Fast hätten wir geglaubt, wir würden die orangefarbenen Renner aus dem Veneto nie oder erst in ferner Zukunft wiedersehen. Im Jahr 2000 hatte die Aprilia-Gruppe Laverda nach einem langen Fall übernommen; von dem einst glorreichen Hersteller blieb nur der Name. Für Aprilia-Boss Ivano Beggio schien die Marke kaum eine Rolle zu spielen: »Wichtiger sind erst mal Guzzi und Aprilia. Laverda muss sich ein bisschen gedulden«, erklärte der Unternehmer noch im Frühsommer in einem MOTORRAD-Interview.
»Ein bisschen« scheint bei Beggio tatsächlich nur eine sehr kurze Zeitspanne zu bedeuten. Auf der Motorshow in Bologna präsentiert er jetzt überraschend die erste Laverda nach der Stunde null. Eine Rückkehr mit Pauken und Trompeten, denn Beggio setzt auf ein Bike aus edelsten Komponenten, das zunächst nur als Monoposto zu haben ist. Ende 2003 soll die Laverda 1000 SFC, so der erinnerungsträchtige Name, in limitierter Auflage von 300 bis 500 Exemplaren gebaut werden.
Äußerlich ein klarer Fall: Laverda pur. Dafür sorgen schon die flammend orangefarbene Lackierung und die Marchesini-Räder in ebenso traditionsreichem Königsblau. Die exklusive Monoposto lässt nur wenig schnödes Plastik an sich heran; es dominieren edle Werkstoffe wie Karbonfaser, Aluminium und Titan. Eine kleine Halbschale mit Hutzen für die Luftzuführung zur Airbox soll den Fahrer schützen.
Das rigorose Design, übrigens von der schon bei Laverda tätigen Mannschaft, gibt den Blick auf den großen V2 frei. Es ist der stark überarbeitete Rotax-Motor mit 60 Grad Zylinderwinkel, der erst 2004 in der neuen Aprilia mille debütiert. Dank einer Einspritzanlage mit üppigen, 57 Millimeter großen Drosselklappen, allerdings nur noch mit Einfachzündung, soll er mit 133 PS den Anschluss an die Zweizylinderkonkurrenz halten und die SFC 1000 auf stolze 280 km/h beschleunigen. Der Verbundrahmen aus Gitterrohrkonstruktion und gefräste Aluminiumteilen, die massive Aluschwinge und die bananenförmigen Endschalldämpfer aus Titan verleihen der Laverda ein eigenständiges Erscheinungsbild. Unterstützt davon, dass das Rahmenfachwerk nach dem Schweißen nur klar lackiert wird.
Selbst die Anhänger der Sportfraktion müssen angesichts der knappen Halbverkleidung nicht verzagen. Laverda hat eine spezielle Lösung parat: Mit Schnellverschlüssen können Racing-Fans Verkleidungsseitenteile aufgestecken, die den Motor verhüllen.
Bei den Komponenten ließen sich die Entwickler nicht lumpen und spendierten ein komplett einstellbares Fahrwerk mit Öhlins-Gabel und direkt an der Schwinge angelenktem Federbein. Auch die Position der Schwingenlagerung kann mittels Einsätzen variiert werden, was der individuellen Abstimmung weitere Möglichkeiten eröffnet. Mit Stolz verweist Laverda auf die »State of the art«-Bremsanlage von Brembo mit Radialpumpe und radial verschraubten Bremszangen. Bemerkenswert sind auch die geschmiedeten Aluräder sowie der Tank, der sich um die Airbox schmiegt.
Was die wieder erstandene Laverda kosten soll, bleibt derzeit noch das Geheimnis von Firmenboss Beggio. Billig wird«s bei so vielen noblen Teilen auf jeden Fall nicht werden. Doch Trost winkt in naher Zukunft: 2004 soll das Bike in etwas einfacherer Ausführung, also ohne Titan und Karbonfaser, in Serie gehen unlimitiert und so lange die Nachfrage anhält.
Laverda - Aufstieg und Fall
Die Familie Laverda stammte ursprünglich aus einem Weiler gleichen Namens am Fuß der Dolomiten, rund 60 Kilometer nordwestlich von Venedig. 1873 gründete Pietro Laverda im nahe gelegene Breganze eine Landmaschinenfabrik. Aufs Zweirad kam die Firma nach dem Zweiten Weltkrieg, als der motorradbegeisterte Franceso Laverda einen 75ccm-Einzylinder-Viertakter konstruierte. Es folgten viele kleinvolumige Modelle, in den sechziger Jahren auch einige Roller.Größere Motorräder baute Laverda ab 1968. Der große Durchbruch kam in den 70er Jahren mit dem 72 PS starken und 220 km/h schnellen Supersportler 750 SFC, dessen zahlreiche Erfolge bei Langstreckenrennen ihn bald zu einem Mythos machten.1976 wurde seine Produktion eingestellt, die folgenden 1000er- und 1200er-Zweizylinder erreichten seine Popularität aber nicht. Für Aufsehen sorgte 1977 die wassergekühlten 1000er V6 mit Kardan, die allerdings nur einen einzigen Auftritt hatte: Bei den 24 Stunden von Bol d«Or 1978 schaffte sie auf der Mistral-Geraden 265 km/h. Weil das Reglement im folgenden Jahr nur maximal vier Zylinder erlaubte, verschwand Laverdas ehrgeiziger Sechszylinder in der Versenkung.Im geschäftlichen Bereich fanden Kooperationen mit Husqvarna (ab 1975) und Zündapp (ab 1977) durch den Verkauf beziehungsweise Zusammenbruch dieser Firmen Anfang der 80er Jahre ein Ende. Dann ging es steil bergab. Die Produktion eines Geländewagens, der die Firma retten sollte, erwies sich als finanzielles Desaster. 1984 verkaufte die Familie Laverda die Landmaschinenfabrik, das Motorradwerk dümpelte vor sich hin. Fünf Modelle wurde 1986 noch produziert: Die 600er Atlas, die 1000 SFC und drei kleine Zweizylinder für den italienischen Markt. Laverda wechselte schließlich mehrmals den Besitzer;1993 übernahm eine Gruppe von regionalen Industriellen unter der Führung von Francesco Tognon die Marke. Sie verlegten die Produktion in eine Industriehalle in nahen Zané und versuchten mit 650er- und 750er-Zweizylindern wie der Ghost einen Neustart.Doch zunächst mangelte es den Motorrädern an Qualität, dann kam es zwischen den Gesellschafter zum Streit; die Firma schien wie gelähmt.. Ein letzter gelungener Auftritt gelang 1999 auf dem Pariser Salon mit der Lynx 650 mit Suzuki-Motor; sie ging aber nicht mehr in Produktion. Im Herbst 2000 schließlich übernahm die Aprilia-Gruppe die Marke.