Formatfüllend postiert sich der hochbeinige Geländehobel im Rückspiegel der Sportskanone. Selbst auf den viel zu kurzen Geraden nutzt dem Gehetzten die theoretische Überlegenheit seines kreischenden Vierzylinders wenig, er versucht schlingernd den letzten Bremspunkt vor der nächsten Kehre zu erwischen, rammt beim Einlenken schier die Lenkerstummel in den Asphalt. Doch schon in der nächsten Ecke könnte ihm die aufdringliche Dreckschleuder unterm Lichtmaschinendeckel durchwitschen. Der letzte, wenn auch unehrenhafte Ausweg vor einer ehrenhaften, aber meist auch folgeschweren Kaltverformung: Blinker rechts und raus. Zum Kaffee trinken. Oder zum Rauchen.
In diesem Fall genügt auch ein kurzer Wink zum Maschinenwechsel, denn der wieselflinke Grobstöller, Marke Husqvarna TE 610 E, ist eines der drei MOTORRAD-Versuchskaninchen. Stefan Kaschel heißt der Gejagte, absolviert derzeit ein Praktikum in der Testredaktion und vertritt die Sparte des ganz normalen Motorradlers, ohne Meistertitel, ohne Rundenrekord, aber mit einer ausgeprägten Leidenschaft zum sportlichen Kurvenwetzen, das er seit Jahren auf einer Suzuki GSX-R 750, Baujahr 1991, praktiziert.
Es quietscht und staubt, Testkollege Matthias Schröter, Hobby-Rennfahrer in der MOTO aktiv- Langstrecken-Klasse, poltert auf den Parkplatz und schiebt sich eine Fluppe ins Gesicht. Ein Päuschen ihn Ehren ... und überhaupt muß die Sache jetzt endgültig geklärt werden, warum hier wer, wem und mit welchem Stuhl die Ohren absägt. Schließlich stellt seine halbnackte Fazer 600 scheinbar den idealen Schnittpunkt dar zwischen brachialer Sportlichkeit, vertreten durch Kawasakis ZX-6R, und der vielseitigen Mobilität in Gestalt der Husky.
Logisch, unter normalen Testkriterien hinkt dieser Dreier-Vergleich wie ein lahmer Gaul. Aber mit ihm lassen sich folgende Fragen beantworten: Was ist eigentlich Handlichkeit, und warum um Gottes Willen fährt so ein lahmer Geländehobel rassigen Straßensport-Bikes eine Kante ins Blech?
Ausnahmsweise nicht in den Alpen - die hängen für Tage in trostlosem Nieselregen -, sondern auf den zerklüfteten Straßen und Sträßchen der Schwäbischen Alb macht sich das Trio ans Werk. Die Fazer brettert voraus. Locker hinterm Rohrlenker aufgespannt, behält ihr Reiter den Überblick auch dann, wenn sich das frisch tapezierte Asphaltband ansatzlos zur Serpentine windet. Spielübersicht nennt man das. Wenn dann noch Durchzugskraft und Bremsen stimmen, läßt sich der Wohlfühl-Effekt kaum mehr steigern. Was kostet die Welt? Wenn´s gut geht, hundert Mark und ein paar Punkte in Flensburg.
Kein Zweifel, das Yamaha-Konzept aus bärenstarkem 600er Motor und souveränem Überblick verleitet zu unverschämt flottem Tempo, ohne Streß, ohne Krampf - einfach so. Weil sich 217 Kilogramm auf relativ schmalen Reifen (110 und 160 Millimeter) auch auf der Bremse lässig in die Kurve werfen und katapultartig zur nächsten Kehreschleudern lassen. Hat sich da gar ein Stückchen Enduro eingeschlichen? Sobald der Asphalt allerdings Wellen schlägt, rudert die Fazer mit ihrem einfach gestrickte Fahrwerk etwas orientierungslos übers zerfurchte Terrain, beginnt zu schunkeln und zapeln.
Ganz im Gegensatz zur Kawasaki ZX-6R. Mit ihren tief montierten Lenkerstummeln ist sie zwar weit entfernt von der komfortablen Herrenreiter-Position der Fazer, vermittelt jedoch über die straff und sorgfältig gedämpften Kawaski-Federelemente selbst auf dem übelsten Rübenacker absolute Klarheit über die fahrphysikalischen Grenzen. In Sachen Handlichkeit muß sich der breiter bereifte Supersportler (120 und 170 Millimeter) zwar nicht verstecken, fordert aber beim Einbremsen in sich zuziehenden Hundekurven schon ziemlich viel Lenkkraft, um in der Spur zu bleiben.
Als Gegenleistung fädelt sich die ZX-6R messerscharf durch Wechselkurven aller Art. Einmal auf Kurs, gibts kein Wenn und Aber. Nichts wackelt, nichts eiert - immer ein sattes Gefühl für das, was man tun oder lassen sollte. Einziges Manko: die nach vorn geneigte Sitzhaltung, die den souveränen Überblick bei mysteriösen Straßenverhältnissen und undurchsichtigem Verkehrsgewühl einschränkt. Mit 112 PS für gerade mal 203 Kilogramm setzt die kleine Kawasaki neue Maßstäbe in Sachen Fahrdynamik.
Von denen ist die Straßenwetz-Enduro weit entfernt. Husqvarnas neue Soft-Maschine quetscht nicht einmal die Hälfte der ZX-6R-Power aus dem wassergekühlten Einzylinder, schiebt aber auch mit rund 40 Kilogramm weniger durch die Landschaft. Das Ergebnis findet sich, wie anfangs bereits erwähnt, formatfüllend im Rückspiegel von Fazer und ZX-6R, und wenns ganz eng wird, flutsch - durch unterm Lichtmaschinendeckel. Warum? Weil die Husky auf schmalen, aber griffigen und im Grenzbereich gutmütigen Metzeler Enduro 3-Reifen (90 und 140 Millimeter) daherbalanciert und weil die extrem schlanke Tank/Sitzbank-Kombination dem Fahrer jenen Spielraum läßt, der notwendig ist, um die Kiste ohne Federlesens in akrobatische Schräglagen zu pressen. Aufrechter Oberkörper, breit angestellte Ellbogen, funkensprühende Rasten - keine Kehre ist eng genug, um das Gespann aus dem Tritt zu bringen.
Solche Husarenstückchen gelingen allerdings erst nach einer intensiven Eingewöhnungsphase. Mit reichlich viel, aber satt gedämpften Federwegen ausgerüstet, reagiert die Husqvarna auf Bremsmanöver und Lastwechsel mit einem gehörigen Abtauchen der Frontpartie. Andererseits ignorieren die ellenlangen Federwege auch noch so wüste Schlaglochpisten, und die kaum handbreiten Pneus lassen sich selbst von Längsrillen und Fahrbahnverwerfungen nicht aus der Spur zwingen.
Und genau auf diesem Terrain liegt die wirkliche Überlegenheit der Enduro-Gattung.
Spätestens bei Tempi über 100 km/h wandelt sich die spielerische Leichtigkeit in eine eher störrische Eigenwilligkeit, die sich nur der mächtigen Hebelwirkung des 810 Millimeter breiten Lenkers beugt. Flotte Schräglagenwechsel in kurzer Folge zwingen jetzt zum beherzten Zugriff. Je höher die Geschwindigkeit, je schneller die Kurven, desto steifer und unwilliger folgt das Hochrad den Lenkimpulsen. Eine Folge der auf Stabilität getrimmten Lenkgeometrie in Verbindung mit den endurotypischen großen Rädern (siehe Kasten Seite 40/41). Fazer und ZX-6R schließen auf und pfeifen dank sattem Leistungsüberschuß und tadelloser Handlichkeit im Formationsflug vorbei.
Päuschen, noch ne Fluppe, und das Ganze jetzt langsam zum Mitschreiben. Oder noch besser: Wir stecken einen wunderbar verzwickten Handlingkurs ab, lassen alle drei Maschinen von den 2D-Elektronik-Spezialisten verkabeln und staunen über die unbestechlichen Meßwerte zum Thema Handling. Denn die bloße Auswertung der Rundenzeiten brächte nicht mehr als ein grobe Tendenz, ohne daß sich tatsächliche Vor- und Nachteile in den einzelnen Sektionen eindeutig analysieren lassen.
Was bisher aus subjektiven Testerfahrungen von über 500 Landstraßenkilometern zusammengetragen wurde, soll auf dem rund 1300 Meter langen Parcours aus engen Kehren, verschachtelten Kurvenkombinationen und unterbrochen von zwei listigen Fang-den-Hut-Spielchen die endgültige Bestätigung finden - oder auch nicht. Neben der Aufzeichnung von Geschwindigkeit, Brems- und Beschleunigungsmanövern erfaßt ein elektronischer Sensor die Fahrzeugbewegungen um die Längsachse. Damit lassen sich nicht nur Schräglagenwechsel, sondern auch etwaige Unruhen im Fahrwerk aufzeichnen und analysieren.
Die Wetten sind gelaufen, Yamahas Fazer steht ganz oben auf der Hitliste, dicht gefolgt von der Husqvarna. Chancenlos rangiert der Supersportler auf dem letzten Rang. Die Testcrew traut dem breitbereiften Renner kein sonderlich flottes Tänzchen durch den Slalom zu. Breiter Lenker, schmale Reifen, nur das bringt Handlichkeit und Speed. Minuten später stellt die Kawasaki sämtliche Vermutungen gründlich auf den Kopf. Nicht nur, daß sie in Windeseile um die Pylonen pflügt, sondern die ZX-6R vermittelt allen drei Testfahrerern durch die stramme Fahrwerksabstimmung und die messerscharfe Lenkung am meisten Sicherheit. Ein bis dato rein subjektives Urteil, das jetzt durch die elektronischen Aufzeichnungen bestätigt wird.
Genau hier liegt der wunde Punkt am Yamaha-Chassis. Was sich auf zerfurchten Landstraßen ankündigte, findet in den Wechselkurven der Teststrecke seine Fortsetzung. Die in extremen Fahrsituationen zu komfortabel ausgelegte Feder/Dämpfer-Abstimmung bringt Unruhe ins Gestühl und zwingt die Fazer - trotz federleichter Lenkung - zuweilen von der Ideallinie. Nur »Schrotti« Schröter, bekennender Fazer-Liebhaber, bevorzugt den weichen, runden, aber eben nicht ganz so effizienten Touring-Fahrstil und markiert dabei mit der FZS 600 seine persönliche Bestzeit.
Schlappe Bremsen und die ausgeprägten Federbewegungen der Enduro verunsichern den Vielfahrer dagegen dermaßen, daß die Husqvarna mit 1,5 Sekunden Rückstand seine Rangliste abschließt. Auch Steffan Kaschel hat alle Probleme der Welt, den Off Road-Single präzise und schnell um den Kurs zu prügeln. Er traut sich mit der Kawasaki am meisten zu, fährt mit ihr die shnellste Rundenzeit und schwärmt noch Tage später vom zielsicheren Einlenken, dem stabilen Chassis und den brachialen Bremsen. Die etwas knatschig weiche Abstimmung der FZS 600 steht Bestzeiten im Weg und ist Beweis genug dafür, daß sich eben nur ein echter Sportler echt sportlich bewegen läßt. Basta.
Um die Verwirrung zu komplettieren, parkt der Autor selbst die Husqvarna auf der Pole Position, wirft sie dabei nicht nur am schnellsten durch den Slalom, sondern drischt mit fast derselben Kurvengeschwindigkeit durch die Kreisbahn, die er mit der breitbesohlten Kawasaki vorlegt hat. In einer Gratwanderung an der Haftgrenze, die aber leicht zu kontrollieren ist, wetzt die Husky um den Parcours und kompensiert mit hohen Kurvengeschwindigkeiten und einer makellosen Darbietung im Riesenslalom den Zeitverlust auf den Geraden, wobei Yamaha und Kawasaki eine bis zu 15 km/h höhere Topspeed vorlegen.
Erstaunlich: Beim Beschleunigen bis rund 80 km/h handelt sich die 48 PS schwache Enduro nur minimale Zeitverluste ein. Die Ursache: das knackig kurz übersetzte Sechsganggetriebe und der drehfreudige Motor. Mit ein Grund dafür, daß sich viele Enduros im Serpentinen-Karussell der Alpen auf den kurzen Geraden von den schwergewichtigen Big Bikes nicht so ohne weiteres abledern lassen.
Ein weiterer Knackpunkt beim Handlingtest: der Fahrstil. Während Fahrer eins und zwei auf körperlichen Einsatz weitgehendst verzichten, macht sich Fahrer drei seine Moto Cross-Praxis zunutze, drückt die Maschine in den ganz verwinkelten Ecken in haarsträubende Schräglagen und schießt Sekundenbruchteile später mit reichlich Gas davon.
Fazit: Nur wer den beherzten Enduro-Fahrstil mit der Husqvarna konsequent umsetzt, macht sich im engen Geläuf der Alpenpässe auch tatsächlich aus dem Staub. Hat der Sportler sein Heizgerät im Griff und dreht ordentlich an der Strippe, wird es für den Enduristen ganz schön eng. Denn weder die breiten Schlappen noch der schmale Stummellenker hindern an einer fixen Kletterpartie. Klar, der ultimative Alpenkönig sieht anders aus. Der Yamaha-Vorschlag zeigt, wie es gehen könnte, vorausgesetzt, man perfektioniert den wieselflinken Kurvenräuber mit straffer Dämpfung und einem soliden Chassis. Was bei einem Preis von rund 12 000 Mark wohl leider nicht zu machen war. Doch nobody is perfect, auch Motoräder nicht. Und so bleibt es weiterhin jedem selbst überlassen, seine Fazer mit besseren Federelementen oder sein Superbike mit einem breiten Lenker auf seine ganz persönlichen Bedürfnisse zurechtzuschneidern, um dann locker-lässig durch die Kehren der Alpen zu zacken.
Praxis-Tip: Haarnadelkurven richtig fahren
Das Highlight jeder Motorrad-Saison ist und bleibt eine Tour über die Alpenpässe. Mehr Kurven auf weniger Kilometer in atemberaubender Landschaft lassen sich nirgends anders finder. Ein heikles Unterfangen dabei: die engen Serpentinen. Ein paar wichtige Fahrtips für Alpen-Neulinge helfen hier weiter.O Besonders ärgerlich sind Motorräder mit starken Lastwechselreaktionen, die einem den Strich gründlich vermiesen können. Etwas Besserung stellt sich ein, wenn das Spiel im Gaszug so weit wie möglich reduziert wird und die Antriebskette möglichst wenig Durchhang aufweist.O Bei Fahren in Gruppen so viel Abstand zum Vordermann lassen, daß man seinen Schwung um die engen Kurve beibehalten kann und nicht abbremsen muß, denn das zerstört jeglichen Rhythmus.O Nach dem Einlenken auf der Ideallinie (siehe Skizze/rote Linie) möglichst rasch, aber sanft Gas geben, denn nur unter Zug läuft die Maschine sauber ums Eck. Wenn nötig überschüssige Geschwindigkeit durch leichtes Bremsen mit der Hinterradbremse abfangen. · Je höher der Paß, desto niedriger die Luft- und Asphalttemperaturen, die Reifen kühlen dann schnell ab und können trotz ständiger Kurvenfahrt an Haftung verlieren. Achtung: Abseits der von den Autos befahrenen »Ideallinie« liegt meist jede Menge Rollsplit und Schmutz. Sturzgefahr! · Enge Kehren lassen sich leichter bewältigen, wenn die Maschine zur Kurveninnenseite gedrückt wird, der Oberkörper bleibt dabei fast senkrecht (siehe Foto). · Vorausschauend fahren, bereits bei der Anfahrt zur nächsten Kehre Blickkontakt (Skizze links) zum möglichen Gegenverkehr aufnehmen. Beim Einlenken in die Kehre den Blick auf den gewünschten Ausgangspunkt richten. Nicht zu früh einlenken, da die Maschine in Rechtskurven sonst zu weit in Richtung Gegenfahrspur geraten kann. · Meist verlieren die Motoren in der dünnen Höhenluft spürbar an Leistung und Drehfreudigkeit. Auch Zündaussetzer sind durch die Gemischüberfettung möglich. Das verlängert die Überholvorgänge, speziell bei Maschinen mit weniger als 50 PS und hoher Zuladung.
Technik transparent: Fahrwerksgeometrie
Hinter Handlichkeit, dem Zauberwort für Kurvensüchtige, verbirgt sich jede Menge Wissenswertes über die Fahrwerksgeometrie und deren Einflüsse auf die Fahrdynamik, die je nach Einsatzzweck unterschiedlich ausfällt. Anhand der klassischen Enduro und der supersportlichen Kawasaski lassen sich diese Daten und ihre Auswirkungen anschaulich vergleichen und erklären. Der Radstand, also der Abstand zwischen Vorder- und Hinterachse, bewirkt einen mehr oder weniger stabilen Geradeauslauf. Langer Radstand = gute Fahrstabilität, aber schlechtes Handling. Kurzer Radstand = handlich, aber geringere Fahrstabilität. Der Lenkkopfwinkel ergibt sich aus der Schrägstellung des Lenkkopfs, in dem die Gabel drehbar gelagert mit dem Rahmen verbunden ist. Ein steiler Lenkkpf (ab 66 Grad und steiler) bringt eine direkte, präzise Lenkung und gute Handlichkeit. Ein flacher Winkel erhöht die Fahrstabilität und macht die Lenkung weniger empfindlich gegen Störeinflüsse der Fahrbahn. Die Lenkbewegungen werden bei flachem Lenkkopf sehr indirekt auf die Fahrbahn übertragen (siehe Skizze 3 und 4). Der Nachlauf ist der Abstand zwischen dem Punkt, in dem die Lenkachse auf die Fahrbahn trifft und dem Radaufstandspunkt (Skizze 2). Ein kurzer Nachlauf ( 90 mm und weniger) verbessert das Handling und reduziert die Lenkkräfte, ein langer Nachlauf (ab etwa 110 mm) stabilisiert die Lenkung. Zu beachten: je kleiner der Versatz von Lenkachse zu Radachse desto größer der Nachlauf, und umgekehrt. In Verbindung mit dem Lenkkopfwinkel bestimmt der Nachlauf die Rückstellkraft der Lenkung in die Nullage und wirkt somit sich somit stabilisierende auf die Lenkung aus. Achslastverteilung des Gesamtgewichts auf Vorder- und Hinterachse. Ein wenig belastetes Vorderrad lenkt sich mit wenig Kraft und vermittelt dem Fahrer einfaches Handling. Die Nachteile: Bei sportlicher Fahrweise neigt das Motorrad zu einer unpräzisen Lenkung, das Vorderrad tendiert dann zum untersteuern und schiebt dabei in Kurven in Richtung Außenrand. Die Lenkung wird beim Bescheunigen und bei hohem Tempo nervös und anfällig für Störeinflüsse der Fahrbahn, bis hin zum Lenkerschlagen. Gut ausbalancierte Sportmaschinen sind meist auf über 50 Prozent Vorderachslast getrimmt. Die Lenkkräfte nehmen dann etwas zu, dafür erhöht sich die Kurvenpräzision und die Rückmeldung an den Fahrer. Die Kreiselkräfte der Räder machen es erst möglich, daß ein Motorrad sicher geradeaus läuft. Sie sind abhängig vom Massenträgkeitsmoment der rotierenden Massen (Räder, Reifen, Bremsscheiben usw.) und deren Drehzahl. Hohe Kreiselkräfte verschlechtern jedoch das Handling bei schnellem Tempo, da sich die Räder dann nur noch mit viel Kraftaufwand aus ihre Drehebene, also der Geradeaus- oder Kurvenfahrt bringen lassen (Skizze 1, praktischer Versuch mit einem ausgebauten Rad). Je größer die Räder und deren Massen sind, desto größer werden die Massenträgheitsmomente (im Kasten in Nms² bezeichnet). Beim direkten Vergleich der kleinen 17- Zoll-Räder und der 21- bzw. 18-Zoll-Enduroräder wird dies deutlich (Kasten unten). Deshalb werden bei Werks-Rennmaschinen Räder aus superleichtem und hochfestem Kohlefaserlaminat verwendet. Federweg und Abstimmung der Dämpferelemente beeinflussen die Handlichkeit speziell in Wechselkurven. Geringe Federwege mit hoher Druck- und Zugstufendämpfung wirken sich positiv auf die Handlichkeit und Kurvenstabilität aus, schränken aber den Komfort ein. Weich abgestimmte Maschinen verlieren infolge der ausgeprägten Ein- und Ausfederbewegungen an Handlichkeit und Lenkpräzision.Weitere entscheidende Faktoren für die Handlichkeit sind das Gesamtgewicht, die Schwerpunktlage, Massenkonzentration, Reifenbreite und -kontur, aerodynamische Verhältnisse und nicht zuletzt Sitzposition und Lenkerbreite (siehe Heft 9/1998, Fahrversuche mit einer Ducati 916).