Pompone ist italienischer Slang, bedeutet „große Pumpe“ und steht für herzhaft anschiebende Zweizylinder-Motorräder. Mit der 899 Panigale kehrt Ducati zu diesem erfolgreichen Antriebskonzept zurück.
Pompone ist italienischer Slang, bedeutet „große Pumpe“ und steht für herzhaft anschiebende Zweizylinder-Motorräder. Mit der 899 Panigale kehrt Ducati zu diesem erfolgreichen Antriebskonzept zurück.
Nachwuchs bei Familie Panigale! So eine freudige Nachricht erhält man doch gerne. Und die Eckdaten der Ducati 899 Panigale gefallen ebenfalls: 193.000 Gramm drückt der Wonneproppen auf die Waage, bringt serienmäßig bereits 148 Pferdestärken mit und belässt es nicht bei einer abgespeckten Ausstattung, sondern fährt das volle Progamm auf: DTC, ABS, EBC, DQS, drei wählbare Mappings der Einspritzanlage, LED-Lichter, voll einstellbares Fahrwerk – und diese hammermäßige Silhouette! Für all diese Zutaten muss der Kunde zwar tief in die Tasche greifen, einen Überfall kann er sich jedoch schenken – 15.490 Euro (zuzüglich Nebenkosten) gibt es bei der Hausbank gegen Unterschrift.
Und dann das. Pünktlich zu den Testfahrten regnet es in Imola. Während die Mechaniker Regenreifen setzen, wende ich mich meiner matt-weißen Ducati 899 Panigale mit der kleinen Nummer drei auf dem Tank zu. Na ja, sie ist nicht ganz alleine mein, ich teile sie mit einem Journalisten-Kollegen aus Israel. Erst ich einen Turn, dann er. Der Kollege schaut trotz des frohen Anlasses traurig aus seinem Leder, denn nasse Rennstrecken ist er nicht gewohnt.
Ich flachse ein wenig mit ihm herum, versuche, ihm sein Bauchweh zu nehmen. Schließlich gibt es keinen Grund welches zu haben. ABS und Traktionskontrolle, dazu eine Strecke ohne Gegenverkehr und feinste Pirelli-Regenpellen – was soll da schon schiefgehen? Mit einem „Keep off the white lines and the curbs, that‘s all you need to know“ hüpfe ich auf die bereits aufgewärmte Ducati 899 Panigale und donnere mit meiner Gruppe hinaus auf die mir unbekannte Strecke.
Wir flitzen total entspannt über die Bahn, machen uns mit dem Streckenverlauf vertraut und suchen zaghaft die ersten Bremspunkte. Wichtige Regel im Regen, um sicher über die Runden zu kommen: Den Bremsvorgang vor dem Einlenken abschließen, erst dann Schräglage einleiten. Die Ducati 899 Panigale macht beides klasse – sowohl das Bremsen als auch das Einbiegen. Ihre 320er-Stahlscheiben (die 1199 Panigale hat 330-mm-Scheiben) harmonieren perfekt mit den Brembo-Belägen in den M4.32-Zangen und glänzen durch bissige Bremsleistung und klarem Feedback.
Die Rückmeldung der Pirellis ist ebenfalls gut, der Grip unglaublich. Die Gummis beißen derartig in den Asphalt, dass ABS und Traktionskontrolle wenig zu tun haben und das ausgewogene Handling der Ducati 899 Panigale bereits im Nassen – trotz eines weichen, ruckfreien Fahrstils – zur Geltung kommt. Mindestens ebenso beeindruckend ist die sehr geradlinige Leistungsentfaltung des 898 Kubikzentimeter großen „Superquadro“ der kleinen Panigale.
Im Gegensatz zu ihrer großen Schwester reißt sie nicht ab 9000 Touren Löcher in den Teer. Nein, die Ducati 899 Panigale zieht, vergleichbar mit einer KTM RC8 1190, schön gleichmäßig los, kredenzt ihre Power absolut gelassen und ist so gerade bei schlechten Bedingungen oder auf der Landstraße sehr einfach zu fahren. Was mit an ihrem weniger extremen Bohrung-/Hub-Verhältnis liegt. Dieses ist bei der 1199 Panigale mit 1,84 extrem kurzhubig gewählt und verleiht ihr oben herum diesen giftigen Charakter. Bei der 899 geriet das Verhältnis etwas moderater, bewegt sich aber mit 1,75 immer noch (KTM 1190 RC8: 1,52) im kurzhubigen Bereich.
Dennoch rückt die Ducati 899 Panigale mit dieser Motorenkonfiguration deutlich näher an die Ducati-Superbikes der Prä-Panigale-Ära heran. Sie drückt sanfter aus den Ecken, lässt sich deutlich ruhiger und einfacher fahren als die Große. Und das freut neben dem israelischen Kollegen, der mit der feuchten Bahn sehr gut zurecht kommt, auch die italienischen Testfahrer. Diese verpassen der kleinen Panigale auch gleich wieder den Spitznamen der alten Duc-Superbikes, und drücken ihr liebevoll den „Pompone“ auf die Verkleidung.
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Sonnenschein zur Mittagspause! Nein, damit ist nicht die Pasta des Ducati-MotoGP-Caterings gemeint, das die Journalistenmeute während des Events sättigt, sondern schlicht das Wetter. Petrus hat ein Einsehen und trocknet die Strecke in kürzester Zeit, während die Mechaniker statt der Straßenbereifung (hinten in 180/60-17) gleich den Rennreifen Pirelli Diablo Supercorsa in SC2-Mischung auf die Ducati 899 Panigale montieren.
Noch einmal kurz probesitzen und den gefüllten Wamst an den nun aus Alu gefertigten, auf 17 Liter vergrößerten Tank pressen. Die Ergonomie der Ducati 899 Panigale ist leicht entschärft, soll dem Straßenfahrer entgegenkommen. Ein etwas dickeres Sitzpolster und zehn Millimeter höher angebrachte Lenkerstummel sorgen für gestiegenen Komfort. Das monochrom gehaltene Display offeriert alle Informationen wie das Farbdisplay der 1199, lässt sich ebenso über den zentralen Knopf an der linken Lenkerarmatur bedienen.
Also rein in den Konfigurator des Race-Mappings. TC auf Stufe 2, ABS auf 1 (blockierendes Hinterrad möglich, keine Stoppie-Kontrolle), EBC (Motorbremsmoment-Regelung) auf 1 (geringes Bremsmoment), und schon kann es im Trockenen mit Volldampf losgehen. Die Ducati 899 Panigale fliegt förmlich über die Piste, biegt ab wie der Teufel, brennt kraftvoll beschleunigend die Geraden hinunter, um dann vor den fiesen Schikanen feiste Bremsattacken über sich ergehen lassen zu müssen. Klar stehen die 148 PS der Ducati 899 Panigale den 197 PS der 1199 etwas nach, reißen nicht ansatzweise so heftig an. Doch während der 1199-Pilot nach 20 Minuten freudig in die Box zur Pause abbiegt, ärgert es den 899-Fahrer, dass er nicht noch einige Runden drehen darf.
Die Ducati 899 Panigale schont ihren Reiter und erhöht so den Fahrspaß. Durch ihre im Verhältnis zur Vorgängerin 848 um 20 Prozent kürzeren Sekundärübersetzung geht sie in allen Gangstufen deutlich spritziger als diese, zieht also heftig an, aber eben nicht zu heftig. Und sie hat ihrer Vorgängerin noch etwas voraus. Während die 848 gegenüber der 1198 immer ein wenig wie eine abgespeckte Version wirkte (ihr fehlte zum Beispiel die einstellbare Schubstange an der Umlenkung der Hinterradanlenkung und damit die Möglichkeit der Heckhöhenregulierung), ist die 899 einfach eine kleine Panigale. Alles dran, alles drin.
Wer Ducati 899 Panigale fährt, muss lediglich auf die Einarmschwinge verzichten, nicht aber auf technische Funktionalität oder gar elektronische Ausstattung. Und das macht „die Kleine“ extrem attraktiv.