Ducati SuperSport S im Intensivtest
Kompakt, leicht und ein wunderbarer Sporttourer

Aussehen, Klang, italienisches Gespür für Dramatik: Die Ducati SuperSport S liefert, was eine Duc liefern muss. Weil kompakt und leicht, ist sie auch ein wunderbarer Sporttourer. Vor allem aber unternimmt diese Ducati einiges, um mit alten Vorurteilen aufzuräumen.

Redakteur Johannes Müller mit der Ducati Supersport S.
Foto: Rossen Gargolov

Den kompletten Intensivtest der Ducati SuperSport S gibt es in ausführlicher Beschreibung als PDF zum Download.

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Intensivtest
Ducati SuperSport S - Liebe und Leichtsinn
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Vorurteile – sie machen die Welt so schön einfach. In jedem soll angeblich ein Fünkchen Wahrheit stecken. In unserer heilen kleinen Welt der vergnügungsorientierten Kraftradfortbewegung sagt die Mama aller Vorurteile: Italienische Motorräder verlangen Leidensbereitschaft. Sie sind unbequem, unpraktisch, unzuverlässig, unbezahlbar. Schlimmstenfalls alles. Teil der Folklore: Der Italophile übersieht diese Unzulänglichkeiten, denn er ist verliebt und folglich blind. Italienische Motorräder sind nichts für nüchtern kalkulierende Vernunftmenschen, die ein funktionales, unkompliziertes Gefährt für alle Lagen suchen. Nein, sie sind fürs Herz, für den Bauch – und fürs Hochzeitsgemüse.

SuperSport S mit Quickshifter und Öhlins

Womit wir eine Punktlandung bei Ducatis SuperSport-Baureihe geschafft hätten. Denn anders als der Name und die schneidige Schale es vielleicht vermuten lassen, handelt es sich bei der Ducati SuperSport, die hier im Übrigen als S-Variante mit Quickshifter und Öhlins rollt, um einen waschechten Sporttourer. Wir erinnern: Sporttourer, das waren durchaus vernunftorientierte Motorräder, die Sport und Tour möglichst umfassend unter einen Hut zu bringen suchten. Und die sich anhaltender Beliebtheit erfreuten, bis die SUV-isierung der Kradwelt ihren Lauf nahm und heute gefühlt nur noch Reiseenduros der Fünf-Zentner-plus-Marke um 20 Mille verkäuflich sind. Wir schweifen ab.

Genau. Sporttourer, mit Vernunft und Nutzwert, auch Alltag. Diese Ducati pfeift sicher nicht auf "emozione", will daneben aber ein funktionales, unkompliziertes Gefährt für alle Lagen sein. Und so das alte Vorurteil – unbequem, unpraktisch und so weiter – widerlegen. Ob das gelingt?

Ducati Supersport S
Rossen Gargolov
Ich messe 1,73 Meter, und mir passt die Ducati SuperSport wie ein maßgeschneiderter Handschuh. Ab etwa eins achtzig wird’s kuschelig, dann eng.

Auf 1,73 m passt die Ducati wie angegossen

Dafür spricht einiges. Zunächst: Lenkerstummel – Lenkerhälften vielmehr, auf hübschen Auslegern – in erträglicher, ja angenehmer Höhe, schön gekröpft. Knieschluss schmal und innig, Rasten in sportlicher, aber nicht marternder Lage, die fein gepolsterte Sitzkuhle in moderater Höhe: Ich messe 1,73 Meter, und mir passt die Ducati SuperSport wie ein maßgeschneiderter Handschuh. Klar, je größer, desto tendenziell einengender wird das ergonomische Dreieck; ab etwa eins achtzig wird’s kuschelig, dann eng, der Soziussitz taugt für wenig mehr als"mal eben jemand mitnehmen". Dies ist ein Solo- Motorrad für italienisch proportionierte Menschen – sorry, Vorurteil –, und das ist okay. Wessen Komfortbedarf alles unterhalb einer Gold Wing ausschließt, wird hier nicht glücklich. Alle anderen finden einen elegant austarierten Kompromiss: morgens aufsitzen, den ganzen Tag sportiv-versammelt, aber wohl geborgen über Land streunen, räubern, wischen, eckwetzen oder was der eigene Gusto sonst so verlangt, abends absteigen. Alle Gräten sind an Ort und Stelle, nichts ist taub. Tippitoppi!

Wischen und Wetzen, jottwehdeh, mit der SuperSport S sowieso ein Traum. Bevor wir zum Alltag kommen, wie man mit dieser Duc ohne viel Tamtam täglich zur Arbeit könnte oder ins Freibad oder wohin man so fährt, steht das Fahrgefühl an sich. Denn das ist die unbedingte Stärke dieses Kraftrads, sein Pfund. Dieses Pfund definiert sich zentral über Leicht-Sinn.

Ganz locker aus der Hüfte einlenken

217 Kilogramm wiegt eine SuperSport S im Serientrimm ab Werk, mit vollem 16-Liter-Tank. Der von uns im Rahmen dieses Intensivtests ausprobierte und für gut befundene Shido-Lithium-Akku spart mit federleichten 980 Gramm noch mal runde drei Kilo. Das hinreißende Ilmberger-Carbon, ebenfalls ausprobiert (Frontkotflügel, Endtopfblenden und kurzer Kennzeichenhalter), spart nur marginal Gewicht, wiegt dagegen schwer im Respekts-Departement am Treff, wie übrigens feinstes Rizoma-LED-Bling-Bling.

Ob es nun 214, 213 oder ohne Soziusrasten am Ende gar 211 Kilo sind, spielt eine untergeordnete Rolle, denn Leichtsinn ergibt eine Ducati SuperSport S immer. Zum Vergleich: 245 Kilo wiegt die VFR 800, 254 Kilo eine freilich in der Liga darüber angesiedelte R 1250 RS. Dieser eklatante Unterschied fährt permanent mit. Die austrainierte Drahtigkeit bewirkt ein ausgesprochen angenehmes, graziles, sehniges Grundhandling. Einlenken: ganz locker aus der Hüfte, beflissen, doch ohne Hektik, folgsam, linear und überraschungsfrei. Kurvenverlauf: stabiles Anlehngefühl, viel Raum für Korrekturen, kein Aufstellen über Wellen. Am Ausgang: unter Zug eng den Radius haltend, schließlich mit gut Schmalz auf der Stulle im Antritt. Schniekes, routiniertes Fahrverhalten, hoher Unterhaltungswert.

Gemessene 109 PS und 91 Nm

Um beim Antritt zu bleiben: Ein gehöriges Maß Fahrfreude steuert Ducatis famos guter 937-Kubik-L-Zwei hinzu, der mit gemessenen 109 PS, 91 Newtonmeter Drehmoment – und ganz viel davon in der unteren Mitte – dem Ideal des Landstraßen-Aggregats sehr nahekommt. Solltest du leistungsverwöhnt sein und nun die Nase rümpfen – dazu besteht kein Anlass, die SuperSport rennt prächtig. Ehrenwort. Man betrachte hierzu das Prüfstandsdiagramm (siehe PDF zum Download): ein Bergrücken wie gemalt, frei auch vom kleinsten Durchhänger oder Einbruch – war nicht immer so bei Testastretta-Motoren – mit dem Drehmomentmaximum in der oberen Mitte. Fleisch da, wo es für ein Motorrad dieser Gattung hingehört, Drehfreude, dazu ein fester Bariton. Voluminös, satt, fast schon feingeistig der Klang. So muss ein Sporttourer von Ducati klingen.

Einer der besten V2 derzeit am Markt

Diesen motorischen Elan nicht mit elendig langer Übersetzung gehemmt, ins leichte Chassis gesteckt, mit sauberer, präziser Gasannahme durch alle Fahrmodi garniert – war beileibe auch nicht immer so – und, zack, fertig ist ein Wonneproppen von einem Landstraßentriebwerk. Man muss nicht vor Liebe blinder Italo-Fan sein, um den 950er-Desmo-Twin als einen der besten V2 derzeit am Markt zu erkennen, womöglich sogar als besten V2 in realistischen Leistungsregionen überhaupt. Als Fahrmaschine jedenfalls ist die Ducati SuperSport S der pure Genuss.

Ducati Supersport S mit Gepäcksystem.
Rossen Gargolov
Koffer: Ausreichend Platz, schnelle Erweiterung per Reißverschluss, festes Einrasten am Halter, Abschließbarkeit, picobello Verarbeitung. Und sie sind leicht.

"Nun sag, wie hast du’s mit der Tour?", fragt man da frei nach Goethe: Die Ergonomie hatten wir bereits. Wem die Ducati SuperSport passt, der kann mit ihr auch – allein – auf Urlaubsreise gehen. Dann muss Gepäck ran: Ducati lieferte freundlicherweise eine S mit Touring-Paket, das neben (guten!) beheizten Griffen und einem getönten Windschild (den wir allerdings direkt gegen eine schwarze, höhere MRA-Scheibe getauscht haben) Seitenkoffer nebst benötigtem Trägergestell enthält. Kostenpunkt für das Paket: heftige 1.328 Euro (nur Koffer: 1.119 Euro). Kein Schnäppchen, und der Kofferträger selbst strapaziert unser ästhetisches Empfinden grenzwertig. Aber wenn die Koffer – eher stabile Softbags – dran sind, sieht man ihn ja nicht. Vor allem fügen sich diese, wie unten unschwer zu erkennen ist, sehr elegant ins Gesamtbild. Ihre Funktion ist sogar richtig gut: ausreichend Platz, schnelle Erweiterung per Reißverschluss, festes Einrasten am Halter, Abschließbarkeit, picobello Verarbeitung. Und sie sind leicht. Das teure Ducati-Gepäcksystem ist also keine ganz schlechte Wahl. Das Beste aber: Weil mit nur sechs Schrauben befestigt, ist es schnell wieder weg.

Flexibler, noch leichter, vor allem aber erheblich günstiger – 130 Euro! – und dank eines variablen Konzepts für die meisten Bedürfnisse auch ausreichend wäre eine mittelgroße Hecktasche wie die ION M von SW-Motech, die sich dank sinnvoller werksseitiger Verzurrschlaufen auch sicher und leicht auf dem Soziussitz anbringen lässt. Wie viel Gepäck muss denn nun sein? Das bleibt Frage der persönlichen Vorliebe, möglich ist mit der Ducati SuperSport S jedenfalls vieles.

Akzeptable Reichweite

Was sonst auf Tour wichtig wäre: Der Windschutz geht schon mit der serienmäßigen, einfach höhenverstellbaren Scheibe in Ordnung. Die schwarze MRA-Zubehörscheibe mit hohem Abweiser verbessert diesen noch, fügt sich auch optisch gut ein – ihr umlaufender Kan- tenschutz allerdings dürfte etwas fester sitzen. Hier würden wir zum Originalteil tendieren. Reichweite? Beim totalen Blümchenpflücken bis an die 300 Kilometer heran, bei flotterer Fahrt, erst recht auf der Autobahn (wo die Ducati SuperSport S bei hohen Geschwindigkeiten und mit viel Gepäck bolzstabil pfeilt) genehmigt sich der Twin mehr, geht zwischen 220 und 240 Kilometern auf Reserve. Noch akzeptabel, aber zwei Liter mehr im Tank würden wir auch nehmen. Wichtig: Was den fahrwerksseitigen Komfort betrifft, lohnt es sich unbedingt, das gelungene, aber grundsätzlich moderat straffe Werks-Set-up den eigenen Vorlieben anzupassen. Wir fanden noch spürbar mehr Federungskomfort, ohne das Handling zu verschaukeln. Der Einstellbereich der Öhlins-Ware ist weit, das Ansprechen eh sahnig. Unterm Strich also auch beim Touring eine durchaus passable Vorstellung. So weit, so Vernunft.

Damit in den Alltag, wo die konzeptionelle Auslegung als sportiver Leichttourer – oder als bequem gemachtes Sportmotorrad – mit Einschränkungen ebenfalls aufgeht. Kurz gefasst kann man mit der Ducati SuperSport S alles tun, was man auch mit einem einfachen Naked Bike machen kann, nur etwas gebückter, mit etwas mehr Vorderradbezug. Das moderate Gewicht, die kompakten Abmessungen bringen im Feierabendverkehr, beim Rangieren, beim Parken, schon Vorteile. Wermutstropfen: Das Blut des Motors ist zu warm für untertouriges Gezuckel in der City. Unter 3.000 Touren ist außer Unmut wenig zu holen. Auch verlangt die Kupplung vor allem bei kaltem Motoröl Aufmerksamkeit, und im Allgemeinen eine feste Linke. Man kann schon damit leben, diese Bella ist keine Diva. Aber bestimmt auch keine NC 750.

Ducati SuperSport S auf dem Hockenheimring

Dann ist plötzlich Sonntag auf dem Hockenheimring, und wir pressen den Sechsten durch die Parabolika voll aus: 244, 245, 246 Stundenkilometer meldet das LC-Display, dessen etwas schlichte Anmutung uns in diesem Moment nicht die Bohne juckt. Weil der Bremspunkt zu Kurve 6, der Spitzkehre, exakt getroffen sein will. Vollstens in die Eisen, bis hinunter in den Zweiten – hervorragende Bremsstabilität, das ABS macht auf der schärfsten der drei Stufen auch beim Trackday eine Topfigur. Es ist sengend heiß – über 40 Grad, der Asphalt flirrt –, die Bremskomponenten durchstehen out of the box die Hitzetortur Runde um Runde, ohne einzugehen und mit richtig amtlicher Verzögerungsleistung. Jetzt mit Schmackes umlegen: Gefühl fürs Vorderrad ist da, eine auskunftsbereite Grundtransparenz. Die Schräglagenfreiheit – wir zirkeln auf denselben Straßenreifen, auf denen wir in der Frühe zur Strecke gekachelt sind – reicht voll. Weich, doch so früh es geht, ans Gas: Auf den tieferen der acht Stufen nimmt uns die Traktionskontrolle weder Spaß noch Vortrieb, vermittelt aber das gute Gefühl, im ärgsten Fall noch zu helfen. Ihr Regelverhalten ist sensibel.

Die Ducati SuperSport S auf dem Racetrack beim TunerGP 2019.
Markus Jahn
SuperSport und Pirelli Rosso III können Spaß auf der Landstraße, Alltag und sogar den gelegentlichen Trackday.

Sicher, in Sachen Punch kommt die Ducati SuperSport an keiner serienmäßigen 600er vorbei. Nicht der springende Punkt: Wir fahren ein Renntraining auf demselben Motorrad, mit dem wir gestern aus dem Urlaub gekommen sein könnten, an dem vor zwei Stunden noch ein Kennzeichen hing und jetzt noch Rückspiegel. Und das nicht Nase bohrend, mit Hängen, Würgen, kochender Bremse, sondern spielerisch. Track-Einsteiger können die ersten Gehversuche ohne Weiteres mit einer serienmäßigen SuperSport S angehen. Ja, müssen nicht mal zwingend andere Reifen aufziehen, der breitbandige Pirelli Rosso III, eine Wahl, passend wie Faust aufs Auge, kann nicht nur Spaß auf der Landstraße (viel Grip, Stabilität), Alltag (auch kalt fahrbar, kurze Warmlaufphase, Verlässlich bei Nässe) – sondern, eben wie das Motorrad, sogar den gelegentlichen Trackday. Gut, Spanier mit Vornamen Marc oder Maverick, nicht die Zielgruppe also, brauchen am Ring Schärferes als einen guten Straßensportreifen. Wir aber haben bewiesen, was zu beweisen war: Fahrwerk wieder gesoftet, Kennzeichen dran, Luftdruck rauf, Tasche aufs Heck und flugs auf Achse nach Hause.

Kritik an Getriebe und Quickshifter

Sicher gibt es Kritikwürdiges. Ducatis Getriebe schaltet präzise, aber trocken bis hart. Der Quickshifter arbeitet – wenn man ihn nicht durch die Montage eines Zubehör-Kupplungshebels lahmgelegt hat – nur zufriedenstellend. Hastige Schaltfüße finden einen Leerlauf, wo keiner hingehört. Kettenpflege ohne Hauptständer? Nervig, ein Montageständer stellt eine fast zwingende Investition dar. Auch findet sich im Cockpit der Ducati SuperSport S, das wie angedeutet in seiner schlichten Art nicht so ganz zum Preisschild passen mag, weder ein 12-Volt-Anschluss (USB unterm Sitz) noch ein richtig guter Platz zur Navi-Montage. Auch das Nichtvorhandensein einer Schräglagensensorik lässt sich anführen, wobei nochmals hervorgehoben sei, dass die konventionellen Fahrhilfen sehr sauber arbeiten. Schließlich wäre ein Handrad zur Justage der Federbasis wirklich sinnvoll.

Zwar summieren sich diese kleineren Schwächen irgendwo, das ändert aber nicht den Befund: Konzeptionell trifft die Ducati SuperSport voll ins Schwarze. Unbequem und unpraktisch ist an dieser Italienerin nichts, auch besteht keinerlei Anlass, von Unzuverlässigkeit auszugehen. Nur der abschließende Blick aufs Preisschild, ab 15.000 Euro für ein S-Modell, zeigt: Eine gewisse Leidensfähigkeit finanzieller Natur bleibt Voraussetzung. Immerhin dieses Vorurteil bleibt uns also.

Fazit

Zwei Dinge solltest du mitbringen: ein kompaktes Gardemaß und gesunde Ignoranz gegenüber der Tatsache, dass dieses Motorrad mit nominell "nur" 110 PS 15.000 Euro kostet. Im Gegenzug bekommst du: einen herrlichen Motor, der außer Gezuckel alles kann. Ein extrem breitbandiges, durchaus bequemes, fahraktives Motorrad, das einfach in jeder Lage Spaß bringt. Feine Komponenten, Sound, Drama und natürlich einen der strahlkräftigsten Namen im Business. Ein tolles Konzept, der Sporttourer von Ducati. Übrigens: Wem der gelegentliche Trackday egal ist, der fährt mit der günstigeren Basis auch nicht viel schlechter.

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Erscheinungsdatum 15.09.2023