Fahrbericht Bimota Vdue Evoluzione
Die Zveite

Die Vdue lebt, dieses Mal mit Vergasern statt kapriziöser Direkteinspritzung. Exklusive Fahreindrücke aus Italien.

Rückblende: Juli 1997, erste Möglichkeit für MOTORRAD, den einzigartigen Zweitakter der italienischen Edelschmiede Bimota zu fahren. Faszinierend, aber noch nicht ausgereift, lautet das Urteil. Die Benzin-Direkteinspritzung der Hoffnungsträgerin bereitet Probleme. Die bittere Konsequenz: Alle bereits ausgelieferten Vdue werden zurückgerufen, das finanziell gebeutelte Unternehmen steht 1998 am Rand des Abgrunds. Die Italiener geben jedoch nicht auf. Mit neuem Kapital und neuer Führungsmannschaft meldet sich Bimota zurück.
Italien, Rennstrecke Magione, 4. November 1999, eine kleine Journalisten-Schar soll sich ein Bild machen von der überarbeiten Vdue Evoluzione, einer Rennversion der Bimota Tropheo, die auch nach Deutschland kommen wird. Noch vor ihrer offiziellen Präsentation auf der Motor Show in Bologna, obwohl es sich noch um Versuchsmotorräder handele. Erstaunlich. Normalerweise lässt sich da kein Hersteller der Welt gern in die Karte gucken.
Der Asphalt des winkeligen Kurs ist noch feucht. Zeit genug, sich mit den technischen Änderungen vertraut zu machen. Die wichtigste: Anstelle der Direkteinspritzung, an deren Weiterentwicklung mit Hochdruck gearbeitet wird, übernehmen bei der Tropheo zwei 39er-Dellorto-Vergaser die Gemischaufbereitung. Neben der Airbox und der Verkleidung wurde auch die Kolben und die Elektronik grundlegend überarbeitet. Die Auspuffanlage änderte Bimota mit dem Ziel, ein möglichst breites nutzbares Drehzahlband zu erhalten. Denn die Due soll auch für einen normalsterblichen Piloten uneingeschränkt fahrbar sein.
Wer nun glaubt, es wäre ein Kinderspiel einen Zweitakter vom Schlage einer Vdue zu bewegen, der irrt gewaltig. Spät bremsen, spitz einlenken und schon im Kurvenscheitelpunkt wieder ans Gas, so lautet der Ratschlag von MOTORRAD-Tester Markus Barth, als er die Due an der Box übergibt. Die ersten Runden sind ein respektvolles Abtasten, denn immerhin verspricht Bimota 110 PS bei unter 180 Kilogramm Kampfgewicht. Der Arbeitsplatz? Nahezu perfekt. Gut gekröpfte Lenkstummel, enger Knieschluss, richtig positionierte Fußrasten. Zum ersten Mal mit zügigem Tempo auf die lange Gegengerade beschleunigen. Der Drehzahlmesser setzt immer wieder aus. Ab ungefähr 7000/min setzt gut kontrollierbarer Schub ein, der jedoch nur geschätzte 2500/min anhält.
Und dann der erste Schreck beim Anbremsen. Nicht, weil sich der Druckpunkt der Brembo-Anlage sehr teigig anfühlt, sondern weil die Bremswirkung des Motors fehlt, die betont weich abgestimmt Gabel unter einem wegtaucht und das Ende der Gerade bedrohlich nahe rückt. Hinten unbedingt bremsen, hatte Markus gesagt. Das Einlenkenverhalten? Gewöhnungsbedürftig: Die mit klebrigen Michelin Pilot Race bestückte Bimota stellt sich beim Bremsen in Schräglage auf. Löst man die Bremse, fällt die Vdue förmlich in die Kurve. Ohne diese Eigenart würde das spielerische Handling der Due deutlich besser zur Geltung kommen. Ebenso ungewöhnlich: das Verhalten am Kurvenausgang. Zu spätes Gasgeben, also alles kurz nach dem Scheitelpunkt, quittiert der Motor mit verzögerter, unwilliger Gasannahme, unter 5000/min fehlt der Vortrieb völlig. Fasst man sich ein Herz und geht früher ans Gas, richtet sich die Bimota unter betörendem Gebell aus ihren Racing-Endstücken schlagartig wieder auf. Vom teils unkontrollierten Leistungseinsatz des »alten« Direkteinspritzers ist jedoch nichts zu spüren. Aber: Die von den Technikern fett bedüsten Test-Due sind gefühlsmäßig ein gutes Stück von den versprochenen 110 PS entfernt. Weitere Marotten aller drei von MOTORRAD gefahren Bimota: Ab und an sprang unter Last ein Gang des sich hart schaltenden und gut abgestuften Kassetten-Getriebes heraus und die Paioli-Gabel verlor deutlich Öl.
So faszinierend die Vdue auch sein mag, die grundlegende Probleme wie die Motorabstimmung muss Bimota bis zur Auslieferung der ersten Tropheo-Versionen in den Griff bekommen, will man nicht ein zweites Desaster mit diesem Zweitakter erleben. Das wäre dann wohl das endgültige Aus für die Due.

Unsere Highlights

Technische Daten - BIMOTA 500 Vdue Evoluzione

DatenMotor: Wassergekühlter Zweizylinder-Zweitakt-90-Grad-V-Motor, zwei, über Zahnräder gekoppelte, querliegende Kurbelwellen, Membraneinlaß ins Kurbelgehäuse, Auslaßsteuerung über mechanisch betätigten Schieber, Getrenntschmierung, Dellorto-Schiebervergaser, Ø 39 mm, kontaktlose Transistorzündung, keine Abgasreinigung, E-Starter, Batterie 12 V/12 Ah.Bohrung x Hub 72 x 61,25 mmHubraum 499 cm³Verdichtungsverhältnis 12 : 1Nennleistung k.A.Max. Drehmoment k.A.Kraftübertragung: Primärantrieb über Zahnräder, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Trockenkupplung, Sechsgang-Kassettengetriebe, O-Ring-Kette.Fahrwerk: Brückenrahmen aus Alu-Rohren, Telegabel, Standrohrdurchmesser 46 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Alu-Profilen, 0, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Vierkolbensättel, schwimmend gelagerte Bremsscheiben, Ø 320 mm, Scheibenbremse hinten, Einkolbensattel, Ø 230 mm.Alu-Gussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17Reifen 120/70 ZR 17; 180/55Z R 17Fahrwerksdaten: Radstand 1340 mm, Lenkkopfwinkel 67 °, Nachlauf 89 mm, Federweg v/h 120/130 mmMaße und GewichteSitzhöhe 805 mmGewicht trocken 160 kgZulässiges Gesamtgewicht* Tankinhalt/Reserve 20 LiterGarantie ein Jahr ohne KilometerbegrenzungFarben Rot/Weiß/GrünPreis k.A.

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Erscheinungsdatum 15.09.2023