Erstmals konnten wir einen tschechischen Tuner mit seiner außergewöhnlichen Kreation beim TunerGP begrüßen. Vermutlich lag es auch etwas an der Sprachbarriere, dass sich Racetool-Tuner Jiří Heiník aus Prag mit seiner KTM 1290 Supermoto R für den Sachsenring bewarb. Denn er hat seinen KTM-Zwitter eigentlich erschaffen, um das Erzberg-Rodeo zu rocken – auf Schotterpiste und mit Stollenbereifung. Berg und Tal auf dem Sachsenring sind aber bekanntlich asphaltiert – hat also wenig Sinn. Es sei denn, man möchte die Rundenzeiten mit Abkürzungen durch die tiefen Kiesbetten knacken. Aber das haben sie uns dort erstaunlicherweise nicht erlaubt.
So blieb uns nichts anderes übrig, als auf Räder ohne Stollen umzubauen. Die Intension von Ingenieur Heiník war es, eine supersportliche Mega-Enduro zu schaffen. KTM baut bekanntlich eine 1290 Super Adventure, welche nach Jiřís Worten „eher einer schwangeren Kuh“ ähnelt. Sein Ziel dagegen: 180 PS bei 180 Kilo und 250 km/h Spitzengeschwindigkeit. Ganz schön crazy! Genau richtig für uns!
Okay, einen coolen Streetracer wie die 1290 Super Duke R auf Enduro umzubauen, um dann wieder Straßenreifen für die Rennstrecke aufzuziehen, ist etwas schizophren – aber was soll’s?
Alle zücken ihr Fotohandy
Die Racetool-KTM 1290 Supermoto R war ständig von TunerGP-Zaungästen umringt. Alle zückten ihr Fotohandy. Wie viel Arbeit und technisches Know-how in dem Motorrad stecken, wird allerdings nicht auf den ersten Blick offenbar – und wie viel Leidenschaft. Als Fahrer dieses Bikes bei verschiedenen Renneinsätzen ist der Tuner entsprechend detailversessen. Testet, verwirft und entwickelt neu. Für Schotterrennstrecken wurden 21-Zoll-Kinec-Felgen vorne und 18er hinten verbaut. Die einzige Bereifung für hinten, welche die enorme Leistung verkraftet, ist der super grobstollige Mefo-Sidecar-Reifen „Hard Track“.
Mehr Federweg wird durch das komplette Fahrwerk der 1290 Super Adventure erreicht. Selbst Schwinge und Gabelbrücke wurden von der Big Enduro entliehen. Dadurch wurden allerdings einige Rahmenänderungen nötig. Den Lenkkopf sägte Jiří kurzerhand ab und schweißte ihn im passenden Winkel wieder an. Die Schwingenaufnahme hat er umgeschweißt und die Fußrasten auf einer neu berechneten Position angebracht. Die verbauten Fußrasten sind eigens für die Racetool-KTM 1290 Supermoto R CNC-gefräst worden.
Durch Jiřís guten Draht zu KTM und Heinz Kinigadner ist es dann auch nicht weiter verwunderlich, dass sich eine Menge KTM-Power-Parts an der Racetool-1290 Supermoto R wiederfinden. Allerdings immer unter Berücksichtigung der Funktionalität und vor allem der Gewichtsoptimierung. Der Auspuff hingegen ist wieder ein Einzelstück. In seinem Pflichtenheft stand nicht nur Leistungszuwachs, er musste auch sturzsicher werden. Das besorgte die befreundete Auspuffschmiede RP, die Krümmer und Endtopf im MotoGP Stil fertigte. Das passende Motor-Mapping programmierte eine Firma aus Österreich – die angepeilten 180 PS müssen allerdings noch erreicht werden.
Kürzer übersetzt als 1290 Super Duke R
Jetzt war ich endgültig heiß darauf, das Bike zu testen. Und da war wieder unser kleines Verständigungsproblem. Wir wünschten uns für den Rennstreckentest eine 17-Zoll-Rennstreckenbereifung. Da aber für den Enduro-Freak Jiří die Bike-Balance im Vordergrund stand, bereifte er vorne mit 19 Zoll und hinten mit schmalem 170er in 17 Zoll. Sei’s drum, Reifenwärmer runter und raus.
Kaum verwunderlich ist die unglaubliche Handlichkeit des Bikes. Der breite Lenker und die schmale Bereifung lassen die Racetool-KTM 1290 Supermoto R schon beim geringsten Gedanken an eine Kurve in diese hineinfallen. Die Stabilität innerhalb der Kurve ist erstaunlich gut, auch wenn das Fahren auf der Reifenflanke einem „Eiertanz“ gleicht. Geht man an die Grenze, verliert man schnell mal das Vorderrad. Nicht so schlimm, wenn man im Supermoto-Style fährt und mittels mitschleifendem Fuß das Bike solange ausbalanciert, bis der Vorderreifen wieder Grip aufbaut. Der hinten montierte Dunlop-Qualifier ist leider ebenso ungeeignet für unseren Einsatzort. Daher fährt man selten superschnell, dafür meist quer. Kontraproduktiv ist in dem Zusammenhang dann natürlich der enorme Antritt der Megamoto. Ohne Benzin 182 Kilo und dann auch noch kürzer übersetzt als eine original Super Duke – na hallo!
Da hilft nur starkes Driften
Somit ist klar: Fährst du mal nicht quer, hebt sich wenigstens nach jeder Kurve das Vorderrad. Trotzdem sind schnell mal alle Gänge durchgesteppt, und am Bergabstück setzt bei 250 km/h der Begrenzer ein. Dann allerdings tanzt die Racetool-KTM 1290 Supermoto R instabil beim Anbremsen in die Kurve. Da hilft nur starkes Driften, was sehr leicht gelingt und super viel Spaß macht. Somit bleibt die Fuhre beherrschbar.
Die Rundenzeiten darf man allerdings nicht anschauen. Denn dem Abspeckwahn fiel auch eine vordere Bremsscheibe nebst Zange zum Opfer. Das Einscheibensystem ist da schnell am Ende. Spaß hat‘s trotzdem gemacht. Diese Kreation ist nichts für Menschen, die Bikes wie eine Aprilia RSV4 und ähnliche Wummen lieben und deren Rasierklingen-scharfes Feedback kennen. Trotzdem ist es unglaublich, wie spielerisch sich das Bike bewegen lässt. Wir würden uns sehr auf ein Wiedersehen mit der richtigen 17-Zoll-Rennstreckenbereifung und kompletter vorderer Bremsanlage freuen. Durch die langen Federwege und die geänderte Geometrie gewinnt man erheblich an Bodenfreiheit, kann somit superschnelle Spurwechsel realisieren und extreme Schräglagen zelebrieren. Durch die quasi freie Linienwahl gepaart mit dem mörderischen Antritt dank 132 Newtonmetern Drehmoment könnte dies die Megamoto-Waffe schlechthin werden. Im Übrigen verspricht Jiří Heiník interessierten Kunden individuelle Umbauten mit Straßenzulassung!
Messwerte und Preis

Gewicht
198 kg
vorn/hinten: 50,3/49,7 %
Leistung
164 PS
Umbaukosten
ca. 24.900 Euro
Racetool Kontakt

Jiří Heiník
Vrbova 19
14700 Prag