Ducati Panigale R im Einzeltest

Ducati Panigale R im Einzeltest Racing-Superbike für die Straße

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Der King of Eisdiele wird mit verhärteten Bandscheiben wimmern. Der King of Racing wird allen einen Scheitel ziehen. Die Ducati Panigale R ist im Einzeltest auf der Rennstrecke in Rijeka erschütternd ernst.

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Rijeka. 38 Grad im Schatten. Auf der nicht gerade brettebenen Rennstrecke mit dem berüchtigt rauen Asphalt tummelten sich drei hitzeresistente Einheimische mit laut röhrenden Tausendern – und wir. Doch während wir noch die Ducati Panigale R ausluden, fuhr schon das erste Mal der Lumpensammler. Da waren‘s nur noch zwei. Unser Verbindungsmann vor Ort stellte sachlich fest: „Facebookfahrer. Die haben keine Ahnung. Sie kommen und stürzen. Ist ein neuer Trend.“

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Zum Glück war Kelle mit dabei. Christian Kellner, auch schon 44, ist ein Vollblut-Rennfahrer, der in der WM zu den Toppiloten gehörte. Ich würde mich selbst nicht als King of Eisdiele bezeichnen, aber um das enorme Potenzial einer Ducati Panigale R auszuloten, bin ich einfach zu langsam. In jenen Bereich, in dem Ducatis neues, zulassungsfähiges Racing-Superbike seine wahren Stärken ausspielt und die Spreu vom Weizen trennt, stößt einer wie ich kaum vor. Aber dass mich die R in den ersten Runden fast zum „Facebookfahrer“ degradierte und zutiefst erschütterte, war doch überraschend.

Brutales Grundsetting!

Da stand sie. Bildschön. Edel. Ein technisches Kunstwerk. Ohne Rahmen. Wie gehabt. Also Einarmschwinge im Motor gelagert, Lenkkopf direkt im Airbox-Monocoque aus Aluminiumguss. Feinste Öhlinsware, aber nicht semiaktiv. Superquadro, 1198 cm³, 196 PS, 136 Nm. Warum „nur“ 1198 cm³? Weil Ducati den großen Motor der 1299 in der Superbike-WM nicht einsetzen darf. Da gilt (noch) das 1200-cm³-Twin-Limit. Als ich auf die Strecke rollte, rechnete ich mit einem Inferno. Keine andere Serienmaschine ist so nahe an der Superbike-WM wie diese Ducati Panigale R.

Nachdem der Prüfstand dem Motor nicht nur enorm viel Leistung und Drehmoment attestiert hatte, sondern auch eine radikal spitze Charakteristik, machte ich mich auf den sprichwörtlichen Schlag auf den Hinterkopf gefasst. Ich war überzeugt, dass das markerschütterndste Erlebnis auf der Ducati Panigale R genau dann stattfinden würde, wenn der Superquadro ins richtige Drehzahlband fährt. Bei 7400/min legt der L2 innerhalb von nur 600/min um 30 (!) PS zu und schüttet dann von 8000 bis 11.000/min noch einmal knapp 80 (!) PS nach, um schließlich bei knapp über 12.000/min vom Begrenzer eingefangen zu werden. Knapp unter 200 PS. Ergänzend darf man hier noch anführen: Von 7200 bis 8500/min „explodiert“ das Drehmoment von 85 auf 120 Nm! Wahnsinn!

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Ducati Panigale R.

Die Zeiten des linear anreißenden Testastrettas mit der potenten Mitte sind lange vorbei. Und doch war es nicht der irre Superquadro, der mich nach wenigen Runden verzweifelt in die Box trieb, sondern das Fahrwerk der Ducati Panigale R. Zur Hölle, was war denn da los? Rennorientierte Ducatis waren immer schon straff, aber dass die Maschine dermaßen bockte, dass ich den Kontakt zum Sattel verlor, das gab es noch nie.

Was für ein brutales Grundsetting! Göttliches Feedback, mörder Traktion, superpräzises Ansteuern des Scheitels? Weit gefehlt. Nichts davon war da. Sobald der Asphalt nicht superglatt war, gab es Luft unter den Reifen. Im schnellen Rechtsknick auf die Zielgerade war es so arg, dass ich Mühe hatte, Kontakt mit der Ducati Panigale R zu halten. Es beutelte mich hin und her. Vollgas? Unmöglich!

War ich zu schwach für die Ducati Panigale R?

Natürlich bekommt man da Zweifel. Und natürlich sucht man den Fehler nicht gleich in der Maschine, von der man weiß, dass sie einer langen Tradition folgend eine schnelle und kampfstarke Racing-Ducati ist, sondern bei sich selbst. War ich zu schwach für die Ducati Panigale R? Funktioniert sie erst richtig, wenn man sie viel schneller bewegt? Kelle winkt ab: „Mit dem Setup kann man hier keine schnellen Runden fahren. Du verlierst zu oft Bodenkontakt und Kontrolle. Das habe ich noch nicht erlebt.“ Das beruhigte mich.

Einerseits. Andererseits mussten wir jetzt viel Zeit investieren, um eine Fahrwerksabstimmung, die von Ducati offensichtlich auf eine Strecke mit makellosem Asphalt à la Monza zugeschnitten wurde, für das teils rumpelige Rijeka zu finden. Und das ist bei der Ducati Panigale R kein Kinderspiel. Weil nicht nur die Dämpfer sowohl in Vorspannung als auch Zug- und Druckstufe verstellbar sind, sondern außerdem die Anlenkung und die Länge des Federbeins variiert werden können. Für einen normalen Rennstreckler wie mich eine Katastrophe. 

Das sind einfach zu viele freie Parameter. Selbstverständlich sind diese Möglichkeiten zum Rennfahren auf WM-Niveau großartig, weil man mit genügend Sachverstand und Erfahrung die Maschine perfekt auf jeden Track abstimmen und ein Setup finden kann, das für den entscheidenden Kampf um die letzte Sekunde bzw. die letzten Zehntel ideal ist, aber im journalistischen Testbetrieb, bei dem man selten länger Zeit hat als einen Tag, ist es eine Challenge. Vor allem wenn das Basis-Setup – wie hier in Rijeka – überhaupt nicht funktioniert. Warum Ducati so ein System der räumlichen Mannigfaltigkeiten beim Federbein bietet, dürfte daran liegen, dass Rennteams am Panigale-Rahmen nichts mehr verändern können, weil es halt keinen mehr gibt. Man kann ihn nicht steifer oder flexibler machen. 

Höher, weicher, schneller

Wir fuhren raus, wir fuhren rein. Und justierten. Bis wir ein Setup hatten, das zwar nicht tadellos funktionierte, aber um Welten besser war als die Basisabstimmung und uns erlaubte, die brachiale Ducati Panigale R einigermaßen entfesselt abzufeuern. Durch das jetzt etwas höhere Heck und die viel weichere Dämpfung konnte ich ahnen, was die Panigale R in den richtigen Händen mit den Gegnern macht. Es war zwar noch nicht jeder Kurveneingang auf der Bremse (die in Dosierbarkeit und Biss einfach fantastisch ist) ideal, weil ich noch immer nicht ganz das Gefühl hatte, das Vorderrad hundertprozentig zu spüren, aber im Vergleich zu den ersten Runden war das jetzt schon sehr geschmeidig. Auch mit dem Einlenkverhalten war ich mittlerweile sehr zufrieden, lediglich in Kurve 2 gab es eine Irritation. Eine kleine Unebenheit im Asphalt am Einlenkpunkt ließ die Maschine steif werden und einen gefühlten Meter stur bleiben. 

Bis zum Schluss heikel für mich war das Abfeuern nach dem Scheitelpunkt. Dabei war gar nicht die irre Motorkraft – es ist tatsächlich unglaublich beeindruckend, wie verrückt der Superquadro im richtigen Band an der Kette reißt! – das Problem, sondern die noch immer nicht glasklare Transparenz am Hinterrad der Ducati Panigale R und das noch nicht ganz behobene Verlieren des Bodenkontakts. Mit der Traktionskontrolle auf Stufe 3 hatte ich manchmal Rutscher, die mich stoßbeten ließen. Aber, und das war das Entscheidende für mich: Im Gegensatz zum ersten Turn konnte ich jetzt mit dem dramatisch veränderten Setup thrillreiche Runden ziehen und mir die Strecke Abschnitt für Abschnitt erarbeiten. Es wurde immer besser. Auf jedem modernen Vierzylinder-Superbike wäre mir das zwar viel leichter gefallen. Dann kam Kelle.

Finden des perfekten Setups nicht einfach

Kelle war bereits mit einer Yamaha YZF-R1M, die im Standard-Setup in Rijeka sehr gut funktionierte, ein paar schnelle Runden gefahren und glaubte jetzt, mit der Ducati Panigale R zwei, drei Sekunden langsamer zu sein: „Um die Ducati auf den rauen, welligen Kurs hier sehr gut abzustimmen, bräuchten wir mehr Zeit. Möglicherweise müssten wir auch mit anderen Federn arbeiten. Das Finden eines perfekten Setups ist nicht immer einfach, aber im Rennsport unglaublich wichtig. Nur wenn es gelingt, die Maschine so abzustimmen, dass der Fahrer hundertprozentiges Vertrauen entwickelt, kann das Paket siegfähig sein. Das ist auch der große Unterschied zwischen Renn- und Testfahren. Beim Rennfahren hast du eine Maschine, die voll und ganz auf dich zugeschnitten ist, beim Testfahren nicht.“ 

Ich wollte noch wissen: „Und wenn du jetzt auf der Ducati Panigale R Feuer gibst, fährst du dann einfach über den Bereich, in dem sie noch immer leicht bockt und schlingert drüber?“ Kelle: „Nein. Ginge es um die WM, würde ich das wahrscheinlich tun, aber als Testfahrer hätte das keinen Sinn. Es geht ja vielmehr darum, den Lesern zu zeigen, wie die Maschine funktioniert. Ein Sturz würde viel Arbeit vernichten.“ Dann fuhr er raus. Ich hastete auf die Tribüne und beobachtete Kelle und die Panigale R, wie sie den Traum vom Vierzylinder zerstörten.

Stabilität auf der Bremse und beim Einlenken großartig

Nach vier Runden kam Kelle wieder rein. Er wirkte gezeichnet: „Anstrengend. Du musst wirklich raufen damit. Das Setup ist noch weit vom Ideal entfernt, aber mit den neuen Reifen waren die Unruhen beim Beschleunigen nach dem Scheitel viel geringer, und die Stabilität auf der Bremse und beim Einlenken war großartig. Hätten wir etwas mehr Zeit, würden wir die Maschine so hinstellen können, dass sie an der R1M dran ist.“ Kelle glaubte, dass er mit der Ducati Panigale R ein, zwei Sekunden langsamer gewesen wäre. De facto aber war die „anstrengende“ Duc um einige Zehntel vorn! Herrlich! 

Warum mir das gefällt, wo ich doch selber lieber mit einer Vierzylinder-Granate unterwegs bin? Weil Ducati seit Jahrzehnten kompromisslose Rennmaschinen baut, die man als R-Modelle sogar zulassen kann. Ducati hat diesen bedingungslosen Racing-Ansatz schon vertreten, als alle anderen Hersteller noch „weichgespülte“ Superbikes in den Verkauf brachten, die man erst umbauen musste, wenn man damit schnelle Runden fahren wollte. Die Ducati Panigale R legt die Latte wieder höher. Das sieht man schon am konkurrenzlos niedrigen Gewicht: 188 Kilogramm vollgetankt!

Technische Daten Ducati Panigale R

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Warum „nur“ 1198 cm³? Weil Ducati den großen Motor der 1299 in der Superbike-WM nicht einsetzen darf. Da gilt (noch) das 1200-cm³-Twin-Limit.

Messwerte

PS
Leistungsmessungen.

Druck in der Mitte ist nicht mehr das Credo der Ducati-Superbikes. Die Power versammelt sich vor allem oberhalb 8000/min.

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