MOTORRAD hat nachgedacht: So könnten die Zukunftsprojekte von BMW aussehen. Die Wiederauferstehung der Marke Gilera ist dagegen beschlossene Sache.
MOTORRAD hat nachgedacht: So könnten die Zukunftsprojekte von BMW aussehen. Die Wiederauferstehung der Marke Gilera ist dagegen beschlossene Sache.
BMW ist so erfolgreich wie nie zuvor. Ständig steigende Verkaufszahlen und Marktanteile stellen der BMW-Modellpolitik ein hervorragendes Zeugnis aus. Es hat sich gelohnt, mit dem Telelever neue Wege im Fahrwerksbau zu gehen, und es hat sich gelohnt neue Käufer mit der Einzylinder-Baureihe zu erschließen. Das macht den Entwicklern Mut. Dabei gibt es an einem Dogma nichts zu rütteln: Der Zweizylinder-Boxer, von der ersten Stunde an Antriebsquelle der bayerischen Zweiräder, wird wohl auch in den nächsten Dekaden das wichtigste Standbein der Weißblauen sein. Innerhalb dieses Konzepts bleibt für die Ingenieure dennoch viel Spielraum. Beispielsweise beim Ventiltrieb, wo ein historische Vorbilder existieren, von dem der harte Kern der Sportboxer-Fans noch immer träumt. Die Königswellenrenner mit Kompressor, mit denen der legendäre Schorsch Meier 1938 nicht nur die Europameisterschaft, sondern 1939 auch das seinerzeit weltweit prestigeträchtigste Straßenrennen, die Senior TT auf der Isle of Man, gewann. Und die Königswellen-Saugmotoren der Nachkriegsrennmotorräder, die in der Gespannweltmeisterschaft Titel en suite einfuhren.
Dabei standen Anfang der 90er-Jahre die Chancen für ein solches Projekt günstig. Unter der Ägide von Entwicklungsleiter Dr. Burkhardt Göschel, heute ganz oben im BMW-Vorstand, war ein Königswellenboxer schon relativ weit gediehen (wurde aber wieder ad acta gelegt. Hohe Herstellungskosten aufgrund aufwendiger Bauweise und starke Geräuschentwicklung lauteten die Argumente der Gegner dieser Idee.
Ausgerechnet Kawasaki widerlegte zumindest das Thema Geräuschemmissionen mit dem Retrobike W 650. Bei dem treibt eine Königswelle die obenliegende Nockenwelle an und bereitet keinerlei akustischen Kummer. Das hat in München offensichtlich einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Die frohe Kunde für die Fans: In der Entwicklungsabteilung wird wieder intensiv über einen Königswellenboxer nachgedacht. In der Diskussion ist ein reinrassiger, ultrakurzhubiger Sportmotor mit deutlich geringerer Baubreite und einem Liter Hubraum. Je eine Königswelle treibt eine oder zwei obenliegende Nockenwellen pro Zylinderkopf an, die je vier Ventile betätigen. Da wegen der ungünstigen Führung der Einlasskanäle die Literleistung japanischer 1000er-Zweizylinder nicht ganz erreicht würde, könnte es zwei Varianten geben. Neben dem Boxer mit Saugmotor würde für leistungsorientierte Kunden eine per Kompressor aufgeladene Variante zur Verfügung stehen. Ein klassisches Rootsgebläse über dem Getriebe sorgt dann für stets ausreichend Dampf und üppiges Drehmoment bereits im mittleren Drehzahlbereich. Anzupeilen wären Leistungen von zirka 120 ohne und rund 150 PS mit Lader. Die Fans der weißblauen Marke könnten dann quasi direkt auf den Spuren von Schorsch Meier wandeln. Neben dem Motor und dem aktuellen Sechsganggetriebe, die wie bisher eine tragende Funktion hätten der Längslenker des Telelever ist im Motor gelagert, die Paraleverschwinge im Getriebe würde ein Gitterrohrverbund aus Stahlrohr die übrigen Bauteile aufnehmen.
Aber nicht nur der Boxermotor, sondern auch der mittlerweilen in die Jahre gekommene, seit 1983 produzierte Vierzylinder der K-Baureihe könnte in den nächsten Jahren einer vollkommenen Neukonstruktion weichen. Denn der längs liegend eingebaute Reihenvierzylinder ist einfach am Ende seiner Leistung und Hubraumgröße, und dazu noch sehr teuer in der Fertigung. Getreu den Vorbildern aus Fernost dürfte der zukünftige Reihenvierzylinder quer im Fahrwerk und um zirka 30 Grad nach vorn geneigt sitzen, Hubräume bis über 1300cm3 wären so möglich.
Getreu der BMW-Philosophie müsste die Neukonstruktion einerseits über aktuelle Motoren- und Abgastechnologie wie vier, von zwei obenliegenden Nockenwellen betätigte Ventile pro Zylinder, eine aktualisierte Einspritzung und einen geregelten Drei-Wege-Katalysator verfügen. Beinahe obligatorisch sind Komponenten wie Kardan und Telelver. Andererseits sind bei einer neuen BMW aber auch spezielle technischen Lösungen Pflicht. So könnte die Kurbelwelle ihr Drehmoment über einen Mittelabtrieb weiterleiten. Auf einer Seite des Primärantriebs säße die Kupplung, auf der anderen Seite die beiden Getriebewellen. Das leidige Thema Schaltbarkeit könnte mit einem im Vergleich zur Kurbelwelle deutlich langsamer laufenden Getriebe endlich der Vergangenheit angehören. Am Getriebeausgang könnte die einarmige Schwinge konzentrisch zum Winkeltrieb der Umlenkung im Motorgehäuse gelagert sein. Vorteil: Dadurch entfiele der Längenausgleich der Kardanwelle, die Schwinge könnte entsprechend lang ausgeführt werden. Durch die Baulänge fiele das Reaktionsmoment der Schwinge bei Lastwechseln entsprechend gering aus, das aufwendigeund schwere Paraleversystem ließe sich einsparen.
Auch der Längslenker des Telelever könnte im Motor gelagert sein. Übrig bliebe ein relativ leichter Hilfsrahmen, der die obere Lagerung der Gabel und die Anbauteile aufnimmt. Die Voraussetzungen für ein leichten Tourer wären damit äußerst günstig.
Aber auch ein sportliches Tourenbike wäre denkbar mit Hubräumen zwischen 1000 und 1300 cm3 und Leistungen von 100 bis 150 PS.
Auch die Fans der Marke Gilera können wieder hoffen. Schon in diesem Jahr wird die zur Piaggio-Gruppe gehörende Marke wieder in das Motorrad-Geschäft einsteigen. Und wie! Denn starten wird Gilera mit einer supersportlichen 600er mit Reihen-Vierzylinder. Dabei geht man im Rahmenbau völlig neue Wege. Zum ersten mal wird Titan für den Brückenrohrrahmen verwendet, ein Metall, das neben einem geringen spezifischen Gewicht eine hohe Festigkeit besitzt und so für Leichtbau geradezu prädestiniert ist .
Den Motor liefert Suzuki: Die Antriebsquelle der ultrasportlichen Gilera 600 wird der Einspritzer der Suzuki GSX-R 600 sein, dessen wilde 118 Pferde für Spaß sorgen werden. Ram-Air-Einlaß zwischen den Scheinwerfern, eine hochgelegte Auspuffanlage und in zwei Stufen justierbare Spiegel charakterisieren den Supersportler, der für die Marke schon 2002 rennsportlichen Ruhm in der Supersport-Weltmeisterschaft einfahren soll.