Allein ein Blick auf die technischen Daten der Ducati Panigale Superleggera V4 lässt den Puls in die Höhe schnellen. Wir hatten das Vergnügen, die italienische Supersport-Rakete auf der Rennstrecke auszuführen.
Allein ein Blick auf die technischen Daten der Ducati Panigale Superleggera V4 lässt den Puls in die Höhe schnellen. Wir hatten das Vergnügen, die italienische Supersport-Rakete auf der Rennstrecke auszuführen.
Das geht schief…, das ist zu schnell, das geht nicht gut. Gleich landet die Superleggera im Kiesbett. Dabei hat es Ducati so gut gemeint. Erst ein paar Runden in Mugello mit einer V4 R zum Warm fahren, Bremspunkte suchen. Und nun, erste Runde mit der Superleggera, Ende Start/Ziel, volle Brause, und der Bremspunkt passt überhaupt nicht mehr. Zu viel Speed. Puls und Adrenalinspiegel schnappen in die Höhe, die Bremsen packen zu als hätte die Duc einen Fanghaken ausgeworfen, liegt dabei wie hin betoniert und trifft den Einlenkpunkt zentimetergenau – Entwarnung für das Nervenkostüm.
Mit der dritten Superleggera nach 1199 und 1299 mit V2 hat Ducati nun auch ein superleichtes (auf italienisch "Superleggera") V4-Superbike auf die Räder gestellt und dabei wahrlich alle Register gezogen. Das beginnt bei der Basis: Die ohnehin schon exklusive V4 R, 40.000 Euro teures Homologationsmodell für die Superbike-WM, dient als Ausgangspunkt. Warum die V4 R mit 1000er und nicht die V4 S mit 1100er-V4? "Weil die Superleggera zwar straßenzugelassen ist, aber klar die Rennstrecke im Blick hat. Und die V4 R und ihr 1000er-Motor sind schon sehr stark auf diesen Einsatzzweck hin optimiert", erläutert Carlo Maccarini von der Ducati-Superbike-Entwicklungsabteilung. "Die Ingenieure durften mit einem weißen Blatt Papier beginnen und sich austoben".
Dabei müssen sie offenbar einen ungeheuren Tatendrang und noch mehr Spaß gehabt haben. Das Ergebnis: 159 Kg Trockengewicht treffen auf 224 PS. Das muss man erstmal setzen lassen. Leichter als ein WM-Superbike. Und das mit Straßenzulassung. Weil der V4 ohnehin vor Leistung und Drehfreude aus allen Nähten platzt, war eine zusätzliche Leistungsspritze überflüssig. Der Haltbarkeit kommt’s zugute. Immerhin dreht er bis zu astronomischen 16.500/min. Und seine 224 PS dürften mit dem Fliegengewicht ohnehin keine Mühe haben. Möglich wurde die extreme Gewichtskur durch den massenhaften Einsatz von Kohlefaser und Titan. Akrapovic-Komplettauspuff aus Titan – Ehrensache. Die meisten Schrauben sind ebenso aus Titan.
Den Vogel schießt aber das Chassis ab. Front- und Heckrahmen sind aus Kohlefaser, Schwinge und Räder ebenso. Klar, das kennt man zum Teil bereits, aber eben nicht mit Homologation. Das Ding darf so auf die Straße. Inklusive der monströsen Flügel an der Kohlefaser-Verkleidung, die von den 2016er MotoGP-Rennern abgeleitet und weiter verfeinert sind. Bei 270 km/h sollen sie 50 Kilogramm mehr Anpressdruck erzeugen. Das sind übrigens 60% mehr als bei der V4 R. Einfach mal zwei volle Bierkisten vorstellen, dann hat man eine ungefähre Vorstellung, was das in etwa bedeutet.
Natürlich sparen auch die Öhlins-Federelemente Gewicht ein. Etwa 600 Gramm tragen die NPX25/30-Gabel und der TTX36-Dämpfer mit seiner Titan-Feder zur Gewichtskur bei. Und auch der Motor hat noch etwas abgespeckt. So wurde beispielsweise die aus drei Pumpen bestehende Ölpumpeneinheit durch eine solche mit zwei Pumpen ersetzt – bei gleicher Förderleistung. Hierfür musste die Ölversorgung im Motor modifiziert werden. Wem das nicht reicht: Der mitgelieferte Race-Kit spart unter anderem dank Akrapovic Titan-Racing-Auspuff nochmals knapp sieben Kilo und setzt 234 PS frei, die dann auf nur noch 152,2 Kilo treffen.
Irre, wie der V4 das Fliegengewicht um die Strecke feuert, den Anstieg zur Arrabiata 2 hinauf zerrt. Wie aus dem Katapult geschossen, fegt die Superleggera über die 1,1 Kilometer lange Zielgerade hinweg. 300 km/h auf dem Tacho sind bereits kurz vor dem Zielstrich erreicht. Die kleine Kuppe hinauf, Anbremsen von San Donato kurz vor dem 200 Meter-Schild und ... die Brembo Stylema R-Bremszangen stauchen zusammen mit den 330er-Scheiben gnadenlos und fein dosierbar das Tempo zusammen. Runde für Runde. Auf der Superleggera macht Bremsen mindestens genau so viel Spaß wie Beschleunigen. Gewaltige Beschleunigung, brachiale Bremsleistung – das ist zwar spektakulär, aber das eigentlich Verblüffende ist, wie leicht die Superleggera dies umsetzt. Federleichtes Handling, fast müheloses Hinabtauchen in immer tiefere Schräglagen, dazu schafft sie es, dass man am Kurvenausgang stets die Linie noch etwas enger ziehen kann, wenn’s pressiert. Trotz der extremen Eckdaten verkneift sich die Superleggera jegliche Biestigkeit. Selbst beim harten Beschleunigen auf Start-Ziel genehmigt sie sich nur ein sachtes, weiches Pumpen am Heck. Die Federelemente liefern eine traumhafte Vorstellung ab, die Fahrwerksabstimmung ist großes Kino. Fast schon unheimlich dabei, wie sanft, fast unmerklich die neu abgestimmte Elektronik von Schräglagen-ABS bis Traktionskontrolle im Hintergrund über das Geschehen wacht.
Die Steifigkeit von Chassis und Frontrahmen wurden gegenüber der V4 R deutlich reduziert, was der Fahrbarkeit und dem Feedback zugutekommt. Dabei konnten die Techniker, beispielsweise bei der Elektronik, auch auf die Erfahrungen aus der MotoGP und der Superbike-WM zurückgreifen. Ähnliches gilt auch bei der um 15 mm längeren Schwinge. Kein kapriziöser Geradeauslauf, den noch die erste V4 zum Teil kannte, kein wild tänzelndes Heck bei derben Anbremsmanövern. Dazu die bezaubernde Leichtigkeit, mit der sie durch die schnelle Biondetti-Schikane huscht. Da hat die V4 R zuvor schon deutlich mehr Einsatz gefordert. Vom enormen Anpressdruck der Flügel spürt man nichts – außer, dass sie alle Situationen mit souveräner Lässigkeit meistert. Kein abhebendes, noch nicht mal ein leicht werdendes Vorderrad auf der Kuppe Ende Start-Ziel, gelassen bügelt sie in voller Schräglage über die Bodenwellen in der Arrabiata 1 und Correntaio hinweg. Dass der Pilot auch bei Top-Speed kaum etwas vom heranstürmenden Fahrtwind abbekommt, unterstreicht die gelungene Arbeit der Aerodynamiker.
Und die Pirelli-Slicks fügen sich da nahtlos ins Bild. Ausgeliefert wird die Superleggera mit speziell entwickelten Pirelli Diablo Supercorsa SP. Diese wurden auf die speziellen Anforderungen der Superleggera hin entwickelt – hinten mit einer von den Rennreifen abgeleiteten Gummimischung, die auch in einem höheren Temperaturfenster noch funktioniert. Vorne mit speziellem Design im Hinblick auf die zusätzliche Belastung durch den von den Flügeln erzeugten Anpressdruck. Doch hier und jetzt beim ersten Fahrtermin in Mugello sind Pirelli Slicks der Dimensionen 125/70 und 200/65 montiert, wie sie auch in der WM zum Einsatz kommen. Und die liefern Grip und Rückmeldung ohne Ende, beim Einbiegen auf der Bremse, wenn der V4 Mann und Maschine in fetter Schräglage die Arrabiata 2 hinauf und über die folgende Kuppe feuert. Die Superleggera flößt ihrem Piloten stets das Vertrauen ein, dass da noch mehr geht und das Limit noch weit entfernt ist. Sie wirkt bei aller Leichtigkeit stets abgeklärt und souverän.
Wo also ist der Haken? Den trägt die Superleggera in Form ihres Preisschilds: 100.000 Euro muss man locker machen, um ein Exemplar sein Eigen nennen zu dürfen. Und dazu ist die Serie auf 500 Stück limitiert. Doch ist man mit keinem anderen Serienmotorrad dichter dran an der Dynamik eines echten Renn-Superbikes – und das alles mit Straßenzulassung. Und wer den Unterschied doch selbst gerne erfahren möchte: Alle Käufer bekommen im Rahmen eines SBK Experience-Events die Möglichkeit, ein WM-Superbike zu fahren. Die erste Superleggera wurde übrigens heute am Tag ihrer Präsentation ausgeliefert.
Viel näher kann man an ein Motorrad aus der Superbike-WM nicht herankommen. Der Preis hat es natürlich in sich – Käufer erhalten allerdigs eine Supersport-Rakete mit den edelsten Bauteilen. Schade nur, dass nur 500 Personen in den Genuss kommen werden, diese tolle Ducati ihr Eigen nennen zu dürfen.