Finale: 25 Jahre Suzuki GSX-R 750
Mutter aller Gixxer

Vor 25 Jahren schickte Suzuki ein bahnbrechendes Sportmotorrad auf die Straße: Die GSX-R 750 war bis dahin die leichteste und gleichzeitig mit die stärkste 750er aller Zeiten.

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Foto: Archiv

Leider bin ich erst im 23. Berufsjahr. So war ich damals, als die erste GSX-R 750 auf den Markt kam, Leser. So wie Sie, die Sie jetzt diese Ausgabe von MOTORRAD in den Händen halten. Testerfahrungen aus erster Hand mit Originalverklärung kann ich also erst ab der 88er-Version bieten. Und - ich muss es zu meiner Schande gestehen - ich bin die originale Erstversion keinen Meter gefahren. Bisher. Vielleicht lässt mich ja einmal ein Besitzer dieser inzwischen sehr selten gewordenen Maschine mit seinem Schätzchen ein paar Kilometer ausreiten. Eine Geschichte wäre ihm gewiss.

1985 war ein heftiges Jahr in der Motorrad-Szene. Denn nicht nur Suzuki begeisterte mit der 100 PS starken GSX-R, Yamaha hatte mit der Fünfventil-FZ 750 ebenfalls ein heißes Eisen im Feuer. Rennsportfans aber begeisterten sich für die ultraleichte Suzuki. Die 40 Kilogramm schwerere Yamaha ordnete sich im damals üblichen Gewichtsrahmen ein. Was gab es sonst noch in dieser Klasse? Nun, eine 91 PS schwache Honda CBX 750 F und eine kaum stärkere Kawasaki GPZ 750 R. Den MOTORRAD-Vergleichstest verschlang ich sofort nach dem Erscheinen. Den zweiteiligen Test in Heft 6 und 7/1985 gewann letztlich die kultivierte Yamaha, knapp vor der kompromisslosen Suzuki.

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Wie schaffte es Suzuki, den Rest der Welt gewichtsmäßig derart zu distanzieren? Extremer Leichtbau bei allen Teilen und Weglassen von unnötigem Ballast war die Devise. So verzichtete Suzuki bewusst auf eine gewichtstreibende Wasserkühlung und entschied sich für eine kombinierte Luft-/Ölkühlung. Zwei Ölpumpen, 6,5 Liter Schmierstoff und ein großer Ölkühler genügten, um den Temperaturhaushalt des Triebwerks zu beherrschen. Am Fahrwerk versuchte sich Suzuki in Aluminium. Doch der filigrane Rohrrahmen, geschweißt aus Gussteilen und Strangpressprofilen, war zwar wirklich leicht, dafür nicht besonders steif. Über 200 km/h wackelte die 750er bedenklich, erst die Überarbeitung zur Saison 1986 mit längerer Schwinge und besseren Reifen sorgte für mehr Ruhe.

Meine erste GSX-R war die 88er-Version - jene deutlich zahmere und schwerere, die alle Schwächen der Vorgängerin vergessen ließ. Kein Pendeln mehr, tolle Vergaserabstimmung, viel bessere Gabel, 17-Zoll-Räder. Eigentlich ein Traum. Auf der ersten Testfahrt auf der Nürburgring-Nordschleife allerdings kam schnell die Ernüchterung: etwas zu wenig Bodenfreiheit, da schliff sich so einiges an. Und der noch kurzhubigere Motor zog sehr schwach durch. Oben raus marschierte der mit 73 Millimeter großen Kolben bestückte Vierer auch nicht besser als der alte. Logischer Schritt: zurück zum alten Hub-Bohrung-Verhältnis. Die 1990er-Version fand auf den Pfad der sportlichen Tugend zurück. Edelstahl-Vier-in-eins-Anlage, Upside-down-Gabel, fetter 170er-Reifen, damit war man gut angezogen. Und die vollgetankt immerhin 226 Kilogramm schwere Maschine fuhr sich auch sehr neutral und stabil. Das sollte sich die nächsten Jahre kaum ändern.

Seltsam: Wird heute die BMW S 1000 RR wegen ihrer Schlepphebel gefeiert, vergisst man, dass die 91er-GSX-R 750 ebenfalls welche im Zylinderkopf trug. Davor waren es Gabelschlepphebel. Mit der 92er-Version läutete Suzuki das Wasserkühlungs- und Tassenstößelzeitalter bei der GSX-R ein, ihr Gewicht stieg auf 239 Kilogramm. Und das, obwohl Honda mit der ersten Fireblade auf den Markt kam und die 200-Kilo-Grenze anpeilte. Endgültig Geschichte war der Nimbus des Klassenbesten in Sachen Leichtbau. Zwar waren die W-Modelle bis 1995 durchaus schnell auf der Rennstrecke zu bewegen und mit einer wirklich tollen Bodenfreiheit gesegnet, die Papierform sprach jedoch gegen sie.

Ein neues Bike musste her. 1996 war es soweit. Die komplett neue GSX-R 750 setzte Zeichen. 128 PS stark, mit einem den Grand Prix-Rennern nachempfundenen Brückenrahmen, einer charakteristischen Heckverkleidung und leistungsfördernden Ram-Air-Einlässen vorn. Darauf hatte die Fangemeinde gewartet. Und endlich gehörte die GSX-R wieder zu den Schnellsten im Land. Ich erinnere mich noch gut an eine 200-Kilometer-Drehzahlorgie von Stuttgart nach Nürnberg. Über 13000/min drehte der Motor völlig problemlos. Nur 600er konnten bis dahin solche Drehzahlen ab. Und nicht nur einmal sah ich die 280 km/h auf dem Tacho prangen - Wahnsinn. Auf den Rennstrecken war man damit wieder unter den Allerschnellsten und brauchte keine Gegner zu fürchten. Nur zwei Jahre später zog Suzuki die Einspritzversion nach, die unheimliche 135 PS leisten sollte. Aber diese hatte es schwer im Supersport-Segment, denn gleichzeitig kam die Yamaha-R1 auf den Markt. Auch Honda setzte seinen Fokus auf die Weiterentwicklung der Fireblade mit bald 1000 cm3, und so sah sich die 750er-Suzuki arg im Hintertreffen.

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Einer der schönsten Vierzylinder und eines der meistgebauten Triebwerke bisher: Suzukis feinstverrippter luft-/ölgekühlter Reihenvierer für die GSX-R 750. 100 PS stark, leicht, drehfreudig und robust.

Im Jahr 2000 kam die Trotzreaktion. 141 PS stark, mit neuem Fahrwerk, neuem Motor und unglaublich leicht: nur 191 Kilogramm vollgetankt. Die neue GSX-R 750 war damit das leichteste Sportmotorrad mit über 125 PS. Der wieder einmal etwas kurzhubiger ausgelegte Motor drehte bis zu sagenhaften 14000/min. Was im Jahr 2000 noch niemand ahnte: Suzuki entwickelte zu der 750er noch eine gewalttätige 1000er mit ganz ähnlicher Optik und Technik. Diese 160 PS starke Rennmaschine war dann auch ab 2001 stärkste Konkurrentin der 750er. Zumal von unten zusätzlich noch die nahezu baugleiche 600er an den Verkaufszahlen knabberte.

Das Jahr 2004 kann man als das beste im GSX-R-Programm bezeichnen. Die 750er wurde wieder überarbeitet. Titanventile sorgten für hohe Drehzahlfestigkeit. Die Schwestern GSX-R 600 und 1000 glichen der 750er. Alle fuhren sich wirklich toll und druckvoll. Ab 2005 beschritt die 1000er nun wieder ihren eigenen Weg und gewann ziemlich an Breite. So blieb es der 750er vorbehalten, die sportliche Ehre zu bewahren. 2006 und 2008 wurde sie nochmals deutlich überarbeitet. Man kehrte sogar zum allerersten Hub-Bohrung-Verhältnis von 48,7/70 Millimetern zurück - und fand trotzdem Drehzahlen von 15000/min. Doch an die tolle Zeit der 80er- und 90er-Jahre konnte die 750er nicht mehr heranreichen. Zu dominant sind in diesen Tagen die 1000er-Superbikes.

Was ist passiert in diesen 25 Jahren? Die aktuelle GSX-R 750 leistet exakt die Hälfte mehr als ihre Urahnin. Und wiegt ziemlich genau gleich viel. Immerhin 13029 Mark mussten die Kunden 1985 für eine nagelneue Suzuki über die Theke reichen. Heute kostet sie als Best-Price-Modell in 2008er-Version 10990 Euro.

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Noch heute begeistert das tolle Handling der ersten Generation die Suzuki-Fans.

Wird es noch einmal einen solchen Quantensprung bei den Sportmotorrädern geben? Ich glaube nicht. Die BMW S 1000 RR hängt gerade die Leistungslatte auf 200 PS. Wo will man da noch hin? Und deutlich weniger als die magischen 200 Kilogramm anzupeilen, macht mit den heutigen Motorleistungen auch keinen Sinn mehr. Schließlich braucht es schon eine ganze Menge elektronischer Helferlein, um diese Leistungsmacht zu kontrollieren und das Ganze in Zaum zu halten.

Man darf gespannt sein, was sich die Hersteller einfallen lassen. Wenn ich mir eine neue GSX-R 750 wünschen dürfte, dann würde sie wieder ein bisschen zurück zu den Wurzeln finden. Mit dem schönen, feinverrippten Motor, einem dicken Öl-kühler, dem Doppelscheinwerfer und einer kernig klingenden Vier-in-eins-Anlage. Mit zeitgemäßen Komponenten sicher ein tolles Fahrerlebnis.

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Erscheinungsdatum 15.09.2023