Fahrbericht: BMW S 1000 RR

Fahrbericht: BMW S 1000 RR 2012 BMW aktualisiert seinen Supersportler

Mit der BMW S 1000 RR hat bei den Sportmotorrädern fraglos eine neue Zeitrechnung begonnen. Sie ist derzeit die Messlatte. Damit das so bleibt, präsentierte BMW die erste Überarbeitung.

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Wenn schon, denn schon, hieß die Devise, mit der man das Superbike entwickelte. Keine halben Sachen. Die logische Konsequenz: Mit kolossaler Spitzenleistung und einem nie da gewesenen Elektronikpaket düpierte sie bei ihrer Markteinführung die Konkurrenz, begeis-ter-te die Sportfans und wirbelte die bestehende Hackordnung bei den Superbikes durcheinander. Der Rest der Geschichte ist bekannt. An der S 1000 RR biss sich die Konkurrenz bei Vergleichstests nicht nur in Deutschland bislang die Zähne aus.

Doch wo viel Licht ist, findet sich in der Regel auch Schatten. Denn bei aller Überlegenheit, perfekt ist auch die BMW nicht. Und Stillstand ist im schnelllebigen Sportgeschäft mehr als anderswo Rückschritt. Also machten sich die Entwickler erneut ans Werk. Im Zuge der Modellpflege haben sie nicht nur an Lenkungsdämpfer, Gasbetätigung und Gasannahme, sondern auch an Handling, Durchzug und den elektronischen Helfern ABS und DTC (Dynamic Traction Control) gefeilt. Und somit deutlich kräftiger Hand an die BMW angelegt, als es das nur sacht überarbeitete Äußere ahnen lässt. Denn lediglich der zierlichere Höcker und kleine Winglets an der Seitenverkleidung weisen auf die Überarbeitung hin.

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Die Boxenampel des Circuit de Valencia, wo vor einer Woche die Yamaha YZF-R1 ihre Visitenkarte abgab, springt auf Grün. Hinein ins Vergnügen. Die erste Erkenntnis folgt, noch ehe das Ende der Boxengasse erreicht ist: Der neue, in zehn Stufen einstellbare Lenkungsdämpfer agiert bei langsamer Fahrt fein und unauffällig. Raus geht’s auf die Strecke. Die serienmäßigen Metzeler Racetech K3 glänzen noch speckig und neu, also erst einmal sachte warmfahren. Und weil wir uns wohl daran gewöhnen müssen, dass moderne Superbikes mehr Rechnerkapazität mit sich herumtragen als Apollo 11 seinerzeit, wird es jetzt etwas technisch. Nach wie vor sind vier Einspritz-Modi an Bord: Rain, Sport, Race und Slick.

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BMW S 1000 RR 2012.

Für das Einrollen sollte der Rain-Modus genügen. Immerhin stellt er jetzt 163 anstatt 152 PS parat. Und dass er diese Leistung erst bei geringeren Schräglagen als 38 Grad freigibt, ist mit neuen kalten Reifen sicher kein Fehler. Statt vier Kennlinien für die Gasannahme besitzt die BMW jetzt nur noch zwei. Eine sehr sanfte für "Rain", eine direktere für die übrigen drei Modi, die jetzt auch im Race- und Slick-Modus für feineres Lastwechselverhalten sorgen soll.

So, die Reifen sind langsam auf Temperatur, die Fesseln des Rain-Modus abgestreift, Feuer frei. Gab es zuvor zwei Leistungskurven, eine eingedampfte für "Rain" und eine offene für die übrigen Modi, kam jetzt noch eine dritte für den Sport-Modus hinzu. Mit voller Leistung zwar, aber etwas zahmerem Drehmomentanstieg. In den Genuss der vollen Power und des gestärkten Drehmomentanstiegs kommen somit nur die zwei schärfsten Stufen Race und Slick. Für mehr Drehmoment bei mittleren Drehzahlen soll neben einem größeren Ram-Air-Einlass mit überarbeiteter Airbox auch die optimierte Auspuffanlage sorgen. Vor allem aber dürfte die Durchzugskraft von der um einen Zahn gekürzten Endübersetzung profitieren. Das größere Kettenblatt sorgt dazu bei gleicher Kettenlänge für rund neun Millimeter weniger Radstand.

Aber keine Bange, der BMW-Vierer ist dadurch kein glatt gebügelter Gummibandmotor geworden. Nach wie vor wird er über 8000/min zum Tier. Er zerrt oben raus voran wie der Teufel, dass es das Vorderrad immer wieder ungestüm gen Himmel zieht. Die neu abgestimmte Wheelie-Erkennung (im Slick-Modus nicht aktiv) holt es zwar noch immer nicht butterweich, aber mit spürbar sanfteren Regelvorgängen als bisher wieder auf den Boden zurück. Lädt man, davon angespornt, beim Einbiegen auf die Zielgerade die Gänge richtig durch, sollte man allerdings nicht zu verkrampft am Lenker hängen, weil dies sonst leicht für Unruhe sorgt. Auf der Habenseite: der leichtgängigere Kurzhub-Gasgriff und die feineren Manieren beim Gasanlegen, was man spätestens im nächsten Kurvenscheitel zu schätzen lernt, wenn es gilt, die Power wohldosiert einzusetzen.

Wer es in Schräglage vor lauter Eifer dann doch mal übertreibt, den fängt die Traktionskontrolle, die auf feineres Regeln getrimmt wurde, sicher wieder ein. Allerdings sorgte der ansonsten mit prächtigem Grip glänzende Racetech K3 während des Regelns der DTC hin und wieder für ein spürbares Pumpen der Hinterhand. Mit Rennpellen soll dieses Phänomen laut BMW beseitigt sein. Wir werden es überprüfen. Nur am Ende des Testtages, mit probehalber weit zugedrehter Druckstufe am Federbein, sorgte dann ein mächtiger Rutscher in einer lang gezogenen Linkskurve für erhöhtes Herzklopfen beim Tester.

Die BMW S 1000 RR 2012.

Das Auslesen des optionalen 2D-Data-Recordings (590 Euro) zeigte aber, dass die Elektronik per Ride by Wire bereits vor der Gashand des Fahrers die Drosselklappen geschlossen und damit den Slide abgefangen hatte. Überhaupt kommen Rennstreckenfreunde bei der BMW ab 2012 noch stärker auf ihre Kosten. Der Laptimer im jetzt dimmbaren Cockpit zeigt via grünem Lämpchen in Echtzeit in 100-Meter-Intervallen an, ob der Fahrer gerade schneller unterwegs ist als in der Runde zuvor.

Und wer es auf der Rennstrecke wirklich wissen will, dem bietet das BMW-eigene Zubehörprogramm nicht nur Leckereien wie einen Renn-Kit mit Akrapovic-Titan-Auspuff und speziellem Steuergerät (2900 Euro) oder verschiedene Renn-Support-Pakete an. Sondern gar einen Race-Calibration-Kit (990 Euro), mit dem sämtliche Parameter von Motorsteuerung und DTC individuell eingestellt werden können. Wirklich nötig hat die BMW so ein Fitnessprogramm aber nicht. Denn auch im Serientrimm genügt ihre Kraft, um auf der relativ kurzen Geraden mit 260 km/h (GPS) in die Bremszone zu schießen.

Dort kann sich der Pilot auf wie gewohnt brutal zupackende Bremsen und ein souveränes ABS verlassen. Von dessen Eingreifen spürt der Pilot nur ein winziges Zucken im Handhebel. Gewöhnung bedarf höchstens die neu abgestimmte Motorbremse, die vor allem im Slick-Modus das Motorbremsmoment zu Beginn der Bremsung deutlich reduziert.

Über eine Neuerung dürften sich allerdings nicht nur Rennstrecken-Heizer freuen. Rangierte die BMW unter den Superbikes beim Handling bislang eher im Mittelfeld, sollen ihr diesbezüglich diverse Fahrwerksänderungen auf die Sprünge helfen. Auch wenn das die Eckdaten auf dem Papier zunächst nicht vermuten lassen. Denn mit 66 Grad (vorher: 66,1 Grad) blieb der Lenkkopfwinkel praktisch gleich. Allerdings haben die Techniker Rahmen samt Motor um die Schwingenachse etwas nach hinten gedreht und so die Front um fünf Millimeter angehoben. Ein neues Gussteil für den Lenkkopf bringt den dadurch flacher gewordenen Lenkkopfwinkel wieder ins Lot. Durch geringeren Offset der Gabelbrücken wuchs dazu der Nachlauf um 2,5 Millimeter. Und tatsächlich witscht die BMW munter wie ein Delfin durch die Kurvenfolgen, tadellos ausbalanciert, verlangt nur wenig Kraft, um auf Kurs zu bleiben oder durch enge Schikanen zu eilen. Die überarbeiteten Federelemente sorgen, nachdem das Setup angepasst wurde, zudem für Ruhe an Deck. Ob die BMW damit im Kapitel Handling zur Spitze ihrer Zunft gehört, wird zwar erst der Vergleichstest klären können. Für den ist sie aber auf jeden Fall bestens gerüstet.

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Technische Daten

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BMW S 1000 RR 2012: Motor (Nennleistung 193 PS) und Gewicht (204 kg / 206,5 kg mit Race ABS) des Supersportlers bleiben unverändert.

Motor
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Kipp- und Schlepphebel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 48 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 350 W, Batterie 12 V/10 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping), Sechsganggetriebe, Kette, Sekundärübersetzung 45:17.
Bohrung x Hub 80,0 x 49,7 mm
Hubraum 999 cm³
Nennleistung 142,0 kW (193 PS) bei 13000/min
Max. Drehmoment 112 Nm bei 9750/min

Fahrwerk
Brückenrahmen aus Aluminium, Upside-down-Gabel, Ø 46 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Lenkungsdämpfer, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Feder-basis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 220 mm, Einkolben-Schwimmsattel.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 190/55 ZR 17

Maße+Gewichte
Radstand 1423 mm, Lenkkopfwinkel 66,0 Grad, Nachlauf 98,5 mm, Federweg v/h 120/130 mm, Sitz-höhe 820 mm, Gewicht vollgetankt 204 (mit ABS 206,5) kg, Tankinhalt 17,5 Liter.
Gewährleistung zwei Jahre
Farben Blau, Rot/Weiß, Schwarz, Weiß/Rot/Blau
Preis k. A.

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