Honda CBR 300 R, Kawasaki Ninja 300, KTM RC 390 und Yamaha YZF-R3 im Test
Kleine Krieger, große Schlachten

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Wenn vier rennerprobte Tester nach einem Tag auf der Piste lustvoll dauergrinsen statt entkräftet nach Luft zu ringen, könnte das an ihren ungewohnten Untersätzen liegen. Die Story einer äußerst spaßigen Begegnung.

Kleine Krieger, große Schlachten
Foto: Bilski

Dass es passieren wird, ist klar. Aber wann? Und wie? Ziehen die Kollegen noch in der Parabolika vorbei oder erst beim Ankern kurz vor der Spitzkehre? „Die Kurve nimmt überhaupt kein Ende“, schießt es dem Honda-­Piloten durch den Kopf. „Die Streckenbetreiber haben sie garantiert verlängert.“ Das stimmt natürlich nicht. Doch auf einer 300er scheinen sich Raum und Zeit auszudehnen, und für die ­legendäre, ultralange Links auf der ­Hockenheimer Piste braucht man so viel Zeit wie für einen Trip ans Ende des Universums. Obwohl der Honda-Treiber immer wieder nach hinten blickt und listig die Linie wechselt, um keinen Windschatten zu spenden, stürmen die Gegner vorbei. Wiiiiummm, Rad an Rad vollstrecken Kawasakis Ninja 300, die KTM RC 390 und Yamahas YZF-R3. Die arme Honda CBR 300 R hat nicht den Hauch einer Chance.

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Wie kommt das?

Und ­warum beschäftigt sich PS überhaupt mit solchen Schleifern?

Zwei berechtigte Fragen, zwei ­simple Antworten:

1. Die Honda CBR 300 R hat mit ­gemessenen 31 PS deutlich weniger Qualm als die Konkurrenz, die zwischen 40 und 46 muntere Ponys stemmt. 

2. Reiner Spieltrieb: Die heißen Windschattenduelle in den kleinsten Klassen, die wilden Ausbremsmanöver und beinharten Positionskämpfe garantieren launige Action. Außerdem kann man die kleinen Feger ausquetschen, ohne an eigene physische Limits zu ­gelangen – maximaler Fun, minimale Schufterei. Ein neues, überaus erfrischendes Gefühl! Offiziell erfüllen wir selbstverständlich nur unseren Testauftrag und checken, wie viel sport­liches Potenzial in den 300er-Sportlern schlummert. Immerhin sollen sie 2016 in einer neuen Klasse bei der Internationalen Deutschen Meisterschaft (IDM) starten.

Motörchen drehen am Anschlag

Nach einigen extrem unterhaltsamen Runden tauschen wir die Bikes. Nun sind alle wieder dicht beisammen und die Fights beginnen von Neuem. Locker setze ich mich mit der 46 PS starken KTM RC 390 auf der Start/Ziel-Geraden neben Tobias Wassermann, der nun die Honda CBR 300 R pilotiert, drehe das Gas etwas zu und grinse fies rüber. ‚Zeig mal, was du auf der Bremse draufhast‘, denke ich noch, da rauschen PS-Capo Uwe („Super-U“) auf der Yamaha YZF-R3 und Long-John-Sven auf der Kawasaki Ninja 300 vorbei. Shit, mit den 41 PS der Yamaha und den 40 Kawa­saki-Hengsten konnten sie sich perfekt im Windschatten der KTM halten, und wegen der Spielchen mit Tobi sogar vorbeibrausen.

Logisch, dass bei solchen Aktionen die Motörchen am Anschlag drehen. Besonders die beiden Zweizylinder von Kawasaki Ninja 300 und Yamaha YZF-R3 jodeln wegen ihrer kurzhubigen Auslegung bis der Arzt kommt. Doch während die Leistung der Yam ab 11.000/min deutlich abfällt und zum Schalten mahnt, hält die Ninja ihren maximalen Output zwischen knapp unter 11.000 Touren bis zur Abriegel-Drehzahl von 12.600/min fast konstant. Heißt: Wer ständig die maximale Power abrufen möchte, muss tüchtig orgeln.

KTM RC 390 mit Hubraum-Vorteil

Deutlich weniger drehzahlhungrig sind die Eintöpfe von Honda CBR 300 R und KTM RC 390. Bereits bei 8500/min steht bei der CBR die höchste Leistung an, bei der RC 390 sind’s immer noch moderate 9500 Touren. Vorteil KTM: Wegen des größten Hubraums von 373 Kubik braust sie der Konkurrenz immer und überall auf und davon. Dazu ist sie knackig-kurz übersetzt. Eine Eigenschaft, die sie mit der Honda teilt. Doch mit rund 23 Prozent weniger Hubraum (286 Kubik) kann diese unmöglich mithalten. Auch die Hubräume der beiden anderen Japanerinnen liegen um die 300er-Marke: die Kawasaki mit 296 Kubik leicht darunter, die Yamaha mit 321 Kubik etwas darüber. Motorseitig hat die Österreicherin also klare Vorteile. Allerdings rappelt ihr Single ausgeprägt, und Gasbefehle unterhalb von zirka 2800/min quittiert er gar mit deutlicher Unlust. Ganz anders die Bikes aus Fernost. Sie nehmen das Gas bei jeder Drehzahl sauber an und blubbern ausgesprochen sympathisch – Laufkultur vom Feinsten.

Zu viert donnern wir nun auf die Nordkurve zu, jeder ankert noch etwas später als der andere. Mit stärkeren Bikes geht man hier noch vor ­Beginn der Kerbs in die Eisen, mit den 300er-Sportlern genügt der Ankerwurf beim letzten Drittel der Streckenbegrenzung. Gefühlt bremst man sogar erst wie die Profis kurz vorm Scheitelpunkt – Moto3-WM, wir kommen! Vorher nehmen wir uns aber noch die Bremsen der jungen Wilden zur Brust. Auf dem schnellsten Abschnitt des Kurses, der bereits erwähnten Parabolika, folgt mit der Spitzkehre der langsam­ste Streckenteil. Eine harte Challenge für jede Bremse. Überraschender­weise überhitzt keine der unisono ­unterdimensioniert wirkenden Einscheibenanlagen. Dennoch fühlt sich der Druckpunkt überwiegend teigig an, und auch die Bremswirkung ist bei den meisten eher bescheiden. 

Immerhin regelt dadurch das ABS bei keinem Feger zu früh. Als Einziger des Tests steckt an der KTM RC 390 ein radial verschraubter Vierkolben-Festsattel – fett! Die Konkurrenz fährt einheitlich günstige Zweikolben-Schwimmsättel spazieren. Doch einen Vorteil kann die Österreicherin nicht verbuchen, im Gegenteil: Mit dem längsten Leerweg am Bremshebel ist Zweifinger-Ankern unmöglich. Die kraftvollsten Bremsen besitzt die Honda CBR 300 R. Vergleichsweise knackig und ausreichend bissfest, bremst sie sich vor den Ecken tapfer an die Konkurrenz heran. Dadurch rückt das Feld wieder dicht zusammen und das muntere Jagen geht weiter.

"Um ein Haar wäre ich abgeflogen"

Nach einem erneuten Wechsel übernimmt Long-John-Sven auf der Yamaha YZF-R3 die Führung und biegt als Erster in die Sachskurve. Im Schlepptau lauert die gierige Meute. Mittlerweile auf der Kawasaki Ninja 300, werfe ich spät den Anker und biege spitz in den ­Bogen. Keiner bremst sich vorbei, yes! Leider trägt es mich weit aus der Kurve und Aushilfsdrifter Tobi schlüpft auf der Honda CBR 300 R innen durch. Wow, er pflegt einen wunderbar runden und weichen Fahrstil. „Der stammt noch vom ADAC Junior Cup“, grinst er. „Vor vielen Jahren habe ich dort meine ersten Racing-Erfahrungen gesammelt. Bei leistungsschwachen Bikes musst du viel Schwung mitnehmen. Spitz in die Ecken zu stechen bringt nichts.“ Recht hat er. Auf den protzigen Superbikes mit 200 und mehr PS fährt man komplett andere Linien. Doch diesen Hauruck-Fahrstil abzustellen fällt richtig schwer. Davon kann auch Super-U ein Lied singen. Seit einigen ­Jahren zieht er auf einer Kawasaki ­Er-6n in der German Twin Trophy am Kabel und musste sich anfangs auch auf die überschaubare Leistung einstellen. Doch wo steckt er überhaupt? 

„Ich hatte mit der KTM einen Mega­rutscher am Ende der Sachskurve“, schnauft er kurze Zeit später noch ­immer aufgewühlt. „Um ein Haar wäre ich abgeflogen. Dabei war ich noch nicht mal richtig am Gas.“ Wir verdächtigen das extrem soft abgestimmte Federbein der KTM RC 390. Das direkt angelenkte Teil baut zu wenig Grip auf. Allgemein komprimieren Fliehkräfte in Schräglage Gabel und Federbein, wodurch diese weit einfedern. Fehlen Dämpfungsreserven, muss der Reifen diese Aufgabe übernehmen. Das funktioniert aber nur bis zu einem gewissen Punkt, danach droht der Abflug – peng! 

Feedback auf den 300er-Sportlern fällt mau aus

Auch die Gabeln und Federbeine der anderen Hüpfer liegen auf der ­supersoften Seite. Selbst auf der Landstraße würden sie locker mehr Dämpfung vertragen, ohne zu straff zu ­wirken. Noch eine weitere Eigenschaft eint die Federelemente: Einstellmöglichkeiten Fehlanzeige. Bis auf die ­Federvorspannung am Heck lässt sich absolut nichts justieren. Hier führte eindeutig der Rotstift Regie. 

Nach dem unfreiwilligen Stunt von Uwe lassen wir es etwas ruhiger angehen. Auch, weil das Feedback auf den 300ern extra-mau ausfällt, und die Suche nach dem Limit dem Fischen im Trüben gleicht. Dazu nervt die kleine Ninja mit einer weiteren Eigenart. „In Schräglage stellt sich die Kawa immer wieder auf“, wundert sich Sven. „Es ist echt schwierig, eine saubere Linie zu ziehen.“ Normalerweise verursachen widerspenstige Reifen diese Eigenheit. Doch als Einheitspneu für die vier Springinsfelde wählten wir den in dieser Hinsicht unverdächtigen Pirelli Diablo Rosso II. Ein stabiler, verlässlicher und neutraler Straßengummi mit tollem Grip. Einziger Nachteil: Er braucht recht hohe Temperaturen. Den dazu nötigen Druck üben die Leichtgewichte nur ­allmählich auf die Pellen aus.

Easy Handling ist der absolute Hit

Doch sämtliche Unzulänglichkeiten sind vergessen, sobald die vier Rabauken im Formationsflug auf die Ecken zuschießen und easy in die Bögen pfeilen. Dazu lassen sie sich jederzeit spielerisch auf beliebige Linien dirigieren – herrlich! Selbst die KTM RC 390 mit ihrem vergleichsweise breiten 150er-Hinterreifen bildet keine Ausnahme. Die japanische Konkurrenz setzt einheitlich auf 140er-Gummis. Vorn greift KTM zwar wie die Mitbewerber auf die 110/70-17er-Dimensionen zurück. Doch in der RC steckt ein 3-Zoll-Rad, während Japan einheitlich 2.75er-Felgen verwendet. Die einzige Auffälligkeit beim Abwinkeln leistet sich die Honda. Am Kurveneingang kippt sie etwas nach innen, sobald man die Bremse löst. Nicht schön, aber angesichts ihrer sonst absolut problemlosen Art durchaus verzeihbar. 

Viel zu schnell geht der Tag zu ­Ende. Zeit für letzte Eindrücke. „Auf der Kawasaki Ninja 300 sitzt man merkwürdig“, sinniert Sven. Alle stimmen zu, und Uwe konkretisiert: „Die Kawa platziert dich in­aktiv, volle Attacke funktioniert mit den anderen besser.“ Honda CBR 300 R und Yamaha YZF-R3 bieten einen gleichermaßen sport­lichen wie bequemen Arbeitsplatz. Und die KTM RC 390? Sie liegt mit dem geringsten Abstand zwischen Lenker- und Sitzbankhöhe klar auf der sportiven Seite. Dennoch bietet auch sie ausreichend Komfort. „Die ­Kawasaki hat als Einzige eine Anti-Hopping-Kupplung und Wave-Bremsscheiben“, versucht Tobi die Kawasaki-Ehre hochzuhalten. „Stimmt“, werfe ich ein, „doch dafür hat nur die KTM eine Up­side-down-Gabel. Und im Powerparts-­Katalog gibt’s haufenweise feinstes Racing-Material“. „Klar, doch die kosten reichlich Kohle“, gibt Uwe zu bedenken. „Wenn die Japaner nächstes Jahr in der IDM mitmischen möchten, sehen sie ohne hochwertige Fahwerkskomponenten ganz schön alt aus“, weiß Sven.

Jeder hat Recht. Doch Kawasaki und Yamaha führen schon ­etwas in der Pipeline. Bis zum Saison­start sollten auch sie voll auf der Höhe sein. Und Honda? Sie treten mit der schwachbrüstigen CBR 300 R sehr wahrscheinlich gar nicht erst an. Aber das ist Zukunftsmusik. Hier und heute packen wir hochvergnügt zusammen. Die prickelnden Fights mit den kleinen Heizeisen werden wir ganz sicher nicht so schnell vergessen. 

Messwerte und Cockpits

PS
Leistung an der Kurbelwelle, Messungen auf Dynojet-Rollenprüfstand 250

Leistungsmäßig ein echter Überflieger, setzt sich der 373 Kubik große österreichische Single klar von der Konkurrenz ab. Berechnet man jedoch die Literleistung, liegen die hoch drehenden Zweizylinder klar vorn: Kawasaki 135 PS, Yamaha 128 PS, KTM 123 PS, Honda 108 PS. Unabhängig von der reinen Leistung hat jeder der vier Antriebe seinen ganz eigenen Charakter: die KTM RC 390 rau und kräftig, drehzahlgierig die Kawasaki Ninja 300, gleichmäßig und ausgewogen die Yamaha YZF-R3, und mit einer starken Mitte die Honda CBR 300 R. Auffällig ist auch, dass die Japanerinnen unisono eine sehr hohe Laufkultur aufweisen. 

Honda CBR 300 R

Bilski
Cockpit der Honda CBR 300 R.

Wie bei den starken supersportlichen Vorbildern sitzt der Drehzahlmesser der Honda CBR 300 R direkt im Blickfeld – klasse! Die Ausstattung des Cockpits ist allerdings recht bescheiden.

Kawasaki Ninja 300

Bilski
Cockpit der Kawasaki Ninja 300

Die Skalierung des Drehzahlmessers ist nicht übertrieben: Die kleine Kawasaki Ninja 300 verlangt höllische Drehzahlen.

KTM RC 390

Bilski
Das Cockpit der KTM RC 390.

Ungewöhnlich: Gabelbrücke und Lenkstummel bilden eine Einheit. Das volldigitale Cockpit der KTM RC 390 bietet eine Ganganzeige und einen Schaltblitz.

Yamaha YZF-R3

Bilski
Cockpit der der Yamaha YZF-R3.

Außer der Yamaha YZF-R3 bietet nur noch die KTM RC 390 einen Schaltblitz nebst Ganganzeige. Dank der asymmetrischen Formen wirkt das Cockpit sehr stylisch.

Fazit

1. Yamaha YZF-R3

Bilski
Yamaha YZF-R3

Die Yamaha YZF-R3 bietet das beste Gesamtpaket. Der Motor ist sehr elastisch und drückt auch unten und in der Mitte ordentlich. Dazu ist das Federbein etwas straffer abgestimmt als bei der Konkurrenz, was ihr die höchste Stabilität beschert. So macht 300er-Fahren Laune!

2. Kawasaki Ninja 300

Bilski
Kawasaki Ninja 300

Kawasaki Ninja 300 - die ­Älteste des Quartetts landet auf Platz zwei. Zwar braucht das Motörchen viel Drehzahl, was nicht jedem gefällt. Doch dank ihrer Anti-Hopping-Kupplung gewinnt sie das Motorenkapitel. Etwas störend wirkt sich beim Kreiseln nur die leichte Unruhe in Schräglage aus.

3. KTM RC 390

Bilski
KTM RC 390

Nur Rang drei für die starke KTM RC 390. Die mäßige Laufkultur und die durchschnittliche Schaltbarkeit des Getriebes kosten Punkte. Außerdem ist das Federbein viel zu soft abgestimmt. Dafür glänzt die RC 390 mit der reichhaltigsten Ausstattung.  

4. Honda CBR 300 R

Bilski
Honda CBR 300 R

Wenig überraschend trägt die im besten Sinne unauffällige und günstige Honda CBR 300 R die rote Laterne. In ihr werkelt der schwächste Motor, und bis auf die ordentliche Bremse setzt sie sich nirgends richtig in Szene.  

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PS 10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023