Streetfighter sollen Spaß machen und einzigartig sein. Um das zu erreichen, ist fast jedes Mittel recht.
Streetfighter sollen Spaß machen und einzigartig sein. Um das zu erreichen, ist fast jedes Mittel recht.
Effekthascherei - so könnte man im großen und ganzen die Sache umschreiben. Denn auf die Frage, was denn einen richtigen Streetfighter ausmacht, findet sich so leicht keine schlüssige Antwort. Muß das Heck extrem kurz, der Lenker extrem breit, die Fußrasten extrem weit hinten montiert oder müssen die Scheinwerfer möglichst klein sein? »Keine Ahnung«, meint da Suzuki-Händler Herbert Speer, der MOTORRAD mit dem GSX-R-Umbau seine Interpretation dieses Themas zur Verfügung stellt. »Ich weiß nur, daß sich ein auffällig umgebautes Motorrad viel leichter verkaufen läßt als eine Maschine im Serienzustand. Vor allem Gebrauchte kann man nach einem recht preiswerten Umbau gut wieder unter die Leute bringen.«So hat auch die Testmaschine ihre Wurzeln in einer Suzuki GSX-R 750, Baujahr 1993. Rahmen, Gabel, Räder und Tank sind dabei - sieht man von den mühsamen Polierarbeiten einmal ab - unverändert übernommen worden. Einzige Modifikation am Fahrwerk ist ein Federbein von White Power. Dieses baut etwas länger als der Seriendämpfer, was dazu führt, daß das Rahmenheck höher steht als gewohnt. Die freitragende Kohlefaser-Sitzbank, geformt nach dem Modell früherer Superbike-Renner, hebt ihrerseits das Sitzniveau in der Höhe an, senkt es aber in Sachen Komfort deutlich ab. Doch so ein Streetfighter will ja nicht unbedingt die Komfortwertung in einem Sofawettbewerb gewinnen.Da ist es schon wichtiger, daß so ein Kämpfer richtig Feuer unterm Hintern hat. Um dieses Feuer zu entfachen, wurde die Speer-GSX-R von ihren serienmäßigen 750 Kubikzentimetern Hubraum auf derer 860 aufgebohrt. Die Kolben dafür stammen der Einfachheit halber aus einer 250er Enduro. Auf dem hauseigenen Prüfstand tüftelten die Speer-Mannen dann noch eine passende Vergaserabstimmung heraus, wobei sie mehr auf eine fülligere Leistungskurve denn auf Spitzenleistung Wert legten.Abgerundet wird das Bild durch den alten 93er Doppelscheinwerfer in der Cockpitverkleidung, einen Bugspoiler und eine Auspuffanlage der Firma Schüle. Diese übernimmt nach dem Druck auf den Starterknopf auch gleich das akustische Kommando. Nicht aufdringlich, doch in einem unüberhörbaren Baßton brabbelt das aufgebohrte Triebwerk vor sich hin. Mit deutlich härteren Vibrationen als das Serientriebwerk, aber ohne sich zu verschlucken, nimmt der 860er Treibsatz Gas an, reagiert sensibel auf die kleinste Änderung der Drosselklappen und überzeugt durch eine harmonisch verlaufende Leistungskurve über den gesamten Drehzahlbereich. Mit seinen auf dem hauseigenen Speer-Prüfstand gemessenen 116 PS gehört der Motor zwar nicht zu den Super-Athleten in der harten Branche, für spektakuläre Showeinlagen ist er aber allemal gut.Ohne großes Zutun strebt das Vorderrad bei voller Beschleunigung gen Himmel. Angesichts der lockeren, aufrechten Sitzposition und dem breiten Lenker sind solche, wenn auch manchmal unfreiwilligen Aktionen, leicht zu kontrollieren. Und es ist eine wahre Freude, die Speer-GSX-R von einer Schräglage in die andere zu werfen. Kinderleicht fällt das Einlenken in enge Kehren, und problemlos lassen sich auch in Schräglage Lenkkorrekturen ausführen. Wer bislang nur serienmäßige Sportler mit schmalen, tief montierten Stummellenkern bewegt hat, wird über die Handlichkeit, die ein solcher Superbike-Lenker bringt, mehr als erstaunt sein.Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt. So souverän sich dieser Umbau auf engen, holprigen Landstraßen fährt, so anstrengend wird die ganze Sache bei höheren Geschwindigkeiten. Der Windschutz, den die Cockpitverkleidung spendet, ist bei der bequemen, aufrechten Sitzhaltung nicht mehr besonders effektiv. Dauergeschwindigkeiten auf der Autobahn von über 150 km/h sind daher muskel- und nervenaufreibend, Topspeed-Exzesse hält kein normaler Mensch länger aus. Zu den Strapazen für die Nacken- und Oberarmmuskulatur gesellt sich nämlich noch ein recht unangenehmes Pendeln bei Geradeausfahrt.Solche Schwächen stecken echte Streetfighter freilich locker weg. Schließlich geht es darum, ein möglichst einzigartiges Fahrzeug sein eigen zu nennen. Und da darf auch eine spezielle Lackierung nach Kundenwunsch nicht fehlen, die, wie im Falle der Speer-GSX-R, mit rund 3000 Mark zu Buche schlägt. Alles in allem muß für so ein Unikat mit 15000 bis 20000 Mark gerechnet werden. »Motorräder für jedermann, ohne teuren Schnickschnack, absolut funktionstüchtig, und alles mit dem Segen des Gesetzgebers«, so lautet die Devise von Herbert Speer. Eine Devise, die durchaus Zukunft haben könnte.