Engländer ticken anders: Chris Owen liebt schnelle Rennrunden genauso wie lange Reisen mit Gepäck und Sozia. Er bürdet beide Ansprüche einer Renn-Replika auf. Was müssen alle Beteiligten ertragen?
Engländer ticken anders: Chris Owen liebt schnelle Rennrunden genauso wie lange Reisen mit Gepäck und Sozia. Er bürdet beide Ansprüche einer Renn-Replika auf. Was müssen alle Beteiligten ertragen?
Der eine braucht für die große Tour GPS, ABS, TCS, Alu-Koffer, Heizgriffe, beheizte Sitzbank und elektronisch justierbaren Fahrwerkskomfort. Der andere benötigt einfach nur ein Motorrad. Vielleicht ein besonderes, so wie der 68-jährige Engländer Chris Owen, der alles mit einem ehemaligen Supersportler erledigt, einer raren Honda VTR 1000 SP-1.
Zwölf Jahre hat dei Honda VTR 1000 SP-1 jetzt Dienst getan und nach der letzten 3000-Kilometer-Tour im Spätherbst 2012 marschiert der Tacho stramm auf die 160000 zu. Der Motor ist noch nie geöffnet worden, obwohl Chris mit seinem Bike ein schonungslos bewegtes Leben führt. Schon immer mochte der Brite Fahrzeuge mit Persönlichkeit. Als er vor etwa 18 Jahren den Nürburgring für sich entdeckte, passierte das mit einer Kawasaki ZXR 400. Weil Chris eher klein gewachsen ist, liebte er diesen Miniflitzer. Die Notwendigkeit, den Motor hochdrehen zu müssen, gefiel ihm auch außerhalb der Rennstrecke. „Es war nicht nur der Ring selber, sondern auch die hochtourige Anreise durch Frankreich, die Ardennen und die Eifel. Eine perfekte Einstimmung auf die genialste Rennstrecke der Welt.“
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Chris besuchte Lehrgänge und wurde süchtig nach dem Ring und nach seiner Honda, die er im Jahr 2000 neu gekauft und für Renneinsätze präpariert hatte. Bevor er sie für die Straße zurückrüstete, erfuhr die Honda VTR 1000 SP-1 ihre Feuertaufe auf der Isle of Man: arbeitete sich ab auf der TT und dem Manx-Grand-Prix.
Als Einfahrprozess etwas unorthodox, gibt Chris zu. Später nutzte er jede sich bietende Gelegenheit, London zu verlassen und mit der 1000er die Kultstätte in der Eifel unsicher zu machen. Irgendwann schob er als Ring-Marshall Dienst und fuhr privat weiter schnell. Doch an einem Herbstabend passierte es: Chris schmiss seine geliebte Honda VTR 1000 SP-1 im Pflanzgarten weg und landete im Krankenhaus von Adenau. Kaum wieder bei Bewusstsein, bestellte er zum Entsetzen der Ärzte aus dem Bett heraus Ersatzteile: Lenker, Armaturen, Tank, Remus-Endtöpfe. Über den Winter baute Chris die Honda wieder auf. Er organisierte seinen Ruhestand, sagte London „good bye“ und zog zu Gesa nach Köln.
Chris deutlich jüngere Lebensgefährtin fühlte sich hinten auf der Honda spontan wohl. Ein Soziussitz von „Alles-fürn-Arsch“, einem Eifeler Spezialbetrieb für Motorradsitzbänke, bescherte der groß gewachsenen Dame eine fürstliche Aussicht. Bequem kann sie über den Helm von Chris nach vorne schauen, sieht die Kurven genauso schnell wie er. Gesa trägt einen Rucksack, hinter ihr ist noch ein Packsack aufgeschnallt. Vor Chris türmt sich ein Tankrucksack. So transportiert das Paar das gesamte Reisegepäck auch für Marathon-Touren. Die Honda VTR 1000 SP-1 trägt alles mit Würde, absolviert mit stoischer Ruhe schnelle Runden auf der Nordschleife oder endlose Kilometer auf der Landstraße. Autobahn-Etappen sind für Chris und Gesa nur Notlösungen.
So oft es geht, geben die beiden der druckvollen V2-Honda die Sporen. Jedes Jahr eine Europa-Tour, viele kleinere Trips dazwischen. Zur besseren Navigation trägt Chris eine transparente Tasche mit Landkarte auf seinem Rücken, Gesa schreit ihre Anweisungen nach vorn. Das funktioniert auch im elektronischen Zeitalter noch ganz gut.
Chris schwört auf einen Scottoiler, der die Lebensdauer der Kette verlängert. Er schätzt die mechanische Treue und Ausdauer seiner Honda VTR 1000 SP-1, pflegt und fordert sie. Bisher hat sie immer getan, was er wollte, sorgt für Perfektion und Glück. Chris Rat für längere Fahrten mit einem Bike, das eigentlich eine Renn-Replika ist, lautet: „Nach 200 Kilometern Pause machen, Tanken, Kaffee-Trinken, weiterfahren.“ Mit dieser Philosophie scheint auch die Honda keine Probleme zu haben.
Honda VTR 1000 SP-1 war Homologationsmodell für Superbike-WM 2000: Zweizylinder-V-Motor, quer eingebaut, vier Ventile pro Zylinder, Benzineinspritzung, Wasserkühlung, 999 cm3, 132 PS bei 9500/min, 102 Nm bei 8500/min, Gewicht fahrfertig 221 Kilogramm, Spitze 270 km/h.
Reifen über die Jahre:
Metzeler MEZ1; Pirelli Diablo/Corsa; Michelin Pilot Power; Michelin Pilot Road - aktuell 13 000 km pro Hinterreifen.
Ketten:
AFAM mit Renthal 16/41 Zähnen. Etwa 30000 km pro Kette.
Praktische Modifizierungen:
MRA Scheibe; Intercom (MIT 30); Power Commander; R & G Crash Protectors; Scottoiler; Harris Fußrasten; Fußrasten hinten fixiert; 3M-Kantleisten; Punktierungsspray.
Stürze:
Zwei in Production TT beim Training;
einer im Pflanzgarten Nürburgring 2005; einer im Adenauer Forst 2008 (Öl).
Gefahrene Rennstrecken:
Jurby - Isle of Man 2001; Silverstone GP-Strecke 2002; Spa 2002; Brands Hatch; Nürburgring GP Kurs 2006; Nordschleife: Chris über 550 Runden, mit Gesa über 300 Runden.
Längere Touren:
Französische Alpen 2006; Pyrenäen 2007; Tschechien, Polen 2009; Toskana 2010; italienische Alpen 2011; Österreich und Schweiz 2012, weitere folgen.