Vor 25 Jahren revolutionierte die GSX-R 750 die Motorradwelt, die Bezeichnung "Supersport" genügte fortan nicht mehr. Mit der ersten GSX-R schuf Suzuki den Begriff "Hyper Sports". Ein Vierteljahrhundert später trifft die Ur-Gixxer auf ihre Enkelin.
Vor 25 Jahren revolutionierte die GSX-R 750 die Motorradwelt, die Bezeichnung "Supersport" genügte fortan nicht mehr. Mit der ersten GSX-R schuf Suzuki den Begriff "Hyper Sports". Ein Vierteljahrhundert später trifft die Ur-Gixxer auf ihre Enkelin.
wir schreiben das Jahr 1985. Im Land der aufgehenden Sonne findet ein folgenreiches Ereignis für die Motorradwelt statt: Die brandneue Suzuki GSX-R 750 rollt vom Band. Vollgetankt sensationelle 201 Kilogramm leicht, satte 100 PS stark und kompromisslos sportlich - eine bis dato einzigartige Kombination. Die Geburtsstunde des ersten Superbikes. Seine größte Konkurrentin, die gemäßig-tere Yamaha FZ 750, stemmt über 30 Kilo mehr auf die Waage. Der geschätzte ehemalige PS-Schreiberling Jürgen "Jupp" Schmitz bezweifelt zu dieser Zeit die Zukunftsfähigkeit des "Rennbolzens" Suzuki GSX-R 750. Er sollte sich gewaltig irren. Kaum ein anderes Bike beeinflusste künftige Motorradgenerationen so entscheidend wie die Ur-Gixxer.
Pünktlich zum 25-jährigen Jubiläum griff sich PS eine bestens erhaltene GSX-R 750 der ersten Baureihe. Bis auf Rückspiegel, Blinker sowie den hinteren Reifen (150 statt 140) ist das Bike im Originalzustand. Im Nordelsass trifft sie ihre jüngste Enkelin für einen gemeinsamen sportlichen Ausritt. Zuvor staunen die Tester, wie der Zeitgeist Mitte der Achtziger Sportlichkeit interpretierte: Glattflächige, schlicht gezeichnete Vollverkleidung; stattliche Front mit zwei Rundscheinwerfern und riesigem, halbkugelförmigem Windschild; weit heruntergezogene, großflächige Heckverkleidung; 18-Zoll-Fahrwerk. Auch die Sitzposition wirkt im Vergleich vorsintflutlich. Extrem tiefe und weit hinten montierte Sitzbank mit ausgeprägten Kuhlen, sehr hohe Rasten, hochragender und ewig langer Tank, hoch angebrachte Lenkstummel. Wie um Himmels willen, fragt man sich heute, konnten die Jungs damals mit diesem Material angasen?
Auf zum Selbstversuch! Mit auf Ohrenhöhe angewinkelten Knien und weit nach vorn gestrecktem Oberkörper nimmt der Autor vorsichtig die ersten Meter unter die Räder. Jetzt nur keine Unsicherheiten vor den Kollegen zeigen! Glücklicherweise führt die Straße zunächst geradeaus, erst später lauern Kurven. Vorher sicherheitshalber die Stopper antesten. Uups! Der Druckpunkt fühlt sich an wie die Hebelei einer schwäbischen Spätzlepresse, durch die man zähen Teig würgt. Und der Bremsweg ähnelt jenem eines vollbeladenen Güterzugs.
Mehr noch als sonst mahnt der Oldie seinen Piloten zu vorausschauender Fahrweise. Aus heutiger Sicht amüsant wirkt ein Abschnitt in einem GSX-R 750-Test aus PS 5/1985 genau zu diesem Thema: "Die Bremse der Suzuki ist ein Gedicht. Feinfühlig zu dosieren, mit exaktem Druckpunkt und ganz hervorragender Wirkung, ist sie kaum zu überbieten." Was hätten die Kollegen wohl zu den Brutalo-Fangeisen aktueller Superbikes gesagt?
Trotz ihres Fliegengewichts und ihrer Reifen, die so schmal sind wie die Trennscheibe einer Flex, benötigt Omi etwas Druck, um abzuwinkeln. Sie schuldet dieses leicht träge Einlenkverhalten ihrem relativ langen Radstand sowie den riesigen, bleischweren Felgen. Einmal in Schräglage, vermittelt sie dagegen ein sehr sicheres Gefühl. "Länge läuft" - dank dieses Prinzips und der stabilisierenden Wirkung ihrer großen Räder, könnte auf der Ur-Suzi das Leben aus einem einzigen, langen Bogen bestehen. Ein reizvoller Gedanke, der selbst bei höheren Geschwindigkeiten anhält. Keine Spur vom sagenumwobenen, wilden Pendeln, das die GSX-R-Treiber erster Baujahre reihenweise abgeworfen haben soll. Zumindest bis 200 km/h rührt die Test-Gixxer selbst in Schräglage nur geringfügig mit dem Heck. Möglicherweise verdankt sie diese Stabilität ihrer modernen Bereifung. Mangels Gelegenheit konnte sich PS leider nicht in das Abenteuer "Fahrverhalten bei Top-Speed" stürzen.
Als erster Hersteller verbaute Suzuki 1985 einen ultraleichten Alu-Rahmen (Gewicht: zirka acht Kilogramm) in ein leistungsstarkes Bike. Bald stellte sich heraus, dass das Chassis etwas unterdimensioniert geriet. Ein Umstand, den die Japaner erst mit dem verstärkten Rahmen des neuen Modells von 1988 aus der Welt schaffen konnten.
Als strammer Bursche präsentierte sich 1985 der Antrieb des Superbikes. Das innovative SACS (Suzuki Advanced Cooling System) hält die Temperaturen des luft/öl-gekühlten Reihenvierers im grünen Bereich. Vier Ventile pro Zylinder, fünffach gleitgelagerte Kurbelwelle, zwei obenliegende Nockenwellen, Flachschiebervergaser und große, 18 Liter fassende Airbox: Der Treibsatz brauchte keine Konkurrenz zu fürchten. Selbst heute begeistert das Kulttriebwerk. Okay, der Oldie nimmt Gas erst ab 4500/min sauber an (die Flachschieber lassen grüßen) und unter 7000/min hält sich sein Tatendrang in Grenzen. Zudem stirbt die Testmaschine bei Leerlaufdrehzahl bisweilen ab. Richtiges Leben in der Hütte herrscht zwischen 7500/min bis zum roten Bereich, der bei 11 000 Touren liegt. Hier geht die Post gewaltig ab und zaubert auch leistungsverwöhnten Testern ein anerkennendes Lächeln ins Gesicht. Das Leistungsgewicht von 2,0 kg/PS war damals unschlagbar, auch heute ist das noch ein respektabler Wert. Ihr verwegener Sound bildet das charakteristischste Merkmal der Ur-Gixxer. Bei gespanntem Hahn stößt die Vier-in-eins-Anlage ein markerschütterndes, aufdringlich-freches Röhren ins Freie. So laut dürfen Maschinen schon seit vielen Jahren nicht mehr brüllen.
Da bildet auch die aktuelle GSX-R 750 keine Ausnahme. Selbstverständlich unterscheiden sich beide bis auf wenige Details grundlegend. Identisch sind das Bohrung-Hub-Verhältnis und der Durchmesser der Gabelinnenrohre. Selbst das Gewicht ist nahezu dasselbe.
In jeder Pore spürt der GSX-R-Treiber auf der aktuellen 750er den technischen Fortschritt eines Vierteljahrhunderts: vorderradorientierte Sitzposition, knackig-straffes Fahrwerk, überirdische Bremsen, powervoller Motor, spielerisches Handling, und zielgenau wie ein Laser ist sie auch - hier prallen Welten aufeinander. Außer beim Windschutz - und natürlich beim Klang - macht die Ahnin keinen Schnitt.
Seit über einer Dekade stellt Suzuki mit der GSX-R 750 den einzigen Großserien-Supersportler in dieser Hubraumklasse. Zum Jubiläum wünscht PS ihr, ihren Fans und auch sich selbst, dass sie als Fels in der Brandung 25 weitere spannende Jahre ausharrt. Mindestens!