BMW und Supersportler noch vor wenigen Jahren galten diese Begriffe als völlig unvereinbar. Heute entwickeln die Bayern mit Hochdruck einen leichten, starken Vierzylinder. Und haben den stärksten und sportlichsten Boxer aller Zeiten auf die leichten Räder gestellt.
Dieser Ton besitzt Kraft, Volumen, Tiefe. Und eine Regelmäßigkeit, die selbst dann keine Hektik aufkommen lässt, wenn sich der Rhythmus bis zum Stakkato fast fünfstelliger Drehzahlen steigert. Er stammt von einem Zweizylinder-Boxermotor, dessen gleichmäßige Zündabstände das Fundament des Klangs bilden, 1170 cm, Ausgleichswelle, typisch BMW.
Doch schon die ersten Meter auf dem Ascari-Kurs nahe Ronda in Südspanien lassen aufhorchen und aufmerken. Viel energischer als von R 1200 GS, R oder RT gewohnt, kurbelt sich dieses Triebwerk hinauf zu hohen Drehzahlen. Die niedrigen sind nicht sein bevorzugtes Metier.
Der HP2-Boxer verdankt es hauptsächlich seinen neuen Zylinderköpfen mit zwei oben liegenden Nockenwellen und radial angeordneten Ventilen, dass er bis 9500/min drehen kann und 133 PS entwickelt. Wer diese Köpfe mit ihrer feinen Mechanik und den gefrästen Einlasskanälen studiert und dann die HP2 tatsächlich fährt, sieht die Kompromisslosigkeit der Technik im Charakter des Motors widergespiegelt.
Er fordert in Sachen Leistungscharakteristik die entsprechenden Drehzahlen, in Sachen Lastwechsel klare Entscheidungen. Was jetzt, Gas auf oder zu? Das typische Hin und Her in Momenten der Unsicherheit überspielt er nicht so konziliant wie seine diplomatischer veranlagten Kollegen. Die mit vollem Tank 200 Kilogramm schwere HP2, knackig gefedert und straff gedämpft, besitzt die typische spröde Leichtigkeit und Handlichkeit eines modernen Sportmotorrads. Etwa in Wechselkurven bei schon verschärftem Tempo: Während BMWs Allround- und Touren-Boxer die Phasen dieses Manövers fast schon behaglich mit Aus-, Ein-, Vor- und Nachfedern zelebrieren, klappt die HP2 nur kurz und trocken um zu einem nicht geringen Teil ein Verdienst der leichten Räder. Vorsicht, nicht so stark am Lenker reißen, sonst dreht die Sport zu eng ein. Mit der Gewöhnung an die geforderten Lenkkräfte erschließt sich der ganze Schräglagenbereich bis zum Aufsetzen der Zylinderdeckel, ohne dass das Motorrad träge oder kippelig erscheint. In den anschließenden Beschleunigungsphasen bleibt der sportlichste aller Boxer auf der engen Linie. Die kleinsten Anzeichen von Hinterradrutschern sind zweifelsfrei zu spüren
Nur eine Merkwürdigkeit gestattet sich die HP2 und dies auch nur für eine etwas längere Gewöhnungsphase: Durch den weitgehenden Bremsnickausgleich des Telelevers taucht sie vorn selbst beim harten Ankern kaum ein und wirkt deshalb beim Einlenken in langsame Kurven ein wenig hoch. Wobei sie, zumal für verschärften Rennstreckenbetrieb, keinesfalls abgesenkt, sondern vorn und hinten eher noch zwei Zentimeter höher gestellt werden sollte. Zugunsten der Schräglagenfreiheit. Laut Auskunft der Rennprofis und Entwicklungsfahrer Jürgen Fuchs und Rico Penzkofer schadet diese Einstellung den Lenkeigenschaften nicht. Mit den äußerst haftfähigen Metzeler Racetech K3 als Erstbereifung touchierten gelegentlich die Zylinderdeckel. Konsequentes Hanging-Off ist geboten, außerdem empfiehlt sich stets ein Sicherheitsabstand zu den Innencurbs.
Es spricht für die enorme Leistungsfähigkeit der Brembo-Monoblocs mit Radialpumpe, dass die Hinterhand trotz des Nickausgleichs vorn bei harten Bremsmanövern rasch den Bodenkontakt aufgibt. Geringe Handkräfte reichen aus, das Motorrad fürchterlich zusammenzustauchen. Die HP2 schwänzelt dabei ein wenig um die Lenkachse oder hebt gar spürbar das Heck. Mit dem angekündigten, speziell abgestimmten ABS war noch keine der Präsentationsmaschinen ausgerüstet. Wenig Zeit blieb dem Tester für die Beschäftigung mit dem zentralen Anzeigeinstrument. Die LED-Reihe am oberen Rand war bereits auf den Alarm bei der richtigen Schaltdrehzahl programmiert, das genügte als Ergänzung für den nicht optimal ablesbaren Drehzahlmesser. Ambitionierte Fahrer, die radikal objektiv ihre Schwächen erfahren möchten, können das D2-Instrument als veritables Datarecording nutzen.
Rundenzeiten, Drehzahlen, Vollgasanteil und mit zusätzlichen Sensoren sogar GPS-Aufzeichnung der gefahrenen Runden sind nur einige der möglichen Funktionen. Konsequent genutzt schafft das Instrument den gläsernen Fahrer. Ob der am Ende dadurch schneller wird, steht dahin. Das 2D-Cockpit hat aber ebenso wie die anderen hochwertigen Teile, die den Preis auf über 20000 Euro treiben, noch eine symbolische Bedeutung. »Wir meinen es ernst mit dem Thema Supersport«, lässt BMW durch solche Features ausrichten. Es spricht für die HP2, dass sie dieses Bekenntnis auch einfach so, beim Fahren, bestätigt.
Motor: luft-/ölgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor, eine Ausgleichswelle, je zwei oben liegende, kettengetriebene Nockenwelle, vier Ventile pro Zylinder, Schlepphebel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 52 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 480 W, Batterie 12 V/12 Ah, hydraulisch be-tätigte Einscheiben-Trockenkupplung, Sechsganggetriebe, Kardan.
Bohrung x Hub101,0 x 73,0 mm
Hubraum1170 cm³
Verdichtungsverhältnis12,5:1
Nennleistung97,8 kW (133 PS) bei 8750/min
Max. Drehmoment 115 Nm bei 6000/min
Fahrwerk: tragender Motor-Getriebe-Verbund, längslenkergeführte Telegabel, Ø 41 mm, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Zweigelenk-Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Fest-sättel, Scheibenbremse hinten, Ø 265 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel.
Alu-Gussräder3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen120/70 ZR 17; 190/55 ZR 17
Maße und Gewichte: Radstand 1487 mm, Lenkkopfwinkel 66,0 Grad, Nachlauf 86 mm, Federweg v/h 105/120 mm, Sitzhöhe 830 mm, Trockengewicht 178 kg, Tankinhalt/Reserve 16,0/4,0 Liter.
Gewährleistungzwei Jahre
FarbenWeiß/Schwarz
Preis steht noch nicht fest, dürfte aber zwischen 21000 und 23000 Euro liegen