Italienische Klassiker
Trio für Tifosi

Wie fahren sich eigentlich die italienischen Halbliter-Maschinen Laverda 500 SFC, Moto Guzzi V 50 Monza und die Morini 500 Sei-V zwanzig Jahre später? Lohnt ihr Erwerb für Freunde italienischer Klassik?

Junge und junggebliebene Anhänger klassischer italienischer Motorräder schwärmen umso mehr von Königswellen-Ducati, großen Laverda-Zwei- und Dreizylindern und Moto Guzzis mächtigem V2 aus den 70er Jahren, je weniger sie willens oder fähig sind, die mittlerweile saftigen Preise dieses italienischen Dreigestirns zu bezahlen. Aber warum nicht das Ganze mal eine Nummer kleiner, dafür – mit Ausnahme der Laverda 500 SFC – wesentlich preisgünstiger angehen?
Moto Stefano, ein Unternehmen für italienische Oldtimer und Klassiker in Balingen-Roßwangen auf der Schwäbischen Alb (Adresse siehe Seite 117), beispielsweise bietet neben dem großen V2 aus Mandello dell’Lario auch kleinere Moto Guzzi sowie eine Moto Morini Sei-V an. Eine Laverda 500 SFC in Privatbesitz komplettiert das gefahrene Trio.
Gegenüber der Laverda 500 SFC, der seltenen Straßenversion der Cup-Rennmaschine – das C steht für competitione (Wettbewerb) –, sind die beiden anderen geradezu Massenartikel. Im Vergleich zur kostengünstigeren Konkurrenz aus Fernost friseten aber auch sie in Deutschland immer ein Mauerblümchendasein. Die 1981 vom Kölner Importeur Moto Witt für rund 8500 Mark angebotene SFC dürfte in Deutschland keine 50mal verkauft worden sein. Die Resonanz in der Fachpresse war gering, Leistung und Image gegenüber der Ducati Pantah bescheiden. Der Importeur bot die SFC bis 1983 an. Seinerzeit war der luftgekühlte Twin mit 180-Grad-Kurbelwellenversatz der einzige europäische Serien-Vierventiler.
Die Moto Guzzi V 50 Monza, aus der Baureihe III ab 1981 auf dem Markt und lediglich mit einer rahmenfesten Scheinwerferverkleidung sowie einem Stummellenker mit sportiverer Optik präsentiert, wurde hierzulande bis 1984 parallel zum Nachfolgemodell V 65 offiziell angeboten. Mit Parallel-Ventilen und nach dem Heron-Prinzip in die Kolbenböden integriertem Brennraum offeriert der horizontal teilbare Motor zahme Tourenqualitäten. Umso mehr überrascht die Leistungsangabe von stolzen 49 PS. Zudem sind die im alten Innocenti-Automobilwerk unter Alejandro de Tommasos Regie gefertigten Triebwerke den Ruf schlampiger Fertigung nie ganz losgeworden.
Die Moto Morini Sei-V – das Sei (sechs) steht für den ab 1982 installierten sechsten Gang im Getriebe – sieht schon ab Werk schneller aus, als der brave Stoßstangen-Tourenmotor zu leisten imstande ist. Das gefahrene Modell ist zusätzlich mit einer kleinen Lampenverkleidung und einem Motorspoiler ausgerüstet. Von der agilen Morini 3 ½ Sport verwöhnt, erwartete die deutsche Kundschaft von dem Halbliteraggregat deutlich mehr Schmackes. Die Werksangabe für den wie die Guzzi nach dem Heron-Prinzip aufgebauten Motor beträgt optimistische 41 PS.
Moto Stefano hatte alle drei Kontrahentinnen auf dem Dynojet-Rollenprüfstand gemessen. Nüchternes Ergebnis für die angegrauten Triebwerke: Laverda: 39, Guzzi 36 PS und bei der Morini lediglich deren 29. Zwar wurde die Leistung am Hinterrad gemessen, aber auch bei einer realistischen Umrechnung von sieben bis neun Prozent Mehrleistung an der Kurbelwelle bleiben die tatsächlich vorhandenen PS bei der Guzzi und der Morini deutlich hinter den Werksangaben zurück. Einzig die Laverda kommt fast an die nominelle Leistung heran.
Doch Prüfstandsergebnisse sind wohl in diesem Fall nur graue Theorie. In den Kehren des Lochenpasses südlich von Balingen offenbaren die drei Mittelklässler trotz fast gleichen Alters doch sehr unterschiedliche Charaktere. Bei der Laverda 500 SFC verblüfft schon beim Platznehmen die sehr hoch und weit hinten angebrachte Fußrastenanlage. Der zweiteilige Lenker ist zwar ausreichend hoch angeklemmt, aber der Fahrer ist auf dem kurzen Einzelsitz sehr rigide eingeklemmt.
Der Twin dreht auch mit geringen Schwungmassen willig hoch, allerdings bis fast 6000/min ohne die geringste Lust für dynamischen Vortrieb zu äußern. Da die Verbindungsstücke zwischen den offenen schnorchelnden Dellortos und dem unter dem Sitz platzierten Luftfilterkasten fehlen, benimmt sich der Viertakter von der Leistungscharakteristik wie ein unelastischer Zweitakter. Vielleicht ist der Besitzer der SFC von dem beachtlichen Ansaugeräusch, das die Lebensäußerungen aus den beiden formschönen Schalldämpfern in jedem Drehzahlbereich übertönt, so fasziniert, dass er dafür gewisse Nachteile in Kauf nimmt. Die knallharte Federung lässt keinen Zweifel daran, dass die Konstruktion für Cuprennen konzipiert wurde und lädt eher zum Rennstrecken-Törn als zur gemütlichen Wochenendtour ein.
Der von der Laverda wegen ihrer kompromisslosen Auslegung verunsicherte Fahrer kommt wahrscheinlich mit der Monza besser klar. Die Fahrerhaltung ist trotz ebenfalls geteiltem Lenker tourenmäßiger. Der 90-Grad-V-Motor muss ebenfalls kräftig bis über 4000/min auf dem unruhig anzeigenden Veglia-Drehzahlmesser rangenommen werden, bis sich das unüberhörbar bollernde Triebwerk mit deutlichen Ventilgeräuschen zur Leistungsaufnahme bequemt.
Gewöhnungsbedürftig bei der Verzögerung: Trotz Doppelscheibenbremse aktiviert ein Zug am Handbremshebels vorn nur eine Scheibe. Für wirkungsvolleres Ansprechen der Stopper muss der Pilot den Fußhebel tappen, der die zweite Scheibe betätigt. Die Federung der Laverda ist ebenfalls sehr hart, auch weniger Druck in der luftunterstützten Gabel nimmt ihr nicht einen gewissen störrischen Zug. Beim kräftigen Gasgeben bei höherem Tempo neigt das Vorderrad – offensichtlich durch Aufwind an der Verkleidung – zu leichtem Pendeln.
Der Start mit der Morini Sei-V klappt dagegen makellos. Der Tourenmotor gibt früh genug Leistung ab, um die Konkurrenz zu schlagen. Allerdings beginnt das 72-Grad-V-Triebwerk ab zirka 6500/min schon wieder schlapp zu machen, sodass fleißig in dem Sechsganggetriebe werden muss. Lediglich die ungewohnte Rechtsschaltung zwingt den Morini-Fahrer zur Vorsicht. Knappe Federwege in Verbindung mit einer dünn gepolsterter Sitzbank lassen den Fahrer jede noch so kleine Unebenheit der Straße spüren.
Die Morini gab es zum Aufpreis von rund 480 Mark mit Elektrostarter, der unter dem rechten Motordeckel über eine Kette mit Fliehgewichten eine Mitnehmerscheibe antrieb. Doch die Flanken mit Fliegewichten erlahmten im Alltagsbetrieb ziemlich rasch, so dass heute die Mehrheit der Fahrer ihren V-Twin mittels Kickstarter antritt. Die Schaltung des Deutschlandmodells war außerdem per Gestänge nach links verlegt, das mit einiger Pflege gute Dienste leistet.
An den kleinen Guzzi-Modellen gab es im ersten Produktionsjahr häufiger Probleme mit nachlässig verlegter Elektrik. Auch die Dichtigkeit der Kardanwelle, verzogene Zylinder und Ventilschäden sind in der Litanei der Kundenbeschwerden gang und gäbe. Die meisten der aufgetretenen Schäden haben die verbliebenen Guzzi-Spezialisten heute im Griff. Zumal die Ersatzteilsituation, natürlich nur, was Gebrauchtteile angeht, als zufriedenstellend zu bezeichnen ist.

Unsere Highlights

Leibfritz, Stefan: Interview

Stefan Leibfritz importiert seit 1984 italienische Motorräder der Marken Benelli, Moto Guzzi und Moto Morini? Wie und woher beschaffen Sie sich die italienischen Oldies?Hauptsächlich importiere ich die Italo-Klassiker direkt aus ihrer Heimat. Durch die dabei entstandenen Kontakte sowie meine Präsenz in der Oldtimerszene gelingt es nach wie vor, einen konstanten Nachschub zu garantieren. Bei einigen Modellen sind die Preise allerdings in Italien schon deutlich höher als hierzulande.? Warum liegt der Schwerpunkt auf Guzzi und Morini? Neben einem guten Angebot stimmt bei beiden Fabrikaten noch das Preis-Leistungs-Verhältnis. Wenn das stimmt, importiere ich auch andere Fabrikate.? Wickeln Sie den Verkauf auch über Internet ab? Zirka 50 Prozent aller Verkäufe bahnen sich über das Internet an. Das gilt für Deutschland wie auch für das europäische Ausland.? Sind die Preise in den letzten Jahren konstant geblieben? Nein. Gefragte Modelle wie die V7 Sport bis zu den frühen Le Mans oder California von Guzzi sind angestiegen, ebenso sämtliche Morini-3 ½-Modelle mit Speichenrädern, vor allem jedoch die frühen Sport-Modelle haben sich verteuert. ? Werden nicht allmählich die Ersatzteile knapp? Engpässe kann es schon mal geben. Aber generell würde ich die Situation für die Kunden als gut bezeichnen. Speziell Guzzi-Teile sind problemlos und überwiegend sehr preiswert zu besorgen.? Sie sind Profi im Geschäft. Haben Sie trotzdem noch ein Traummodell, das Sie in einer italienischen Scheune spottbillig zu entdecken hoffen? Ich interessiere mich sehr für Benelli. Einige Vorkriegsmodelle bewege ich regelmäßig. Ein DOHC-Renner aus den 30er Jahren fehlt noch – wahrscheinlich für immer – in meiner Sammlung.

Adressen

Gebrauchtmaschinen, Instandsetzung, Ersatzteile, Literatur/InternetLaverdaLaverda Racingteam, Reichenaustraße 186, 78467 Konstanz, Telefon 07531/61198OCT Orange-Cycle Team, Dom-Esch-Straße 83, 53881 Euskirchen, Telefon 02251/970752Importeur: Stein-Dinse, Im alten Dorfe 3, 38112 Braunschweig, Telefon 0531/21021-0, Internet www.stein-dinse.dewww.guzzi.com.au/forum/laverda/index.htmlwww.groups.yahoo.com/group/zanelistMoto GuzziMoto Stefano, Stefan Leibfritz, Oberer Brühl 40, 72336 Balingen-Roßwangen, Internet www.motostefano.deLust, Bonner Wall 124, 53842 Köln, Telefon 0221/93707070, www.motorrad-lust.deMoto-Spezial, Uracher Straße 23, 72532 Gomadingen, Telefon 07385/1692Stein-Dinse, siehe obenMoto MoriniMoto Stefano, siehe obenMoto Rosso-Morini, Telefon 0631/3703585Wolfgang Tritsch, Schwabenmatten 7, 79292 Pfaffenweiler, Telefon 07664/60300, www.W-Tritsch.deZweirad-Technik Heim, Roßbacher Straße 3, 35649 Bischoffen-Niederweidbach,Telefon 06444/1852, www.heim-racing.comThomas Schwiebert, Fasanenstraße 19, 38102 Braunschweig, Telefon 0531/336830Literatur/InternetFür Morini: La Strega, Redaktionsadresse Thorsten Heller, Passauer Straße 71, 42697 Solingen, Telefon 0212/ 78395, Internet www.lastrega.deAlle italienischen MarkenMotalia, Verlag Felix Hasselbrink, Schönberg Straße 2, 244321 Lütjenburg, Telefon 04381/7701, www. motalia.de www.italobikes.de

Technische Daten: Morini 500 Sei-V

Morini Sei-VMotorLuftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-72-Grad-V-Motor, eine untenliegende, zahnriemengetriebene Nockenwelle, je zwei parallele, über Stoßstangen und Kipphebel betätigte Ventile pro Zylinder, Dellorto-Vergaser, 0 26 mm, kontaktose Kondensator-Zündung, Bohrung x Hub 69 x 64 mm, Hubraum 478 cm3, Nennleistung 32 kW (43 PS) bei 7500/min, Fünfganggetriebe, Rollenkette, E-/Kickstarter.FahrwerkDoppelschleifen-Rohrrahmen, Marzocchi-Telegabel, Standrohrdurchmesser 35 mm, Zweiarmschwinge aus Stahl, zwei Marzocchi-Federbeine, Federbasis verstellbar, Doppelscheibenbremse vorn, 0 260 mm, Scheibenbremse hinten, 0 260 mm, Leichtmetallräder, Federweg v/h 140/60 mmMaße und GewichteSitzhöhe 770mmTankinhalt/Reserve 14/2,5 LiterGewicht 184 kgService-Intervalle alle 5000 kmBeschleunigung0 bis 100 km/h 6,9 sekHöchstgeschwindigkeit 154 km/h

Technische Daten: Moto Guzzi V 50 Monza

Moto Guzzi V 50 MonzaMotorLuftgekühlter Viertakt-90-Grad-V-Motor, eine untenliegende, kettengetriebene Nockenwelle, je zwei über Stoßstangen und Kipphebel betätigte Ventile pro Zylinder, zwei Dellorto-Vergaser, 0 24 mm, kontaktlose Kondensatorzündung, Bohrung x Hub 74 x 57 mm, Hubraum 490 cm3, Nennleistung 36 kW (49 PS) bei 7600 /min, Fünfganggetriebe, Kardan, E-Starter.FahrwerkDoppelschleifen-Rohrrahmen, luftunterstützte Telegabel, Standrohrdurchmesser 35 mm, Zweiarmschwinge aus Stahlrohr, zwei Federbeine hinten, Federbasis verstellbar, Doppelscheibenbremse vorn, 0 260 mm, Scheibenbremse hinten, 0 235 mm (Integral-System), Leichtmetallräder, Federweg v/h 120/80 mm.Maße und GewichteSitzhöhe 780 mmTankinhalt/Reserve 16/3 LiterGewicht ?? kg Service-Intervalle alle 3000 km eschleunigung0 bis 100 km/h 8,1 sek Höchstgeschwindigkeit 158 km/h

Technische Daten: Laverda 500 SFC

Laverda 500 SFCMotorLuftgekühlter Zweizylinder-Viertaktmotor, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, je vier über Tassenstößel betätigte Ventile pro Zylinder, zwei Dellorto-Vergaser, 0 32 mm, kontaktlose Bosch-Zündung, Bohrung x Hub 72 x 61 mm, Hubraum 497 cm3, Nennleistung 33 kW (45 PS) bei 8000/min, Sechsganggetriebe, Rollenkette, E-Starter.FahrwerkRohrrahmen aus Stahl, Marzocchi-Telegabel, Standrohrdurchmesser 35 mm, Zweiarmschwinge, zwei Marzocchi-Federbeine hinten, Doppelscheibenbremse vorn, 0 260 mm, Scheibenbremse hinten, 0 260 mm, Leichtmetallräder, Federweg v/h 120/ 80 mm.Maße und GewichteSitzhöhe 770 mmTankinhalt/Reserve 14,4/5 LiterGewicht 194 kgService-Intervalle alle 5000 kmBeschleunigung0 bis 100 km/h 6,3 sekHöchstgeschwindigkeit 168 km/h

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023