Rar, sündhaft teuer und zwischen Kunst und Kitsch schwebend: Aprilia und Ducati huldigen mit zwei limitierten Sondermodellen ihren extravaganten Superbike-WM-Helden Noriyuki Haga und Ben Bostrom.
Rar, sündhaft teuer und zwischen Kunst und Kitsch schwebend: Aprilia und Ducati huldigen mit zwei limitierten Sondermodellen ihren extravaganten Superbike-WM-Helden Noriyuki Haga und Ben Bostrom.
Warum hast du das zugelassen, Noriyuki? Da haben wir alle inständig gehofft, mit deiner Replika endlich auch so gut driften zu können wie du und jetzt das: Sie driftet nicht. Kann ja auch nicht. Dicke Dunlop-Aufkleber auf die 17999 Euro teure Haga-Mille R draufpappen und dann einfach Pirelli Supercorsa auf die geschmiedeten OZ-Felgen ziehen was hat sich Aprilia bloß bei der auf 300 Stück limitierten Serie gedacht? Jeder nur halbwegs rennsportbegeisterte Mensch weiß doch: ohne Dunlops keine Drifts, keine atemberaubende Haga-Show (www.haga-bros.com).
Mit seinem aggressiven Fahrstil fuhr sich auch ein anderer direkt in die Herzen der Fans: Ben Bostrom (www.benbostrom155.com). Honda würde seinem Superbike-Protagonisten Colin Edwards in hundert kalten Wintern keine Replika widmen. Ducati machts für Ben schon nach seinem zweiten Jahr im Werksteam. Was weniger damit zusammenhängt, dass er bei den Mädels so verdammt gut ankommt. Five in a row fünf Laufsiege in der WM hintereinander im vergangenen Jahr waren für die Italiener Anlass genug. Limitiert auf 155 Stück, passend zur Startnummer, 23000 Euro teuer. Ducati zeigt sich bei der Wahl der Erstbereifung der Bostrom-998S stilsicherer: Dunlop D 207 RR. Weil Ben nämlich ohne Dunlops seines Lebenselixiers beraubt ist. So geschehen in der Saison 2000, als er trotz allerfeinster Michelin-Pneus todtraurig im Mittelmaß versank. Mit Dunlop kam das Selbstvertrauen zurück.
Davon braucht auch Otto Normalverbraucher neben einem gut gefüllten Geldbeutel eine gehörige Portion. Beide Replikas sind nämlich nix für Leute, die am Motorradtreff dezent in der letzten Reihe parken, sondern eher was für Lichtgestalten. Beispielsweise für Menschen, die bei Renntrainings die italienische Hymne abspielen und ehrfürchtig vor ihrer Ducati niederknien. So geschehen, neulich in Oschersleben. Zwar sind beide Replikas dank ihrer serienmäßigen ABE-Schalldämpfer für die Fahrt auf öffentlichen Straßen gerüstet, die Ducati aber nur als Einsitzer. Und im Falle dieser Bostrom-998S wollte der deutsche Ducati-Importeur mal zeigen, was das Zubehörregal zu bieten hat und staffierte das Testfahrzeug mit diversen Teilen aus. Dazu gehören auch eine geänderte Zündbox nebst Termignoni-Titan-Schalldämpfer. Letztere kommen ihrem Job nur höchst nachlässig nach. Um es kurz zu fassen: Diese 998 S klingt wie Godzilla. Was einem unweigerlich wohlige Schauer den Rücken herunter jagt. Atemberaubend, wundervoll, dieser Bass. Eine Symphonie. So müsste eigentlich jede Duc ertönen. Ist aber leider illegal.
Auf dem kleinen Kurs in Hockenheim stört sich dagegen kein Gesetzeshüter am Bollern der beiden Twins. Da darf auch die Aprilia dank der beiden wunderschönen Akrapovic-Racing-Schalldämpfer ihr beeindruckendes Klangrepertoire hinausposaunen. Ebenfalls im Racing-Kit enthalten: ein anderes Eprom und das viel beschriebene 16er-Ritzel, auf der Rennstrecke hoch willkommen. Verhilft dieser Kit der Aprilia doch zur einer kleinen Leistungssteigerung (siehe Diagramm Seite 25) im mittleren Drehzahlbereich, mit deren Hilfe sie den Anschluss zur bärenstarken Ducati halten kann. Solange die Gerade nicht zu lang wird. Dann nämlich spielt die Ducati mit ihrem aus der letztjährigen 996 R bekannten Testastretta-V2 ihre Mehrleistung gnadenlos aus. Bens Rennmaschine soll ja über mehr als 185 PS verfügen, doch für einen Normalsterblichen reichen schon die gemessenen 141 in jeder nur erdenklichen Lebenslage aus. Was für ein sagenhaftes Ansprechverhalten, welche Laufkultur. Auch unter der 3000/min-Marke geht dieser Twin sauber und minutiös dosierbar ans Gas, drückt einen mit ungeheurer Macht aus den Ecken heraus, verliert auch vor dem weichen Einsatz des Begrenzers nichts von seiner schieren Drehfreude. Schnell wächst das Vertrauen in dieses Motorrad ins beinahe Grenzenlose. Besonders beeindruckend, wie viel Gefühl einem die fein ansprechende Öhlins-Gabel fürs Vorderrad vermittelt. Ob sie den Aufpreis zur Showa-bestückten Basis-998S rechtfertig? Eine rhetorische Frage. Wenn schon Replika, dann richtig.
Ernüchterung beim harten Anbremsen. Nicht wegen der superben Brembos. Hat die Haga-Mille auch. Die mit den vier Einzelbelägen je Bremszange. Nein. Aber während Bens Motorrad beim Hineinbremsen regelmäßig spektaktulär schlingert, rührt sich bei seiner Replika rein gar nichts. Trotz der Dunlop-Pneus. Die im übrigen eine prima Wahl sind, wenngleich Ducati hinten trotz 5,50-Zoll-Felge auf einen überbreiten 190er setzt. In tiefen Schräglagen wirkt die Bostom-Replika deshalb etwas kippelig.
Keine Spur davon auf der handlicheren Mille R. Kurven sehen, bremsen, abwinkeln, das Knie schraddeln lassen, das ist bei ihr ein höchst homogener Ablauf. Sie fährt sich leichter, bequemer, lässt dem ambitionierten Amateur mehr Zeit, sich auf die Strecke zu konzentrieren. Na gut, dieses Stoische der Duc, das geht ihr etwas ab. Trotzdem sie wie die Konkurrentin nahtlos auf Öhlins-Fahrwerkskomponenten setzt. Gabel, Lenkungsdämpfer, Federbein, alles made in Sweden. Alles vom Feinsten. Nur, dass die Replika nicht so schön driftet, wie Hagas Werksrenner. Klar. Sind ja auch Supercorsa drauf. Die wollen mit ihrem gewaltigen Grip nicht seitwärts marschieren.
Einfach vorwärts. Oder sollte das mit dem Schlingern und dem Driften etwa doch an den Fahrern liegen?