Die Vorzeichen haben gewechselt, die Methode nicht. Die jüngste Fireblade-Generation fühlt sich mehr denn je dem Rennsport verpflichtet. Doch auch dort ist Sachlichkeit Trumpf.
Die Vorzeichen haben gewechselt, die Methode nicht. Die jüngste Fireblade-Generation fühlt sich mehr denn je dem Rennsport verpflichtet. Doch auch dort ist Sachlichkeit Trumpf.
Wenn Stichworte schnell machen würden, wären die Dinge geklärt, bevor sie ins Rollen kämen. Die höchste Leistung, das niedrigste Ge-
wicht, der kürzeste Radstand, der steilste Lenkkopf und schon wäre der Kuchen gegessen.
So ist es aber nicht. Jedenfalls nicht ganz. Denn nicht nur die PS-Monster
des GP-Zirkus zeigen, dass nicht das stärkste, leichteste, extremste Motorrad das schnellste ist. Sondern das, bei dem das Zusammenspiel der Komponenten am besten harmoniert. So gesehen ist der neue 1000er-Supersportler-Jahrgang der spannendste, den es je gab.
Auf die entscheidende Frage, wer die Superlative am besten zusammenbringt, geht Honda mit der neuen Fireblade in Vorlage. »Ready to race«, proklamiert der Pressetext trotz eines Gewichts, das acht Kilogramm über dem der Suzuki GSX-R 1000 und um neun über dem ihrer Vorgängerin liegt. Aber dann: 171 PS in der deutschen Kat-Version, 172 für den Rest der Welt. Das flößt doch Respekt ein.
Vor allem auf einem Kurs wie dem brandneuen Arizona Motorsportpark in Phoenix. Zwar kein Oval drum herum, aber durchaus mit den engen und kurvenreichen Infields dieser Welt zu vergleichen. Dort eine 1000er dieses Formats bewegen, bei der an jedem Kurvenausgang wahre Drehmomentberge über das Hinterrad hereinbrechen?
Also verhalten los, zunächst einmal die Piste kennen lernen. Und die neue Fireblade, jetzt offiziell eine Tausender. Nicht etwa, weil Honda die Bohrung
vergrößerte, sondern den Kolbenhub um 2,5 Millimeter. Das Versprechen: ein optimierter Drehmomentverlauf und deutlich mehr Drehmoment, während das Leistungsplus insbesondere auf das Konto der verbesserten Einspritztechnik, geänderter Steuerzeiten, der überarbeiteten Kanalführung und engerer Ventilwinkel sowie der effektiveren Beatmung durch ein servogesteuertes, zweistufiges Ram-Air-System gehen soll.
Doch Leistung ist jetzt noch nicht das Thema. Im hohen Gang um die Ecken
rollen und sich daran erfreuen, dass
die Fireblade trotz der nun deutlich
aggressiveren Sitzposition mit tiefer angeklemmten Lenkerhälften (40 Millimeter) und nach hinten/oben gewanderten Fußrasten nach wie vor ein Motorrad ist,
das ergonomisch passt. Da drücken
keine Tankkanten, liegt das überarbeitete Cockpit genau im Blickfeld, lässt sich der Bremshebel der neuen Radialhandpumpe ebenso vielfach verstellen wie der Hebel der inzwischen hydraulisch betätigten Kupplung. Wichtiger noch: Die neue
Fireblade gibt fahrwerksseitig keine Rätsel auf. Im Gegenteil: Praktisch vom ersten Meter an ist es da, dieses Gefühl von unbedingtem Vertrauen, wie es nur entsteht, wenn sich neutrale Fahreigenschaften mit ausgewogenem, wenn auch nicht mehr so quicklebendigem Handling und messerscharfer Rückmeldung paaren.
Keine Frage, die CBR 1000 RR ist
eine Fahrmaschine ersten Ranges. Aber
keine, die sich in marktschreierischen
Superlativen, sondern eher subtil mitteilt. Schneller und schneller geht es um den Kurs, die Schräglagengrade wachsen mit den Drehzahlen, die Bremspunkte wandern immer näher gen Kurve. Der Fahrer und das ist die signifikante Qualität
dieses Motorrads nimmt alles ganz selbstverständlich wahr. Wird nicht überfordert von einem Drehmomentgewitter unten auf der Drehzahlleiter. Muss sich nicht fürchten vor einer überraschenden Leistungsexplosion obenraus. Registriert dafür eine nahezu lineare, unspektakuläre Leistungsabgabe, bevor bei 11500/min der rote Bereich zum Gangwechsel mahnt. Sind das jetzt gut 170 PS? Erschöpfende Wahrheiten wird erst der
Prüfstand offenbaren. Dass die vorhan-
dene Leistung gezielt und ohne Harakiri-
Aktionen in Vortrieb umgesetz werden kann, ist dagegen schon nach den ersten
zügigen Runden klar. Genauso wie die Tatsache, dass sich mit dieser wohl
dosierbaren, nicht betont aggressiven Bremse in Kombination mit der satt gedämpften 43er-Upside-down-Gabel punktgenau bis tief in die Kurve ankern lässt.
Und dann der Kurvenausgang: Die von der Rossi-Honda bekannte Schwingenkonstruktion mit integriertem Federbein, die dank des kompakteren Triebwerks fast vier Zentimeter länger ausfällt als bei der Vorgängerin, serviert in
Kombination mit dem neuen Bridgestone BT 014 so viel Haftung am Hinterrad, dass selbst Bedenkenträger schnell zu tapferen Vollgastieren mutieren. Dazu trägt auch die geringe Tendenz der 1000er-Fireblade bei, rasch und heftig das Vorderrad zu heben. Ursache dafür: der zehn Millimeter längere Radstand, vor allem aber der weiter vorne platzierte
Motor. Ein weitere vertrauensbildende Maßnahme: Der neue, elektronisch regelnde Lenkungsdämpfer (siehe Kasten links) unterdrückt zuckende Lenkerenden wirkungsvoll, ohne bei langsamen Tempo die Linie zu versauen.
Derart ausgestattet, werden die 44er-Drosselklappen früh und weit aufge-
zogen. Das macht umso mehr Spaß, je
höher die anliegende Drehzahl ist, denn die neue Fireblade geht wie die alte besonders in unteren Drehzahlen hart ans Gas. Und das, obwohl bei der Gemischaufbereitung enormer Aufwand betrieben wird. Zwei Einspritzdüsen eine im
Drosselklappengehäuse, die zweite direkt über dem Ansaugtrichter versorgen
abhängig von Drehzahl und Drosselklappenstellung jeden Zylinder mit Kraftstoff, ein 32-Bit-Prozessor steuert Menge und Zeitpunkt. Und nebenbei auch noch die Servomotoren für Klappen im Lufteinlass sowie im Auslasssystem.
Damit thermisch alles im grünen
Bereich bleibt, spendierte Honda der Fireblade einen Kühler, der selbst im Renneinsatz bestehen soll. 1359 cm2, kunst-
voll vor den Titankrümmern arrangiert, kümmern sich um den Temperaturhaushalt. Da dürfte die CBR 1000 RR sogar
im Rennbetrieb (Honda verspricht einen umfangreichen HRC-Kit und 205 PS bei 13700/min) kühlen Kopf behalten. Genau wie die Fahrer angesichts der Effizienz, mit der die neue Fireblade ihre Leistungen darreicht. Unspektakulär, effektiv voll bei der Sache eben.
Honda CBR 1000 RR DatenMotor: wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine Ausgleichswelle, zwei oben liegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, elektronische Saugrohreinspritzung, Ø 44 mm, Motormanagement, geregelter Katalysator mit Sekundärluftsystem. Bohrung x Hub 75,0 x 56,5mmHubraum 998 cm3Verdichtungsverhältnis 11,9:1 Nennleistung 126 kW (171 PS) bei 11250/minMax. Drehmoment k.A.Kraftübertragung: Primärantrieb über Zahnräder, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Sekundärübersetzung 42:16.Fahrwerk: Brückenrahmen aus Aluminium, Motor mittragend, geschraubtes Rahmenheck, Upside-down-Gabel, Gleitrohrdurchmesser 43 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 310 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 220 mm, Einkolben-Schwimmsattel. Alugussräder 3.50 x 17; 6.00 x 17Reifen 120/70 ZR 17; 190/50 ZR 17Fahrwerksdaten: Radstand 1410 mm, Lenkkopfwinkel 66,3 Grad, Nachlauf 102 mm, Federweg v/h 120/135 mm. Maße und Gewichte: L/B/H 2025/735/1120 mm, Sitzhöhe 830 mm, Gewicht vollgetankt 208 kg, zul. Gesamtgewicht 388 kg, Tankinhalt/Reserve 18/3,5 Liter. Garantie zwei Jahre ohne KilometerbegrenzungFarben Schwarz/Rot, Rot/Blau/Weiß, Schwarz/SilberPreis 12999 EuroNebenkosten 200 Euro
Die Behauptung, dass nie ein Fireblade-Jahrgang mit so viel Spannung erwartet wurde wie der 2004er, wäre eine glatte Lüge. Denn obwohl die neue 1000er-Blade jeden Sportfahrer mit den Hufen scharren lässt, gilt: Auch die werten Mitbewerber schicken ganz heiße Eisen ins erbarmungslose Supersport-Wettrüsten.1992 war das anders. Weil vor zwölf Jahren die Fireblade anders war. Ganz anders als der Rest der Sportlerwelt jedenfalls. Der hatte nämlich seit Erscheinen der Suzuki GSX-R 750 anno 1984 beträchtlich Speck angesetzt. Die Fireblade setzte mit »nur« 125 PS in der offenen Version (damals galt das freiwillige 100-PS-Limit), »nur« 893 Kubikzentimetern, aber eben auch nur 206 Kilogramm ganz neue, ganz andere Eckdaten und wurde so zum ersten Supersportler moderner Prägung. Zum Vergleich: Eine Suzuki GSX-R 1100 wog damals 246 Kilogramm.Die Konkurrenz brauchte dann Jahre, um sich annähernd an die Gewichtsvorgabe der Honda Fireblade heranzurobben. Nicht zuletzt, weil die niemals Fett ansetzte. Etwas gemäßigter wurde sie in Sachen Windschutz bei der ersten Modellpflege 1994, doch lediglich ein Kilogramm schwerer. Zwei Jahre später folgte eine um-fassende Überarbeitung von Fahrwerk und Motormit Hubraumerweiterung auf 918 cm3 und 128 PS. 1998: neues Outfit, Sitzposition weiter entschärft, Fahrwerk und Bremsen erneut überarbeitet, zwei PS mehr. Im Verhältnis Leistung/Gewicht waren die anderen aber schon dran oder hatten gar überholt. 1998 debütierte die Yamaha YZF-R1.Honda reagierte zur Jahrtausendwende. Und zwar heftig. Alles neu, alles anders, alles rekordverdächtig. 195 Kilogramm vollgetankt sollte die Feuerklinge wiegen und dabei von 151 PS (ohne Kat) beschleunigt werden. Ganz so leicht und vor allem ganz so stark war sie dann doch nicht. Aber sonst: Nun endlich mit 17-Zoll-Vorderrad, mit Upside-down-Gabel und mit G-Kat die Fireblade sorgte weiter für Furore. Und gewann weiter Vergleichstests.Trotzdem wollte Honda es wissen. Für 2002 erhöhte man den ohnehin schon auf 929 Kubikzentimeter gewachsenen Hubraum auf deren 954, versprach jedoch nicht mehr Leistung, sondern hielt die Versprechungen für das Vorgängermodell weitgehend ein. In Sachen Gewicht hingegen gab es eine Punktlandung: 199 Kilogramm vollgetankt. Damit hatten 144 PS an der Kupplung mitunter so leichtes Spiel, dass der Blade die Gäule und den Fahrern die Lenkerenden durchgingen.
Wogegen man sich lange wehrt, wird endlich gut, so oder so ähnlich müssen die Honda-Techniker gedacht haben, als sie nach militanter Lenkungsdämpfer-Abstinenz der neuen Fireblade nun ein solches Bauteil spendierten. Und zwar nicht irgendeinen konventionellen Kolbendämpfer, sondern einen elektronisch geregelten Drehflügeldämpfer. Das HESD (Honda Electronic Steering Damper) genannte System unterscheidet sich sowohl konstruktiv als auch funktionell eindeutig von den gängigen Mustern. Es soll das gefährliche Lenkerschlagen beim starken Beschleunigen oder bei hohen Geschwindigkeiten im Keim ersticken, ohne die Handlichkeit bei geringen Tempi zu beeinträchtigen. Zu diesem Zweck hat Honda zusammen mit dem Fahrwerksspezialisten Kayaba eine elektronisch-hydraulische Lösung entwickelt. In einer mit Öl gefüllten Kammer dreht sich ein mit der oberen Gabelbrücke über Hebel und Gelenke verbundener Flügel. Der verdrängt bei einer Lenkbewegung das Öl über Bohrungen im Gehäuse von der einen zur anderen Seite. In diesem Kanal sitzt ein Magnetventil, das den Bohrungsquerschnitt und somit den Strömungswiderstand stufenlos verändern kann. Geregelt wird es von der zentralen Rechnereinheit, welche das Raddrehzahlsignal des Tachos verarbeitet. Der Rechner erkennt nicht nur die Geschwindigkeit, sondern ermittelt auch die Beschleunigung und legt die Daten in einem Kennfeld ab. Zusätzlich erlaubt ein kleiner Speicher mit einem federbelasteten Kolben einen Volumenausgleich, beispielsweise bei steigender Öltemperatur. Reißt der Fahrer etwa bei 100 km/h den Gasgriff abrupt auf, schließt das Magnetventil stärker als bei konstantem Landstraßentempo. Bei Geschwindigkeiten über 200 km/h schließt dann das Magnetventil bis auf den kleinsten Querschnitt, der Lenkungsdämpfer arbeitet mit der maximalen Dämpferkraft. Im Vergleich zum bisherigen Stand der Technik hat Honda mit dem HESD einen beachtlichen Aufwand getrieben, der im Vergleich zu konventionellen Systemen mit perfekter Funktion vielleicht etwas übertrieben scheint, unter dem Aspekt der Sicherheit aber durchaus gerechtfertigt ist.