In der heiß umkämpften 600er-Klasse ist die CBR 600 F praktisch seit ihrem Erscheinen 1987 Everybodies Darling. Ihre Popularität basiert auf einem überzeugenden Rezept: dem gelungenen Kompromiss zwischen Alltagstauglichkeit und sportlichen Talenten.
Zumindest nominell ist damit nun Schluss. CBR 600 F und CBR 600 F Sport: Erstmals tritt Honda mit zwei Varianten an, um die 600er-Klientel zu bedienen. Da ist das andalusische Almeria genau der richtige Schauplatz für die erste Präsentation. Landstraßen mit ausgeprägtem Spaßfaktor für die zivile F, dazu vis-à-vis ein funkelnagelneuer technisch sehr anspruchsvoller Rundkurs, um der Sportvariante auf den Zahn zu fühlen. Als Zugabe 25 Grad Außentemperatur und kein Wölkchen am Himmel. So soll es sein.
Eine Feststellung, die sich schon traditionell auch bei der ersten Kontaktaufnahme mit der neuen CBR 600 F aufdrängt. Wie von selbst finden die Füße ihre angestammte Position, liegen die Hände auf den nicht zu tiefen, bequem gekröpften Lenkerhälften. Kein Wunder, denn neben den ergonomischen Grundfesten ist die CBR bei den Fahrwerksdaten von den Abmessungen bis hin zum Trockengewicht von 170 Kilogramm (ein Kilo weniger für die S) gegenüber dem Vorgängermodell unverändert. Der Rahmen erhielt lediglich Versteifungen im Bereich des Lenkkopfes und der Schwingenaufnahme.
Ganz neu hingegen das CBR-Erlebnis beim Start: Den Chokehebel gibts nicht mehr, und wer dann immer noch nicht verstanden hat, dass die Elektronik nicht nur bei der Gemischaufbereitung Einzug in die 600er-Klasse gehalten hat, den belehren die Aufführungen des neuen Cockpits. Der Zeiger des Drehzahlmessers schnellt gen Anschlag, während die LCD-Anzeige des Tachos von einem ominösen oberen Totpunkt blitzschnell Richtung null marschiert und viele kleine Lämpchen das Cockpit in beste Diskothekenatmosphäre tauchen.
Das ist aber auch der einzige Überschwang, den sich die neue CBR 600 leistet. Funktion steht im Vordergrund. Die äußerst sich hier, unter der spanischen Sonne, in einwandfreiem Rundlauf von der ersten Kurbelwellenumdrehung an und setzt sich fort in einer perfekten Gasanahme des noch kalten Motors. Die wahren Vorzüge der neuen Einspritzung mit 38-mm-Drosselklappen offenbaren sich aber erst, wenn die CBR 600 F ihrer Bestimmung zugeführt wird: den geschwungenen Asphaltbändern des andalusischen Hinterlandes. In null Komma nichts wird jede kleine Bewegung der Gashand in Vortrieb umgesetzt. Der Leistungseinsatz kommt spontan, aber sanft. Verantwortlich dafür zeichnet eine Steuereinheit, die wegen der hohen Drehzahlen mehr als doppelt so schnell arbeiten muss als die in der großen Schwester CBR 900 RR und eine sehr lineare Leistungsabgabe möglich macht. Bis hin zur 14000er-Marke zieht der CBR 600-Motor beinahe gleichförmig durch, vergessen ist das Leistungsloch zwischen 5000/min und 6000/min, das dem Vorgängermodell zu schaffen machte. Kein Zweifel: sollten auch die deutschen Exemplare - die neben dem Sekundärluftsystem mit geregeltem Katalysator ausgerüstet werden ähnlich gute Manieren zeigen, lässt sich der Fortschritt an dem Leistungszuwachs von 106 auf 109 PS (ohne Kat 110 PS) allein nicht ermessen.
Viel eher schon an dem üppigen Fahrspaß, weil der Motor in dem bekannten, geringfügig modifizierten CBR-Fahrwerk einen kongenialen Partner findet, der auf alle Anforderungen eine Antwort hat. Wunderbar einfach lässt sich die 600er, die nun auf leichteren Dreispeichen-Felgen mit Michelin Pilot Sport der Spezifikation E rollt, von einem Eck ins nächste werfen, während der Pilot entspannt die Ideallinie anvisiert, der die Honda dann auch prompt und zielgenau folgt. Keine Mucken auch am Scheitelpunkt. Ein neuer, sechsteiliger Ruckdämpfer reduziert erfolgreich überflüssiges Spiel im Antriebsstrang und damit unerwünschte Lastwechselreaktionen. Die CBR zieht beim Gasanlegen sauber und dank der etwas kürzeren Sekundärübersetzung mit Vehemenz aus der Kurve, um sich vor der nächsten von den 296-mm-Scheiben und Vierkolbensätteln punktgenau und wohldosierbar wieder zusammenbremsen zu lassen. Stabilitätsprobleme sind ihr dabei trotz der eher komfortabel abgestimmten Federelemente ebenso fremd wie bei Vollgasetappen auf kurvigen Autobahnabschnitten. Da schwingt sich die Honda puuh! keiner hat´s gesehen mit etwas Anlauf zu beachtlichen 270 km/h Tachoanzeige auf. Ungeachtet des nun etwas kürzer übersetzten fünften und sechsten Gangs. Insgesamt eine überzeugende Vorstellung der Neuen, nach gutem alten CBR-Vorbild: komfortabel, schnell, sicher. Einfach ausgewogen.
Jetzt aber umgedacht, die Zeichen stehen auf Sport, Schwester S wartet in der Boxengasse. Selbstbewusst in »winning red«, der einzig verfügbaren Farbe, mit schwarzem Rahmen und ohne Seitenständer. Dafür aber mit Pere Riba. Der Honda-Supersport-Werksfahrer führt die ersten Runden um den Kurs, zeigt die Tücken. Kuppen zum Beispiel, hinter denen Kurven lauern, mal schnell, mal langsam. Einlenkpunkt? Zunächst Glückssache. Oder eine nicht einsehbare lange Links, dann voll in die Bremse, enge Schikane. 900 Meter Gerade, scharfe Rechts, bergauf, seitlich abfallend. Ist die S für dieses schwierige Terrain gerüstet?
Auf den ersten Blick unterscheidet sie sich nur durch die zweigeteilte Sitzbank von ihrer zivilen Schwester. Doch im Motorinneren betrieben die Honda-Ingenieure trotz gleicher Spitzenleistung im Feinarbeit. Doppelte konzentrische Ventilfedern statt einfacher, eine Einlassnockenwelle mit 0,3 Millimetern weniger Hub und acht Kupplungsscheiben statt derer sieben stehen für Zuverlässigkeit im Renneinsatz. Das leichtere Lichtmaschinenschwungrad soll das Ansprechverhalten verbessern. Fahrwerksseitig hingegen keine Unterschiede zur F. Deren unkapriziöses Wesen überträgt die S dann auch eins zu eins auf die Rennstrecke, glänzt mit der wohldosierbarer Einspritzung, mit gleichmäßiger Leistungsentfaltung, mit ihrem neutralen und handlichen Fahrwerk und den selbst im forcierten Rundstreckenbetrieb kräftig zupackenden, fein dosierbaren und standfesten Bremsen. Kurz: Die S, deren Kettenblatt einen Zahn mehr aufweist als das der F, macht es einem leicht, sich auf die Strecke einzuschießen.
Ist das geschehen, kommen Begehrlichkeiten auf. Also die Druckstufe von Gabel und Federbein deutlich, die Zugstufe ein wenig Richtung »Zu« verstellt, und ab gehts. Spielerisch und sicher flutschen die Gänge auch ohne Kupplung, kurz nach der 14000er-Marke signalisiert ein Lämpchen neben dem Drehzahlmesser den Schaltzeitpunkt. Auch jetzt, bei erhöhtem Tempo, liegt die CBR auf der topfebenen Piste neutral. Nur bei ganz Eiligen kommt der Wunsch nach mehr Feedback durch eine generell straffere Auslegung der Federelemente auf. Und nach einer Möglichkeit, ohne viel Schrauberei das Heck anzuheben, weil Auspuffsammler und bisweilen auch Endtopf rechtsherum aufsetzen. Bremsen und Reifen hingegen machen ihre Sache vorbildlich, lassen auch nach etlichen Runden nicht nach.
Was bleibt unterm Strich? Eine weitere, gelungene Evolutionsstufe der CBR 600, die bekannte Fahrwerkseigenschaften mit neuen Motorqualitäten vereint. Egal, ob als F- oder S-Variante, denn die sportliche Schwester liegt sehr nahe an der Basis. Auch preislich: 17990 Mark verlangt Honda für die F, 18490 für die S. Das ist nicht weit weg von der ebenfalls erstarkten Konkurrenz. Ob das auch für die Eigenschaften gilt, muss ein Vergleichstest zeigen.
Fahrbericht Honda CBR 600 F und F Sport : Schwester F...
...und Schwester S: eine Familienangelegenheit. Denn während die neue CBR 600 F vorzugsweise auf der Landstraße rappt, soll die scharfe S auch auf der Rennstrecke den Takt angeben.