Kymco AK 550i und Yamaha TMax DX im Vergleichstest

Kymco AK 550i und Yamaha TMax DX im Vergleichstest Maxi-Scooter im Vergleichstest

Das gibt’s doch gar nicht. Gibt’s doch, bei Roll … äh MOTORRAD. Nachdem die Oberliga der Roller die gemütliche Sofa-Schaukel-Ecke längst verlassen hat, war es an der Zeit, einmal zu schauen, was die dicken Dinger wirklich draufhaben. Wer setzt sich im Vergleichstest durch? Kymco AK 550i oder Yamaha TMax DX?

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Eins vorweg: Beim Thema Roller scheiden sich auch in der MOTORRAD-Redaktion die Geister, und in der Diskussion um deren Daseinsberechtigung wird nicht nur rein rational argumentiert. So gibt es zum Beispiel einen Kollegen, dessen Name dem Autor ­soeben entfallen ist, der Roller per se als „Vorstufe zur Hölle“ (Ausgabe 14/2017) bezeichnet, gleichzeitig aber mehrere BMWs, darunter auch ein RT-Modell, sein Eigen nennt. Vorsicht, Glashaus, lieber Klaus, kann man da nur sagen. Und wir reden jetzt nicht nur von der Menge respektive Fläche des verbauten Kunststoffs. Die Pragmatiker hingegen sagen: Ein Roller ist optimal für die Stadt, ein Roller mit Leistung ist gut auch darüber hinaus.

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Doch zurück zum Thema. Als der taiwanesische Scooter-Grossist Kymco im Frühsommer sein komplett neu entwickeltes Top-Modell AK 550i vorstellte (ebenfalls Heft 14/2017), war klar, dass man dieses dem Original der sportlich angehauchten Zweizylinder-Scooter, dem TMax, gegenüberstellen musste. Schließlich ist der, laut Yamaha seit seiner Markteinführung 2001 allein in Europa über 230000-mal verkauft, nicht nur wirtschaftlich ein Erfolg, sondern er war auch unübersehbar die Vorlage für die Taiwaner.

Vor allem das technische Layout zeigt etliche Gemeinsamkeiten: Beide Roller verfügen über einen fest im Alu-Rahmen montierten Reihen-Twin, die Kraftübertragung erfolgt via Variomatik und Zahnriemen aufs Hinterrad. Die Reifengrößen sind vorne wie hinten identisch. Beide führen ihre Vorderräder mittels Upside-down-Gabel mit radial angeschlagenen Bremssätteln, die des Kymco stammen übrigens von ­Brembo. Die äußeren Abmessungen ähneln sich ebenso wie die Ergonomie, aber so ist das wohl, wenn das Anforderungsprofil im Wesentlichen identisch ist. Um herauszufinden, wo genau die Unterschiede liegen und wie hoch das Niveau der Roller absolut gesehen ist, machen wir uns auf den Weg nach Neuhausen ob Eck, wo gerade auch eine Guzzi V7 III durch den Toptest-Parcours gescheucht wird.

Schon auf der Anfahrt über die Autobahn zeigen sich erste Unterschiede. Der Kymco, der mit 9799 Euro in der Preisliste steht, erfreut mit gutem Windschutz hinter der leider nur mit Werkzeug in zwei Positionen verstellbaren Scheibe. Die Windgeräusche übertönen bald den Zahnriemen, der unter Last immer ein wenig jammert. Kräftig schiebt der mittels zweier Ausgleichswellen kultivierte Twin mit gekröpfter Kurbelwelle den 232 Kilogramm schweren Taiwaner an. Das Reisetempo pendelt sich, freie Fahrt vorausgesetzt, schnell bei Tacho 150 ein. Der ­Geradeauslauf ist tadellos, und das straff abgestimmte, wenngleich etwas ruppig ansprechende Fahrwerk macht das Tempo klaglos mit. Auch ein Beifahrer ist nachgerade fürstlich untergebracht, also herrscht eitel Sonnenschein. Zumindest solange, wie keiner vorhanden ist, denn dann lässt sich im voll digitalen Cockpit so gut wie gar nichts mehr erkennen. Das Problem sei aber bekannt, und man arbeite an einer Lösung, heißt es beim Importeur.

Platzwechsel. Auch auf dem TMax, der hier in der mit 13195 Euro sündhaft teuren Edelversion DX antritt, sitzt man zumindest vorne hervorragend, der Copilot stört sich an den ausladenden Kanten der Karosserie, die auf Dauer unangenehm in die Waden drücken. DX heißt, dass sich die Scheibe elektrisch verstellen lässt, ein Tempomat an Bord ist und sowohl Hände als auch Hinterteil bei Bedarf gewärmt werden. Das relativiert den enormen Preisunterschied dann doch ein wenig. Es gibt auch einen Standard-TMax ohne diese Features für 1700 Euro weniger. Auch der kommt sehr edel und wertig daher, einfach wirkende Details und Bauteile gibt es bei ihm nicht. Punkt. Vor allem die Federelemente sprechen deutlich feiner an, ohne es an Stabilität missen zu lassen. Auch bleibt er beim Bremsen in Schräglage neutral, der Kymco hingegen entwickelt ein deutliches Aufstellmoment. Dafür läuft dessen Twin noch einen Tick kultivierter. Und obwohl der Yamaha 5 PS weniger hat, die ihn Führerschein A2-tauglich machen, kann er am Kymco dranbleiben.

Szenenwechsel. Das Testgelände ist erreicht, jetzt gilt es! Tester Georg wirft sich ins Leder und scheucht die Probanden durch den langsamen und schnellen Slalom und vollbremst von 100 km/h auf null. Die Mittelwerte aus fünf gezeiteten Durchgängen ergeben folgendes Bild: Der Kymco durcheilt den schnellen Slalom in 23,1 sek, am Messpunkt ist er 99,3 km/h schnell, im langsamen Slalom lauten die Werte 30,1 sek und 52,1 km/h, der Yamaha braucht hierfür 31,3 sek und schafft nur 48,9 km/h. Hier kommt dem Kymco die straffe Fahrwerksabstimmung zugute, ebenso die enorme Schräglagenfreiheit, die ihn auch zu zweit niemals aufsetzen lässt. Beim TMax setzt zumindest im Soziusbetrieb recht oft der Hauptständer auf. Um die Werte besser einsortieren zu können, folgen die Werte der in Sachen Leistung und Gewicht durchaus vergleichbaren Moto Guzzi V7 III: schneller (langsamer) Slalom 22,1 sek/99,3 km/h (31,0/48,5 km/h). Seit ABS Pflicht ist und serienmäßig zum Einsatz kommt, hat die noch ausstehende Bremsmessung von 100 km/h zum Stillstand viel von ihrem Schrecken verloren. Als Erstes macht sich diesmal der Yamaha auf den Weg. Im Mittel kommt er nach 42,3 Metern zum Stillstand, was einer durchschnittlichen Verzögerung von 9,13 m/s² entspricht. Da ginge noch deutlich mehr, zumal der TMax wie das sprichwörtliche Brett liegt, doch das ABS verschenkt mit langen Intervallen wertvollen Bremsweg. Nun ist der Kymco dran. Er steht im Schnitt nach 38,9 Metern, entsprechend 9,91 m/s². Das sind sehr gute Werte, allerdings wird der AK dann sehr unruhig und neigt zum Ausbrechen mit dem Heck, was bei weniger Geübten sicherlich für zusätzlichen Stress sorgen dürfte, aber im Grunde harmlos ist. Auch hier zum Vergleich die Werte der Guzzi: 40,2 m/9,6 m/s².

Nachdem die Testorgie gezeigt hat, dass moderne Scooter fahrdynamisch definitiv auf Augenhöhe mit vergleichbaren Motorrädern liegen, macht sich die Crew auf den Heimweg via Landstraße. Auf beiden sitzt es sich recht cruisermäßig. Geruhsam bewegt kommt der Kymco mit 4,2 Litern 100 Kilometer weit, der TMax braucht nur 0,2 Liter mehr.

Was bleibt am Ende? Der Kymco steht erst am Anfang einer Entwicklung, die Sache mit dem Cockpit und dem Ansprechverhalten der Federung sowie die teils ­billige Wertanmutung bekommen die Taiwaner garantiert in den Griff. Aber schon jetzt ist er ein ernsthafter Herausforderer für den TMax. Besonders das ABS und den Preis sollten die Japaner überarbeiten, der Rest kann ruhig so bleiben, wie er ist. Dann sieht man vielleicht auch Klaus mal auf einem Roller. Von wegen, gibt’s doch gar nicht …

MOTORRAD-Testergebnis

1. Kymco AK 550i
Volltreffer! Dieselbe Fahrdynamik, bessere Bremsen, geringer Verbrauch, etwas weniger Ausstattung, aber 3400 Euro günstiger. Da erscheinen die ­wenigen Mängel des Kymco vor allem als wenig und klein.

2. Yamaha TMax DX
Wohl ist der TMax in Sachen Wert­anmutung, Verarbeitung, Funktionalität, Image und in ­diesem Fall auch Ausstattung nach wie vor die Benchmark. Das muss man aber auch bezahlen wollen. Und können.

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