Sporttourer, Tourensportler: Es gab Zeiten, da fielen diese Begriffe und alle dachten an ein Motorrad. VFR. Ein Synonym für eine ganze Gattung. Solide, bequem, sportlich, schnell, elegant, extravagant. Niemand brachte so unterschiedliche Eigenschaften besser unter einen Hut wie die Honda mit dem so außergewöhnlichen und technisch aufwendigen V4-Motor. Kein Wunder, dass viele nach-, aber nur wenige vorbeizogen.
Fireblade. Auch ein Synonym. Sportmotorrad. Sie war die erste mit ganz wenig Gewicht und ganz viel Leistung. Dann zogen andere nach und viele vorbei. Bis zu diesem Jahr. Fireblade 2000: Das ist das alte Konzept mit neuen, radikalen Eckdaten. Kann das gut gehen? Hier, auf dieser Mischung von Straße und Rennstrecke. Hier, wo der Neuling den Kurvenverlauf mit der Treffsicherheit eines Jahrmarktsastrologen voraussagt, während der Kenner sich noch nach Jahren über die spontane Wanderlust von Bodenwellen wundert. Ist radikal bei diesen Tücken wirklich besser?
Zunächst einmal ist radikal gar nicht radikal. Denn trotz sportlicher Ergonomie geht die Fireblade auch bei Tourenfahrern als bequem durch. Die Lenkerhälften tief, aber nicht zu tief. Die Fußrasten hoch, aber nicht zu hoch, der Tank breit, aber nicht zu breit. Wer die CBR 600 kennt, weiß, was gemeint ist. Draufsetzen, wohlfühlen. Wie von selbst durch die Hatzenbach-Kurven, weil die 900er sehr fein ausbalanciert ist und die Gabel die Aktivitäten des Vorderrads wunderbar klar bis zum Fahrer transportiert. Rückmeldung nennt man das. Die Folge: Der Pilot lässt die CBR 900 mit viel Schwung in die Kurve laufen, legt flüssig um. Ohne Zaudern, ohne Zögern, ohne Aufsetzen. Einfach so.
Eine mangelhafte Balance kann man auch der VFR nicht unterstellen. Diesem Muster an Ausgewogenheit ist der jahrelange Reifeprozess anzumerken. An Handlichkeit steht sie der 900er trotz ihres Mehrgewichts kaum nach, in der Lenkpräzision ist sie fast ebenbürtig. Auch der Sporttourer fegt problemlos durch den Hatzenbach. Trotzdem ist das Fahrgefühl ein ganz anderes. Kommod statt direkt. Eher umschreibend statt pointiert. So, als wolle sie den Fahrer vor jeglichem Ungemach schützen, das die Piste bereithält. Diese VFR wiegt ihren Piloten sanft und routiniert von einer Kurve in die nächste.
Das geht aber nur so lange gut, so lange das Tempo verhalten ist. Wird stärker am Kabel gezogen, macht sich auf der VFR speziell in den schnellen Streckenabschnitten Unsicherheit breit. Gabel und Federbein sind mit ihren Dämpfungsreserven am Ende, die Stabilität ist dahin, die Fußrasten kratzen rechts wie links über den Asphalt. Versuche, den verlorenen Boden auf der Bremse wieder gutzu- machen, scheitern an der unter diesen Bedingungen nach wie vor schlechten Dosierbarkeit des kombinierten Bremssystems Dual-CBS, während die Bemühungen des jüngst etwas aufgepeppten V4-Motors zwar redlich sind, aber natürlich nicht ausreichen, um dem Kraftprotz in der Fireblade Paroli zu bieten.
Gerade dieses Triebwerk nämlich erfüllt die Anforderungen des schnellen Eifelkurses wie kaum ein anderes. Satte Leistung vom Drehzahlkeller bis ganz oben. Das passt für den Neuling, der einfach schon im mittleren Drehzahlbereich den nächsten Gang des butterweich zu schaltenden Getriebes einlegt, ebenso wie für den Profi. Der dreht einfach weiter, aber auch selten aus. In diesem Fall nämlich brennt die Blade ein wahres Feuerwerk ab. Und in diesem Fall aber auch nur in diesem Fall werden kleine Schwächen offenbar. Der fehlende Lenkungsdämpfer zum Beispiel oder die Tendenz, beim harten Anbremsen leicht nervös an der Hinterhand zu werden. Trotzdem: Hondas neuer Vorzeigesportler erntet durch die Bank Bestnoten. Für die famose Bremsanlage, die in Wirkung und Dosierbarkeit keine Wünsche offen lässt. Für ihre fein ansprechenden Federelemente, die jederzeit Reserven haben. Und wie erwähnt für ihre gelungene Ergonomie, die großen wie kleinen sowie flotten wie weniger flotten Fahrern passt. Gerade dieser Punkt beweist die Vielseitigkeit der CBR. Eine Eigenschaft, die auch die VFR ohne Zweifel besitzt. Draußen, auf der Landstraße, auf der Autobahn. Wenn das Tempo höher wird, muss sie passen. Und genau das ist auf der Nordschleife der Fall.