Mehr Modelle, mehr Power, mehr Handlichkeit, mehr Elektronik. So will MV die nun dreiköpfige F4-Familie noch schlagkräftiger machen. Zwei davon standen für einen ersten Kontakt bereit.
Mehr Modelle, mehr Power, mehr Handlichkeit, mehr Elektronik. So will MV die nun dreiköpfige F4-Familie noch schlagkräftiger machen. Zwei davon standen für einen ersten Kontakt bereit.
In der Boxengasse von Valencia lechzen sechs brandneue F4 und F4 RR (die F4 R stand nicht zur Verfügung) schon knurrend und scharrend mit unverwechselbarem MV-Sound nach dem Feuerfrei-Signal vom Ausgang der Boxengasse. Neue F4? Auf den ersten Blick fallen Unterschiede zur bisherigen F4 kaum auf. Die LED-Tagfahrleuchten, die die größeren Lufteinlassöffnungen unter dem Scheinwerfer zieren, klar. Etwas Feinschliff an Auspuff und Farbgebung, sicher. Doch es gibt tatsächlich gravierende Neuerungen unter dem hübschen Kleid.
Drei verschiedene Versionen des Top-Sportlers schickt MV an den Start: F4 und F4 R mit 195 PS sowie das Top-Modell F4 RR mit 201 PS. Ihnen allen gemein ist der mit einem Bohrung/Hub-Verhältnis von 79/50,9 mm (womit nun sämtliche MV-Modelle 79 mm Bohrung besitzen) kurzhubige Corsa Corte-Motor, der bislang nur der RR vorbehalten war.
Um ihn thermisch standfester zu machen, wurde sein Ölkreislauf überarbeitet und der Öldruck um 0,8 bar erhöht. Was hauptsächlich als Lebensversicherung für die Haupt- und Pleuellager dienen soll. Die größte Neuerung aber ist die Elektronik. Die F4s waren die letzten MV-Modelle, bei denen die Drosselklappen noch per Gaszug gesteuert wurden. Nun übernimmt die Elektronik diese Aufgabe. Mit dem Ride-by-Wire bekam die F4-Familie auch gleichzeitig eine neue achtstufige Traktionskontrolle, die über einen Neigungssensor verfügt. In weniger als einer zehntel Sekunde kann die Elektronik selbst voll geöffnete Drosselklappen schließen und so blitzschnell in die Leistungsabgabe eingreifen.
Damit die überzeugt, bekamen die F4s neben neuen, beschichteten Kolben einen neuen Zylinderkopf mit geänderten Kanälen, die übrigens alle per Hand bearbeitet werden. Bei der F4 RR noch ein wenig intensiver, um in Verbindung mit fein justierten Steuerzeiten und auf 14 000/min angehobener Maximaldrehzahl 201 PS zu mobilisieren. Nur ein ABS fehlt. Soll aber folgen, schnellstmöglich und von Bosch.
Die Pirelli Supercorsa SP, hinten als 200er, sind wohlig vorgewärmt, auf geht’s. Bei der Sitzposition blieb sich die MV treu, das heißt sportlicher Liegestütz auf den tief montierten Stummeln. Die Sitzposition der RR erscheint geringfügig kompakter, was laut MV an anderen Lenkerstummeln liegt. Auf dem trickreichen GP-Kurs offenbart sich sehr schnell der Gewinn an Handlichkeit.
Die F4 trägt nun die Zehn-Speichen-Gussräder, die auch die große Brutale zieren. Und die sparen rund ein halbes Kilogramm an Gewicht. Derart beflügelt lenkt die MV spürbar williger in die Kurve ein. Noch kurvengieriger gibt sich die F4 RR. Ihre Schmiederäder reduzieren nochmals die Kreiselkräfte und lassen sie noch engagierter in die Kurven hechten und ab dem Kurvenscheitel lässiger die enge Linie halten. Die Präzision, mit der sie Kurven durcheilt, ist superb. Dabei dürften ihr neben den leichten Rädern auch der um drei Millimeter höhere Schwingendrehpunkt und die leichtere Kurbelwelle zugutekommen. Ihr um sechs Prozent geringeres Trägheitsmoment soll der RR zusammen mit Titan-Pleueln spritzigeres Hochdrehen ermöglichen. Und sie für die möglichen Maximaldrehzahlen von 14 000/min (F4/F4 R: 13 700/min) wappnen.
Beide Motorvarianten packen ab dem Kurvenscheitel bissig zu, drehen unglaublich vehement in die Höhe. Ab 10 000/min, wenn das überarbeitete variable Ansaugsystem die kurzen Atemwege freigibt und der Motor von der zweiten, mittig über den Trichtern thronenden Einspritzdüse gespeist wird, rauscht ein zweites Feuer durch die Brennräume. Während bei der F4 ab 12 500/min die Drehfreude etwas nachlässt, tobt die RR mit ungezügelter Wucht bis zum Begrenzer. Der Schaltautomat sorgt für knackige Gangwechsel. Er ermöglicht sogar Herunterschalten ohne Kupplung. Doch ist diese Funktion noch nicht serienreif entwickelt und soll später per Software-Update kostenlos nachgerüstet werden.
Bremsen kann die MV wie der Teufel, auch wenn bisweilen leichte Vibrationen an der Vorderhand auftraten. Dabei braucht sich die mit Nissin-Bremspumpe und „normalen“ Brembo-Monoblock-Zangen bestückte F4 nicht vor der mit Radialpumpe und den aus der Ducati Panigale bekannten M50-Brembo-Monoblöcken verstecken.
Und zumindest auf dem recht neuen, glatt gezogenen Asphalt von Valencia verbucht die hochwertig ausgestattete, top verarbeitete F4 mit ihren konventionellen Federelementen, Marzocchi-Gabel mit Achs-Schnellverschluss und Sachs-Federbein gegenüber der RR mit der bereits aus der Ducati Panigale bekannten, elektronisch einstellbaren Öhlins-Federware keinen nennenswerten Nachteil. Zumal die Chassis wegen der breiteren Drosselklappeneinheit neu konstruiert werden mussten. Die Entwicklung ließ die Geometrie unverändert, reduzierte aber leicht die Torsionssteifigkeit. Was die MV unverändert stabil, aber nicht mehr so steif wirken lässt, dafür aber das Gefühl fürs Bike verbessert. Und die Abstimmung des Ride-by-Wire? Bei aller Kritik, die MV hierfür bislang bei den Dreizylinder-Modellen erntete, wirken die F4s in dieser Hinsicht reifer. Perfekt freilich sind sie noch nicht. Auf minimalste Bewegungen des Gasgriffs reagiert der Vierzylinder fast schon brutal direkt und schnappt teils mit heftigem, kurzem Leistungseinsatz vorwärts. Sodass beim Anbremsen, wenn das rechte Handgelenk unbewusst eine kleine Zuckung machte, der Pilot statt Motorbremse überraschend Schub erntete. Ausgesprochen sauberer und sehr konzentrierter Umgang mit dem Gas ist gefragt. Das sollte MV entschärfen. Die Traktionskontrolle, wir fuhren bereits nach kurzer Zeit auf der schärfsten Stufe eins, arbeitet wirkungsvoll, aber manchmal noch je nach Fahrsituation mit unterschiedlicher Intensität. Regelte aber stets auf der sicheren Seite. Die Konkurrenz bekommt das momentan noch feiner hin. Dennoch präsentiert sich die F4 dynamischer, fitter und aufreizend wie eh und je. Landstraßengenießer dürften mit der Basis-F4 kaum etwas vermissen. Auf der Rennstrecke rückt die F4 RR dichter an die Konkurrenz heran.
F4 Agusta F4/F4 R/F4 RR
Motor
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 49 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 350 W, Batterie 12 V/9 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping), Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 41:15.
Bohrung x Hub 79,0 x 50,9 mm
Hubraum 998 cm³
Verdichtungsverhältnis 13,4:1
Nennleistung
F4/F4 R: 143,5 kW (195 PS) bei 13 400/min
F4 RR: 147,7 kW (201 PS) bei 13 600/min
Max. Drehmoment 111 Nm bei 9600/min
Fahrwerk
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend, Upside-down-Gabel, Ø 50 mm (F4 RR: Ø 43 mm), verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 210 mm, Vierkolben-Festsattel, Traktionskontrolle.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 200/55 ZR 17
Maße + Gewichte
Radstand 1430 mm, Lenkkopfwinkel 66,0 Grad, Nachlauf 100 mm, Federweg v/h 120/120 mm, Trockengewicht 191 kg (F4 RR: 190 kg), Tankinhalt 17,0 Liter.
Garantie zwei Jahre
Farben F4/F4 R: Weiß, Rot/Silber
F4 RR: Weiß/Schwarz, Rot/Weiß
Preis F4/F4 R/F4 RR: 16 990/18 990/23 990 Euro
Nebenkosten 250 Euro