Fahrbericht Bimota DB7
Pfeilschnelle Preziose

Genie und Wahnsinn – Bimotas, die vor 2000 entstanden, trugen beides zu etwa gleichen Teilen in sich. Heute ist das aufreibende Begriffspaar tabu. Statt-dessen übt sich die vor fünf Jahren neu gegründete Motorrad-Manufaktur in der Verbindung von Schönheit und Funktion.

Pfeilschnelle Preziose
Foto: Jahn

Schon vor dem Fahren war klar: Die Bimota db7 ist – zuallererst für Bimota selbst – ein bedeutendes, ja epochales Motorrad: Das erste starke Superbike der neueren Firmengeschichte, die im Jahr 2003 beginnt. Fast fünf Jahre lang hat der kleine Hersteller aus Rimini Zweiventilmotoren von Ducati als Antrieb verwendet, sich mit Leistungen von um die 100 PS begnügt und sich Zeit genommen für die Maschine mit dem Ducati-Vierventiler.

Jetzt steht sie da und lässt schon nach dem ersten Druck auf den Anlasserknopf Erstaunliches von sich hören. Einen zwar immer noch kräftigen, doch im Vergleich zur Ducati 1098 dezenten 90-Grad-V2-Schlag. Niedertourig, doch ohne Ruckeln treibt der Testastretta Evoluzione das fühlbar leichte Fahrzeug die Boxengasse hinunter, hinaus auf die Rennstrecke von Magione. Ein Kurs, dessen weit herumgezogene Bögen, kniffligenge Passagen und doppelte Wechselkurven den Eindruck einer kleinen Mickymaus-Strecke erwecken, für dessen Umrundung aber selbst die Schnellsten mit einer Superstock-db7 zwei Minuten und 14 Sekunden benötigen. Der Autor brauchte acht Sekunden länger. Denn zu Anfang lief es gar nicht rund. Ausgeprägte Bodenwellen störten die Linienwahl, die passenden Gänge für die jeweiligen Passagen waren noch nicht gefunden. In dieser Phase der Testfahrten bewährte sich die von Bimota selbst erarbeitete Abstimmung des 1098-Motors, der ja ein 1099er ist. Nötig geworden war die Eigenentwicklung des Kennfelds wegen der anderen Auspuffkonstruktion und weil die Platzverhältnisse im Bimota-Chassis eine neue Airbox erforderten.

Wie schon beim Auspuffgeräusch gab sich der Motor mit der neuen Peripherie und Abstimmung weniger aggressiv als die originale Ducati-Konfiguration. Die Leistungsabgabe scheint dem Ideal linearer Entfaltung wesentlich näher zu kommen. Selbst aus unter 3000/min im zweiten Gang feuerte der V2 die Bimota vehement auf die folgende Gerade hinaus, wo er unter Vollgas spritzig ausdrehte. Und die Lastwechsel vollzogen sich stets geschmeidig. Das mag abseits der Rennstrecke, wo strengere Maßstäbe gelten, etwas anders empfunden werden, doch zunächst fehlt es der db7 motorisch an gar nichts. Zwar beinhaltet diese gelungene Vorstellung nicht die Garantie, dass die Motorabstimmung unter allen Umständen – kühles oder gar kaltes Wetter, ausgeprägte Höhenlagen – genauso gut funktioniert wie im 35 Grad heißen, niedrig gelegenen Magione, doch ein vielversprechender Anfang ist gemacht.

Unsere Highlights

Abgefahren

Jahn
Die pfeilschnelle Bimota ist eine Sünde wert, aber auch sündhaft teuer.

Auf Wunsch des Testers demontierten die Mechaniker für den zweiten Turn den Lenkungsdämpfer. Wie sich zeigte, entwickelt er schon in der leichtesten Einstellung erhebliche Dämpferkräfte, die das feine Gefühl für die Lenkung beeinträchtigt hatten. Das ist bei der db7 bedeutsam, weil der Fahrer betont vorderradorientiert sitzt. Obgleich der Lenkkopf ein halbes Grad flacher steht als bei der Ducati 1098, reagiert die Bimota nervös, wenn ein strammer Dämpfer den Fahrer zu heftigeren als den eigentlich nötigen Lenkbewegungen provoziert.

Mit leichtgängiger Lenkung und etwas mehr Federvorspannung vorn ging die DB7 immer noch so zackig in Schräglage wie ein Kunstflieger in eine gerissene Rolle, ließ sich aber präzise steuern. Damit begann endgültig der vergnügliche Teil des Testtages. Ob in der schnellen Doppelrechts am Ende der Geraden, einer Rechts-Links-Rechts-Links-Kombination, in der das Motorrad von einer Maximalschräglage in die nächste geklappt wird oder einem verschlungen-langsamen Stück, das wie eine Tempo-30-Zone in der Strecke liegt – die DB7 ermöglichte begeisternde Manöver.

Die stärkere Federvorspannung vorn kam ihr auch beim Bremsen zugute. Zwar lupfte sie unter dem gewaltigen Zugriff der Monobloc-Bremszangen von Brembo immer noch rasch das Heck, doch mit einem Lidschlag mehr Zeit bis zum Abheben ließ sich deren Biss tendenziell besser dosieren. Für den Straßenbetrieb, insbesondere wenn man mit dem Schmuckstück doch einmal in einen Regenschauer gerät, wäre eine mildere Auslegung der Bremse, etwa mit weniger aggressiven Belägen, eine gute Tat. Für die Rennstrecke passte sie so, wie sie war. Zumal mit Conti Race Attack neuester Produktion Reifen des passenden Kalibers montiert waren. Die vorsichtshalber gewählte Ausführung mit weicher Mischung hatte unter der Hitze zwar sichtlich zu leiden, ließ aber kein schwammiges Fahrgefühl entstehen und hielt ein hohes Gripniveau. Die bisweilen schwierige Schaltarbeit auf der kurvigen Strecke wurde unterstützt durch ein Schaltgestänge mit geänderter Geometrie. Der Hebel auf der Schaltwelle ist länger als bei der Ducati 1098, wodurch die Bedienkräfte geringer werden, der Hebelweg im Gegenzug etwas größer. Insgesamt der bessere Kompromiss.

So erreichte die db7, dass beim Fahren genau das in den Hintergrund trat, was bei ihr im Stand doch stets so augenfällig wird: die edle Anmutung der vielen aus dem Vollen gefrästen Aluminiumteile, die liebevolle Ausführung der Lackierung, die Sorgfalt der Elektro- und Kühlwasserinstallation. Ein Beweis dafür, dass ihre Entwickler die funktionale Seite des Motorradbaus genauso ernst genommen haben wie die ästhetische. Die gelungene Verbindung von beiden kommt am deutlichsten beim freitragenden, geschlossenen Karbonheck zum Ausdruck. Stabil konstruiert, nach allen Regeln der Kunst ausgeführt und aufwendig lackiert ist es wirklich eine ganze Epoche weiter als die labile Konstruktion der ersten SB6- und SB7-Exemplare. Mit dieser db7 – und die Betonung bleibt bis auf weiteres auf "dieser" – hat Bimota einen hohen Standard gesetzt. Trotz der manufakturiellen Fertigung, die meist größere Serienstreuungen mit sich bringt, sollten die Verantwortlichen ihn unter allen Umständen halten. Er ist der rund 27000 Euro teuren db7 ebenso angemessen wie der ganzen Firma.

Aufgefallen

+ Plus
- Motor läuft und klingt kultiviert
- Leistung entfaltet sich linear
- Verarbeitung vom Feinsten

- Minus
- Preis schmerzhaft hoch
- Lenkungsdämpfer ziemlich stramm

Technische Daten Bimota DB7

Motor
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, je eine oben liegende, zahnriemengetriebene Nockenwelle, vier Ventile pro Zylinder, desmodromisch betätigt, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, ø 60 mm, geregelter Katalysator, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Trockenkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.

Bohrung x Hub 104,0 x 64,7 mm
Hubraum 1099 cm³
Verdichtungsverhältnis 12,5:1Nennleistung117,6 kW (160 PS) bei 9750/min
Max. Drehmoment120 Nm bei 8000/min.

Fahrwerk
Gitterrohrrahmen aus Stahl mit gefrästen Aluplatten, Upside-down-Gabel, ø 43 mm, Zweiarmschwinge aus Stahl mit gefrästen Aluplat-ten, Zentralfederbein mit Hebelsystem, Doppelscheibenbremse vorn, ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, ø 220 mm, Zweikolben-Festsattel.

Alu-Gussräder 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 190/55 ZR 17

Maße+Gewichte
Radstand 1435 mm, Lenkkopfwinkel 65,0 Grad, Nachlauf 100 mm, Federweg v/h 120/120 mm, Sitz-höhe 800 mm, Trockengewicht 170 kg, Tankinhalt 16,0 Liter.Garantiezwei Jahre

Farben Rot/Weiß
Preis26880 Euro

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023