heck, schiebt dann bis 50 km/h unerwartet flott an, um danach dank perfekt arbeitender Riemenautomatik praktisch bis zur Höchstgeschwindigkeit gleichförmig dahinzuschnurren. Zurück bleibt ein Gefühl von Zufriedenheit.
Auch, weil diese sanfte Art des Vortriebs durchaus geeignet ist, um der GS im Windschatten zu folgen. Denn neben dem großen Motor hat der Burgman bekannte, von der 250er Version übernommene Qualitäten. Gar nicht sanft, sondern kräftig und auch für Ungeübte leicht zu dosieren, packt das Integralbremssystem zu, während die 13-Zoll-Räder in Verbindung mit dem langen Radstand für ordentliche Spurtreue sorgen. So kurvt es sich ganz selbstverständlich und flott dahin. Gas geben, Bremse ziehen, Gas geben - mehr ist nicht notwendig. Es fehlt nicht viel, und der Roller wäre richtig schnell.
Im Grunde genommen fehlen ihm nur ein paar Zentimeter. Länger scheint zwar schicker, aber besser ist bekanntlich - höher. Hätte Suzuki auch in die dritte Dimension ein paar zusätzliche Zentimeter investiert, der Hauptständer würde in Rechts- als auch Linkskurven seltener die Tour vermasseln. So aber sucht der Burgman in Kehren automatisch den längsten aller Wege. Ganz im Gegensatz zur GS 500 E. Sie kommt direkt zur Sache, ohne Zaudern, ohne Zögern. Fällt wie von selbst von einer Schräglage in die andere, eckt nicht an - und schießt trotzdem übers Ziel hinaus. Sie übertreibt, kippt tendenziell weiter in die Kurve, als ursprünglich geplant. Nur wer zum rechten Zeitpunkt Zug am Hinterrad hat, trifft die avisierte Linie. Immer vorausgesetzt, das Terrain ist eben. Säumen Huckel und Puckel den Weg, sieht die Sache anders aus. Der Elan der GS wird durch die Qualität ihrer Federelemente - vorn geht´s auf Block, hinten pumpt es - eingebremst, der des Burgman durch seine kleinen Räder. Und zwar noch viel deutlicher. Die 13-Zöller fallen in alles, was nach Loch aussieht. Weil zudem der Telegabel die obere Gabelbrücke und damit ein gerüttelt Maß an Stabilität abgeht, rührt und hüpft die Burgman-Front, daß es keine Freude ist.
Also Kommando zurück, Reisen statt Rasen. Entspannt auf der topfebenen Landstraße, gemütlich auf der Autobahn. Hier hat der Roller seine Stärke, sticht die GS 500 E aus. Sein voluminöser Bug schiebt zuverlässig alles beiseite, was den Fahrer an Winddruck belästigen könnte. Übrig bleiben Verwirbelungen im Kopf- und Rückenbereich. Damit läßt sich besser leben als ganz ohne Windschutz auf der GS. Dort sorgt der Gegendruck auf den vorgebeugten Oberkörper aber immerhin dafür, daß die Belastung der Handgelenke in erträglichen Maßen bleibt.
Das ist auch gut so, denn die alte GS 500 kann länger. Theoretisch jedenfalls. Auf der Landstraße bei einem Verbrauch von 3,9 Litern rund 430 Kilometer lang. Steherqualitäten, die dem Burgman fremd sind. Satte 5,6 Liter genehmigt er sich über Land. Bei seinem 13-Liter-Tank ergibt das bestenfalls einen eiligen Quicky von 230 Kilometer.
Und sonst? Erweist sich der Jungspund als erstaunlich weitsichtig. Bietet Stauraum für den Helm und ein paar Kleinigkeiten unter der Sitzbank, zwei Staufächer in der Verkleidung, eine Federvorspannung per Handrad, Tankuhr und Feststellbremse. Die GS 500 E bietet außer ihrer guten konstitutionellen Verfassung gemessen am heutigen Ausstattungsstandard - eigentlich nichts. Und das ist nicht viel, um die ungestüme Roller-Jugend auf Distanz zu halten.

Unsere Highlights

Fazit Suzuki AN 400 Burgman

Es ist passiert, der Roller ist erwachsen. Suzuki hat mit dem Burgman 400 den letzten Schritt getan. Und in der 34-PS-Klasse einen neuen Typus kreiert: den Reise-Einsteiger. Draufsetzen, abfahren, entspannen - auf dem Burgman kein Problem. Problematischer: 10990 Mark. Der Preis fürs Erwachsenwerden ist hoch.

Fazit Suzuki GS 500 E

Der Dauerbrenner im Suzuki-Programm hat sich seinen jugendlichen Charme bewahrt. Daß die GS 500 E nie richtig erwachsen wurde, liegt auch am Rotstift der Kalkulatoren. Gediegen wirkt sie nicht, dafür aber ungemein agil, auch wenn die Drosselung ihr Temperament deutlich einbremst. Teenagergerecht: der Preis.

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023