MV Agusta F3 RC und MV Agusta F4 RC im PS-Fahrbericht

MV Agusta F3 RC und MV Agusta F4 RC im PS-Fahrbericht Schönheiten unter sich

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MV Agusta bietet mit den limitierten Modellen MV Agusta F3 RC und MV Agusta F4 RC die WM-Basismodelle zum Kaufen an. Gut aussehen reicht aber nicht, Ladys. Also ab auf die Piste!

Schönheiten unter sich MV Agusta
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Italien, Ende Oktober dieses Herbstes. Ein unscheinbarer Truck steht im von Nebel eingehüllten Fahrerlager einer kleineren Rennstrecke südlich von Mailand. Die Schiebetür des Vans öffnet sich und offenbart einen Blick auf die wertvolle Fracht: Weltweit gibt es nur 350 Exemplare der MV Agusta F3 RC, aufgeteilt in 250 Achthunderter und 100 Sechs-Fünfundsiebziger. Von der MV Agusta F4 RC wurden sogar nur 250 Stück produziert. Während man beim aufgerufenen Preis für die 800er von 17.090 Euro bereits einen recht trockenen Mund bekommt, senkt sich der Hammer vollends, wenn man die Summe erfährt, die MV Agusta für das Superbike verlangt. 36.990 Euro kostet das Gerät, an dem haufenweise edelste Materialien und feinste Kom­ponenten verbaut sind. Wer kauft so etwas? Nun, finanzstarke Sammler und Enthusiasten gibt es genug. Ausverkauft sind die Maschinen zwar noch nicht, aber fast.

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Bald lichtet sich der Nebel und es geht zuerst mit der MV Agusta F3 800 RC hinaus auf die Strecke. Der Dreizylinder legt, wie man es von diesem Antrieb kennt, eine etwas gröbere mechanische Geräuschkulisse an den Tag. Technisch unterscheidet sich diese F3 keinen Deut vom Standardmodell. Doch die RC (Reparto Corse = Rennabteilung) kommt als WM-­Replika mit spezieller Lackierung und AMG-Logo, hübschen Details wie gefrästen Hebeleien, griffigen Fußrasten und Alu-Teilen als Platzhalter für die entfernten Spiegel. Außerdem kann sich der Besitzer an den Autogrammen der MV-Piloten Jules Cluezel und ­Lorenzo Zanetti erfreuen, welche die Flanken des schmalen Tanks zieren.

Wie eine 600er mit einer guten Portion mehr Bums

Machen wir es kurz. Die MV Agusta F3 800 RC fährt mit allen Konsequenzen so leicht und scharf, wie man es vom Basis­modell bereits kennt. Sie neigt dank des minimalistischen Radstands und geringen Gewichts etwas zur Nervo­sität. Man kann sich das vorstellen wie eine 600er mit einer guten Portion mehr Bums, doch eine spitze Leistungs­charakteristik bleibt dem Dreizylinder trotz seiner relativ fetten Einzelhub­räume eigen. 

Die Traktionskontrolle der MV Agusta F3 800 RC reguliert den Schlupf auf Stufe drei von acht weniger sensibel, als man es von anderen Systemen gewohnt ist, die ebenfalls mit Gyro-Sensortechnik arbeiten. Gewöhnungsbedürftig stellt sich das Über­setzungsverhalten des elektronischen Gasgriffs zu den Drosselklappen dar. Das Gefühl ist stets etwas schwammig und indirekt. In Verbindung mit dem Mapping „Sport“ ist das genaue Dosieren der Power gar nicht so einfach. Beim Beschleunigen auf die Zwischengerade schnappt einem versehentlich schon mal das Vorderrad in die Höhe. Besser funktioniert das Motor-Mapping „Normal“. Auch hier gibt es die volle Leistung, aber zahmer im Ansprechverhalten und feiner dosierbar. Teilweise drückt der Quickshifter die Gänge zwischen die Gangstufen und bringt den Vortrieb dadurch zum Erlahmen. All diese Eigenarten sind bekannt, und gute Tuner kennen wirksame Gegenmittel.

Und die MV Agusta F4 RC?

Nur wenige Tuner werden hingegen jemals eine MV Agusta F4 RC zum Herumdoktern in die Finger bekommen, denn die meisten Exemplare zieren vermutlich heimische Wohnzimmer oder ergänzen exklusive Sammlungen. Dabei zählt die Maschine als Homologationsbasis für die Superbike-WM zum schnellsten ­Eisen, das man derzeit von MV Agusta käuflich erwerben kann. Auf dem ­Circuito Tazio Nuvolari fegt sie die Zielgerade hinunter, als gäbe es kein Morgen, und produziert dabei eine Geräuschkulisse wie einer dieser alten Ferrari-Rennwagen. Die Ohrstöpsel ­liegen daheim im Regal, aber die Fas­zination des Moments übertüncht die Angst vor einem drohenden Hörschaden bei Weitem. 212 PS bei 13.600/min soll die F4 RC mit der Termignoni-Anlage und Racing-Steuergerät leisten, beides wird beim Kauf mitgeliefert. Über 200 PS erscheinen glaubhaft, ein Leistungsdefizit im Vergleich zu etabliertem Sport-Material – zum Beispiel aus Bayern – ist nicht zu erkennen. 

Natürlich läuft auch dieser Motor aus Varese im Stand mit einer gewissen mechanischen Grundrauigkeit, deren Abwesenheit Markenfans wohl eher beunruhigen als begeistern würde. Zieht man das Gas auf, bläst der aufwendig konstruierte Reihenvierer mit seinen radial angeordneten Ventilen und Rucksack-Lichtmaschine jedenfalls entschlossen zum Angriff. Im füllig verlaufenden mittleren Drehzahlbereich erlebt man um 7000/min einen ordentlichen Leistungsanstieg. Wenig später scheinen dann die variablen Ansaugtrichter umzuschalten und die MV Agusta F4 RC legt richtig los. Ab 10.000/min heißt es Feuer frei und die trocken 175 Kilogramm leichte, mit Magnesium und Carbon ausgestattete MV marschiert brutal, bis sie in der Nähe von 14.000/min in den Begrenzer rennt. Diesen ­Motor haben die Vareser wirklich gut hinbekommen, Chapeau!

MV Agusta
Wie unterscheiden sich F3 (vorne) und F4? Den Daten nach: 148 PS gegen 212 PS, 173 kg gegen 175 kg (jeweils trocken) und 17.090 Euro gegen 36.900 Euro.

Hinter der Verkleidungsscheibe kauernd fällt diese sagenhafte Fahrwerksstabilität auf, die das Motorrad genauso in Kurven und bei harten Bremsmanövern auszeichnet. Die MV Agusta F4 RC liegt wie hingenagelt. Ein Teil der Stabilität ist ­sicherlich dem High-End-Fahrwerk aus speziell beschichteter NIX30-Gabel von Öhlins inklusive TTX 36-Federbein zu­zuschreiben. Trotz des straffen Grundsetups sprechen die Federelemente fein an und liefern bis auf eine Ausnahme gute Rückmeldungen. Zumindest bei den vorliegenden kühlen Asphalttemperaturen stochert man mit dem Vorderrad beim Einlenken im Ungewissen. Vermutlich hauptsächlich Abstimmungssache. MV-Techniker Lorenzo gibt zwei Klicks mehr Druckstufen- plus einen Klick mehr Zugstufendämpfung, was Besserung verschafft.

In den Radien macht sich das Alter des F4-Konzepts bemerkbar, wenn sich die Maschine einfach nicht mehr enger abwinkeln lassen will und selbst mit Zorn und Zeter des Fahrers keine Kursänderung mitmacht. Ohne Stützgas in langsamen Kehren zeigt die MV dann eine Tendenz zum Einklappen und ­erfordert hohe Konzentration. Der enge italienische Kurs spielt der MV Agusta F4 RC in dieser Disziplin nicht besonders entgegen. Auf schnellen Kursen wie Monza oder in Spa würde sie sich mitsamt Reiter wohler fühlen, den alsbald ­körperliche Ermüdungserscheinungen plagen. Über kurz oder lang macht ­einen die F4 RC fertig! Es vollzieht sich dasselbe Spiel wie zuvor bei der MV Agusta F3 RC: Das Motor-Mapping „Normal“ ist zu ­bevorzugen, Grundvoraussetzung für schnelle Runden bleibt aber in jedem Fall ein präziser Fahrstil.

Wie gut funk­tioniert die übrige Elektronik des Super­bikes?

Die Kardinalfrage lautet: Wie gut funk­tioniert die übrige Elektronik des Super­bikes? Erfreulicherweise ganz passabel. Der elektronische Gasgriff der MV Agusta F4 RC bietet sogar einen richtig knackigen Widerstand, die Gasannahme erfolgt direkt und präzise. Na bitte, geht doch! Fauxpas wie ein nachschiebender Motor oder eine Traktionskontrolle, die erst viele Meter nach dem Kurvenscheitel den Schlupf reguliert, bleiben aus. Zumindest auf den niedrigen Stufen drei oder gar eins ist dennoch Vorsicht geboten. Die schwarzen Striche von den vorherigen Runden beweisen satten Gummiabrieb und die TC greift recht grob ins Geschehen ein. Blindes Vertrauen zu diesem System will sich nicht einstellen. Das eine oder andere Mal bleibt darüber hinaus auch hier der Quickshifter hängen.

Vielleicht wäre es vor einigen Jahren besser gewesen, den F4-Modellen die Geißelung der Elektronik vollständig zu ersparen. Selbst ohne hätten sie ihre Fans nicht minder begeistert. Dennoch scheinen die Systeme im exklusiven F4 RC-Modell einen gewissen Grad der Reife erreicht zu haben, der sogar über demjenigen der MV Agusta F3 RC liegt. Schön für jeden, der so eine Maschine im Wohnzimmer stehen hat.

Technische Daten

MV Agusta
Durch die drei seitlich angebrachten Auspuffrohre zeigt die MV Agusta F3 800 RC unverschämt ihr hübsches Hinterteil.

MV Agusta F3 800 RC

MV Agusta
MV Agusta F3 800 RC.

Antriebt
Dreizylinder-Reihenmotor, vier Ventile/Zylinder, 109 kW (148 PS) bei 13.000/min*, 88 Nm bei 10.600/min*, 798 cm³, Bohrung/Hub: 79,0/54,3 mm, Verdichtung: 13,3:1, Zünd-/Einspritzanlage, 50-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Kupplung, Sechsgang-Getriebe, Kette, G-Kat, TC

Fahrwerk
Stahl-Gitterrohrrahmen, Lenkkopfwinkel: 66,0 Grad, Nachlauf: 99 mm, Radstand: 1380 mm, Ø Gabel­innenrohr: 43 mm, Federweg v./h.: 125/130 mm

Räder und Bremsen
Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17“/5.50 x 17“, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 180/55 ZR 17, 320-mm-Doppelscheibenbremse mit radial angeschlagenen Vierkolben-Festsätteln vorn, 220-mm-Einzelscheibe mit Zweikolben-Festsattel hinten, ABS

Gewicht
(trocken) 173 kg*
Tankinhalt: 16,0 Liter Super

Grundpreis
17.090 Euro (zzgl. NK)

MV Agusta F4 RC

MV Agusta
MV Agusta F4 RC.

Antrieb
Vierzylinder-Reihenmotor, vier Ventile/Zylinder, 158 kW (212 PS) bei 13.600/min*, 115 Nm bei 9300/min*, 998 cm3, Bohrung/Hub: 79,0/50,9 mm, Verdichtung: 13,4:1, Zünd-/Einspritzanlage, 50-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Kupplung, Sechsgang-Getriebe, Kette, G-Kat, TC

Fahrwerk
Stahl-Gitterrohrrahmen, Lenkkopfwinkel: 66,5 Grad, Nachlauf: 100 mm, Radstand: 1430 mm, Ø Gabel­innenrohr: 43 mm, Federweg v./h.: 124/120 mm

Räder und Bremsen
Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17“/6.00 x 17“, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 200/55 ZR 17, 320-mm-Doppelscheibenbremse mit radial angeschlagenen Vierkolben-Festsätteln vorn, 210-mm-Einzelscheibe mit Vierkolben-Festsattel hinten, ABS

Gewicht
(trocken) 175 kg*
Tankinhalt: 17,0 Liter Super

Grundpreis
36.900 Euro (zzgl. NK)

* Herstellerangabe

Technik der MC Agusta F4 RC

MV Agusta
Um Gewicht zu sparen, bestehen sämtliche Motorgehäuseteile aus einer Magnesiumlegierung

Die Höchstleistung von angegebenen 212 PS bei 13.600/min erreicht die MV Agusta F4 RC nur mit der nicht für die Straße zugelassenen Termignoni-Anlage aus Titan und Racing-Steuergerät. Beides wird beim Kauf mitgeliefert. Diese Zubehörteile allein machen den Braten noch nicht fett, eine ganze Reihe weiterer Änderungen sorgt für Leistungszuwachs, Gewichtsersparnis und besonders harmonisches Zusammenspiel der einzelnen Komponenten. Durch den Einsatz einer Magnesiumlegierung gerieten der Zylinderkopfdeckel, das Motorgehäuse und die Abdeckungen von Kupplung, Kette, Kassettengetriebe, Lichtmaschine, Ölwanne, Ölfilter und anderen Kleinigkeiten besonders leicht.

MV Agusta
Viele Stahlteile wurden einer Feinbearbeitung unterzogen, darunter die Kurbelwelle, Pleuel, Kolben, Teile des Getriebes

Getriebeteile und Nockenwellen wurden auf der Suche nach dem letzten Gramm an Gewicht speziell nachbearbeitet. Außerdem sparen zahlreiche Titanschrauben und -bolzen insgesamt 1,1 Kilogramm ein. Die komplette Verkleidung der MV Agusta F4 RC besteht aus Carbon. Unterm Strich wiegt die in der Stückzahl ­limitierte Maschine dadurch 13 Kilogramm weniger als das ihr folgende Spitzenmodell im MV Agusta-Produkt-Portfolio, der F4 RR. Weiterhin weist der Zylinderkopf des RC-Modells geänderte Einlass- und Auslasskanäle auf.

Außerdem sind die Einspritzdüsen auf zwei Bänken angeordnet und die Kraftstoffversorgung optimiert. Oben arbeiten Magneti-Marelli-Komponenten, unten vier Mikuni-Düsen. Um die ­Kühlung zu verbessern, funktioniert der Kühlkreislauf über Silikonschläuche. 

Urteil

MV Agusta
MV Agusta F3 RC und MV Agusta F4 RC.

Fans des Herstellers aus Varese können sich mit der MV Agusta F3 RC ein exklusives Stück MV-Geschichte zulegen. Allerdings ist das Standard-Modell finanziell attraktiver und technisch genauso gut. Anders verhält es sich bei der MV Agusta F4 RC. Was für ein irrer Motor, was für ein irrer Sound! Noch dazu die edlen Komponenten und die feine Verarbeitung. Trotz ihrer Macken muss man die F4 RC lieben! 

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