Honda setzt auf Sieg: Mit satter Power, wenig Gewicht und solider Technik gehts bei der brandneuen CBR 600 F mächtig voran.
Honda setzt auf Sieg: Mit satter Power, wenig Gewicht und solider Technik gehts bei der brandneuen CBR 600 F mächtig voran.
Ein eng geschnürtes Alu-Chassis mit hauchdünner Wandung, sorgfältig am ultrakurzhubigen 110-PS-Motor verschraubt und zu einem kompakten Kraftpaket gebündelt. Hier steht - kein Zweifel - ein Supersportler von echtem Schrot und Korn. Und mittendrin baumelt - man glaubt es kaum - der traditionelle, schnöde schwarze CBR-Hauptständer. Das Symbol höchster Unsportlichkeit und für jeden engagierten Knieschleifer die Provokation schlechthin. Aber Vorsicht, denn was Honda ihrer neuen CBR 600 F, Modellkürzel PC 45, an sportlichen Talenten mit auf den Weg gegeben hat, dürfte genügen, um die komplette erste Supersport-Startreihe mächtig durcheinanderzuwirbeln - auch mit Hauptständer.
Unter der schlanken, eher biederen Verschalung streckt sich vom Lenkkopf bis zu den Schwingenlagern auf direktem Weg ein solider Brückenrahmen aus zweikammrigem Strangpreßprofil und sauber verschweißten Gußteilen. Im Gegensatz zu den aktuellen Rahmenkonzepten von VFR und VTR unterstützt der CBR-Rahmen die im Motorblock gelagerte Zweiarmschwinge durch die beiden seitlich in die Lagerung eingebundenen Gußteile. Davon verspricht sich Honda für Renneinsatz in der höchst populären 600 Supersport-Klasse eine noch höhere Steifigkeit, verbunden mit einer klareren Rückmeldung an den Fahrer. Kleiner aber feiner Nebeneffekt der glänzenden Alu-Konstruktion: Das Plastikkleid der neuen CBR 600 F zeigt sich nicht mehr ganz so zugeknöpft und trägt die Technik offener zur Schau. Womit bei Honda die Epoche des Joghurtbechers mit der PC 45 ihr Ende findet.
Doch probieren geht über studieren; und deshalb schwingen wir uns in die makellose, von allen Druckstellen befreite Sitzgarnitur. In moderater Höhe positionierte Lenkerstummel und Fußrasten zeugen von der immer noch angestrebten Vielseitigkeit, und für die Beschreibung der Qualität von Hebeln, Schaltern und dem ganz alltäglichen Krimskrams genügt ein einziges Wort. Honda.
Als hätten die japanischen Ingenieure sämtliche Kritikpunkte an der CBR-Baureihe der letzten zehn Jahre verinnerlicht, staunt man nicht schlecht, wie präzise und weich sich jetzt Schaltung und Antrieb benehmen. Dem kurzhubigsten aller 600er Triebwerke sind Vibrationen der lästigen Art ebenso fremd, wie die Drehunwilligkeit alter CBR-Motoren. Hemmungslos und mit aller Kraft stürmt der
Vierventiler in den roten Bereich (Begrenzer bei 13800/min laut Drehzahlmesser), ohne daß ihm bei mittleren Drehzahlen deshalb die Puste ausgeht.
Um die Brennräume bei hohem Tempo ordentlich mit Feuerwasser zu versorgen, schaufeln bei der neuen CBR zwei markant angesetzte Ram-Air-Nüstern kühle Frischluft in die Airbox. Wesentlich effizienter sollten sich jedoch die nahezu geradlinigen Ansaugwege zu den um einen Millimeter angewachsenen Einlaßventilen auswirken.
Habhafte Erkenntnisse über die tatsächlichen Motor- und Fahrleistungen der neuen CBR-Generation müssen jedoch so lange vertagt werden, bis sich die gesamte 600er Meute zum ultimativen Showdown einfindet.
Einziger, mit fast buchhalterischer Spitzfindigkeit herausgefahrener Mangel an der CBR 600 F: ein nach derbem Bremsmanöver und stramm aufs Parkett geknalltem Schräglagenwechsel diagnostizierter Vergaser-Schluckauf, der sich mit verzögertem Galopp beim Gasaufreißen bemerkbar macht. Das war´s dann auch schon mit der Mängelliste. Zumindest, was den Motor angeht.
Doch in Sachen Fahrwerk sind die Hausaufgaben gründlich gemacht. Trotz des fetten 180er Pneus auf der 5,5-Zoll-Felge, fehlt es dem laut Honda vollgetankt nur 192 Kilogramm leichten Renner nicht an Wendigkeit. Durch Wechselkurven gepeitscht oder lange Bögen in akrobatischer Schräglage und mit funkenden Rasten durchflogen, genügt ein klares Kommando ohne kraftraubende Lenkarbeit und Korrekturen. Lediglich auf Landstraßen in Rübenacker-Qualität zeigt die Hinterradwalze Schwächen und zwingt die Honda gelegentlich aus der Spur.
Lenkbefehle aller Art werden von der steifen, mit kräftigen Achsklemmfäusten ausgerüsteten 43er Telegabel direkt und ohne Verzug umgesetzt und vom 120er Reifen mit 70er Bauhöhe (PC 31: 60er Bauhöhe) sicher in Schräglage verwandelt. Selbst auf Bremsmanöver im Kurveneingang reagiert der neue Michelin TX 15 C-Pneu ohne das gewohnt aggressive Aufstellmoment. Fragt sich nur, ob die deutsche Version, die auf Bridgestone BT 56 rollen soll, ähnlich neutrale Eigenschaften mitbringt.
Ist auf der Rennpiste die letzte Rille angesagt, könnte der eilige Reiter durchaus mit der soften Dämpferabstimmung in Konflikt geraten. Dabei geht das notwenige Quentchen an Stabilität und Rückmeldung im komfortbetonten Set-up leider unter. Erfreulich für alle Bastler und Tüftler: Am 1999er Modell steckt das Federbein in einem verschraubten Gabelkopf, der mit etwas handwerklichem Geschick so hingebogen werden kann, daß sich das Niveau am Rahmenheck und damit auch die Lenkgeometrie variieren läßt (siehe Foto Seite 17).
Nicht klein zu kriegen: die neuen Vierkolben-Zangen am Vorderrad. Fein zu dosieren, sehr gut in der Wirkung und auf dem Rennkurs im südfranzösischen Nogaro ohne Fading. Womit man den Anschluß an die aktuelle Konkurrenz sichergestellt hat.
Und was hat der kniepadlose Straßen- und Alltagsfahrer von dem ganzen Zirkus? Eine Honda CBR 600 F, die in den alltäglichen Belangen ihrer ehrwürdigen Vorgängerin in nichts nachsteht, aus sportlicher Sicht aber klar überlegen ist. Nicht zu vergessen: das Sekundärluftsystem zur Abgasreinigung, um umwelttechnisch endlich Akzente zu setzen. Auch die Verarbeitung kann sich sehen lassen: piekfeine Schweißnähte am Edelstahlauspuff ohne die sonst üblichen, häßlichen Korrosionsspuren, ein verschraubtes, leichtes Rahmenheck, ein Zündschloß mit elektronischer Wegfahrsperre, kleine, aber nützliche Gepäckhacken und und und.
Was leider immer noch fehlt, ist ein wirksamer Innenkotflügel zwischen Hinterrad, Kette und Federbein. Ein prima Tip zur Modellpflege im Jahr 2000, oder?