Wie die Modellbezeichnung nahelegt, wurde der Hubraum des V4-Antriebs aufgestockt, der Motor mit einem neuen Mapping bespielt und seine Mechanik im Detail verbessert. Auf dem Papier bringt es der von 78,0 mm auf 81,0 mm aufgebohrte V4 auf 1.077 Kubikzentimeter und mobilisiert 217 PS bei 13.000/min. Gefühlt stärkt das Hubraumplus gegenüber dem bekannten Tausender-V4-Motor eher den oberen Drehzahlbereich, in dem man sich auf der Rennstrecke naturgemäß häufig aufhält. Ab zirka 7.000/min macht sich die Gewalt des aufgebohrten V4s bemerkbar. Bärig schiebt der 1100er an und spurtet oberhalb von 10.000/min super schnell in Richtung Begrenzer. Das nutzbare Leistungsband und Drehmomentplateau ist opulent und die höhere von zwei Gangstufen in vielen Kurven daher oft die bessere Wahl.
Power steht massig zur Verfügung!
Von seiner puren Kraft einmal abgesehen, fallen das seidige Ansprechverhalten des 1100ers sowie seine hohe Laufkultur auf – die krasse Spitzenleistung wird erstaunlich benutzerfreundlich serviert. Da die Maschine in den Gangstufen fünf und sechs länger übersetzt ist, liegt die Höchstgeschwindigkeit vor dem Bremspunkt am Ende der langen Start/Ziel-Gerade Mugellos bei irren 325 km/h laut Topspeed-Indikator.

Leider dauert unser Date mit der neuen 1100er nur vier Turns. Doch einen starken Eindruck hinterlässt die Handlichkeit der 199 kg leichten und super kompakten Maschine. Schon die früheren RSV4-Modelle erinnerten mit ihrem blitzschnellen Handling an flinke 600er. Die neue 1100er führt diese Tradition fort: Richtungswechsel absolviert sie (trotz steiferer Schwinge und zwecks höherer Stabilität modifiziertem Lenkkopf) widerstandslos und extrem zackig. Unglaublich, mit welcher Genauigkeit die Aprilia außerdem auf die Einlenkpunkte zusticht. Mühelos kann man die Linie in Schräglage immer enger ziehen und der Maschine nahezu beliebig jeden Kurs diktieren – das können auf diesem Niveau nicht viele serienmäßige und straßenzugelassene Motorräder. Auf der anderen Seite verhält sich die 1100er am Kurvenausgang teilweise kapriziös. Zu viel Zug, Druck oder wildes Reißen am Lenker mag die straff gedämpfte RSV4 1100 Factory gar nicht. Solche Impulse übertragen sich direkt ins Chassis und machen die Aprilia unruhig. Wenn man die Maschine aber weich fährt und die Lenker sachte mit den Fingerspitzen führt, synchronisieren sich Power, Präzision und ihre hochentwickelte Elektronik auf höchstem Niveau.
RSV4 1100 Factory kostet 24.690 Euro
Um die Ausstattung der Maschine zu thematisieren: Die RSV4 1100 Factory versteht sich als Premium-Produkt für anspruchsvolle Kunden und Fans mit dem nötigen Kleingeld (24.690 Euro), die hochwertige und exklusive Technik lieben. Am Motorrad sind zum Beispiel leichte und hitzeresistente Stylema-Bremszangen von Brembo der neuesten Generation verbaut. Runde für Runde bremsen die perfekt dosierbaren Stopper die RSV4 am Ende von Mugellos langer Start/Ziel-Gerade zuverlässig aus weit über 300 km/h ab.

Einige Verkleidungsteile der ganz in Schwarz gehaltenen Maschine bestehen außerdem aus Karbon. Der Akrapovic-Endschalldämpfer sowie eine federleichte Lithium-Batterie sind Serie. Auch die MotoGP-inspirierten Flügel (Winglets) an den Seiten zählen zur Serienausstattung der 1100 Factory, und sie liefern nicht bloß optische Reize. Bei einer Geschwindigkeit von 300 km/h sollen sie beispielsweise acht Kilo mehr Anpressdruck auf die Front bringen und so bei Anbremsmanövern auf der letzten Rille auch das Gefühl fürs Vorderrad verbessern. In einer internationalen Rennserie wird die 1100 Factory allerdings trotz ihrer Racing-DNA niemals mitmischen, da sie mit 1.077 Kubikzentimeter Hubraum in kein Reglement passt. Reine Sport-Freaks können bei Aprilia aber nach wie vor die RSV4 1000 RR ordern (18.890 Euro) – auf Bestellung sogar direkt aus der Rennabteilung mit allen nur erdenklichen Tuningteilen inklusive Winglets.