Das Schöne am Leben ist, dass es manchmal so überraschend ist. Zum Beispiel bei dem alljährlichen Bemühen, die Motorradneuheiten für die kommende Saison vorauszusehen. Auch bei MOTORRAD wurde und wird viel spekuliert. Doch das konnte keiner ahnen. Also, ganz offiziell: Harley pardon Buell baut eine Enduro. Oder jedenfalls so was Ähnliches. »Adventure-Sports« lautet die Typisierung der cleveren Marketing-Strategen für den neuesten Nachwuchs der XB12-Familie.
Was in Bayern einfach »GS« heißen würde, kommt in Amiland eben viel schwungvoller daher. Ulysses XB12X ein Name, der nach Freiheit riecht, nach Stock und Stein. Und ein Gefährt, das zudem ganz nach Abenteuer aussieht. Aber gemach: Selbst der schönste Name kann nicht überdecken, dass die Domäne der X (lieferbar ab Herbst, Preis: 11499 Euro) eindeutig auf asphaltiertem Geläuf liegt. Mächtiger, raumgreifender 45-Grad-V2, die gewaltige Alu-Brücke zwischen Lenkkopf und Schwinge, der massige Schalldämpfer ganz tief unten unter der Motor-Getriebe-Einheit nichts, was einen zum King of Crosscountry macht. So gesehen ist es nur konsequent, dass Buell auf endureske Besohlung verzichtete und die Ulysses im astreinen Straßenformat 120/70 und 180/55 daherkommen lässt.
Also nichts für schweres Gelände. Das signalisiert auch die Profilierung der neuen Dunlop D 616-Reifen, die zwar einen hohen Anteil Negativprofil aufweisen, von echten Stollen aber meilenweit entfernt sind. Für zweit- und drittklassige Straßen oder Schotterwege indes sollten sie ebenso genügen wie die gut
160 Millimeter Federweg (XB12S: 119/127 Millimeter) der Showa-
Elemente an Front und Heck sowie die 171 Millimeter Bodenfreiheit (XB12S: 118 Millimeter).
Doch das ist bei weitem nicht alles, was aus der S eine X macht. Tief greifend sind die Eingriffe vor allem in die Fahrwerksgeometrie. Die Suche nach einer souveränen Vorstellung auf
ondulierter Piste führte Erik Buell weg von seinem radikalen »Kurz-steil-steif«-Glaubensbekenntnis hin in die gemäßigten Zonen des Motorradbaus. Das Resultat: 227 Kilogramm Leergewicht und
insgesamt 50 Millimeter mehr Radstand, der hauptsächlich einer längeren und leichteren Schwinge sowie einem flacheren Lenkkopfwinkel (67,5 statt 69 Grad) zuzuschreiben ist. Für den gelasseneren Charakter der X spricht auch ihr deutlich längerer Nachlauf, der nun 122 statt der bisherigen extremen 83 Millimeter beträgt. Dazu wurde der Rahmen, der zugleich als Tank agiert, im Flankenbereich etwas breiter und bauchiger. Ergebnis: Mit 16,7
Litern fasst er nun 2,7 Liter mehr.
Kein Rekordwert, fürwahr, aber allemal ein Fortschritt, der für eine ausgedehnte Spritztour locker ausreicht. Gerne zu zweit, denn im Gegensatz zu den bisherigen Gepflogenheiten der
Modellfamilie, in der zweiten Reihe allenfalls einen Notbehelf anzubieten, bemüht sich die XB12X um komfortable Verhältnisse. Das geht sogar so weit, dass sie neben der längeren und breiteren Sitzbank sowie einem per Handrad vorspannbaren Federbein ein so genanntes »Multifunktionsheck« bereithält.
Die Idee ist bestechend einfach: Bei Nichtgebrauch
fungiert das um 180 Grad schwenkbare Heckteil als Sitzbank-
abdeckung und Gepäckträger-Grundplatte, im Soziusbetrieb um
90 Grad nach oben geschwenkt als Rückenlehne für die Holde, wird zusätzlich Gepäck transportiert, fungiert sie um 180 Grad nach hinten geschwenkt als Gepäckträger hinter der Sozia.
Wem das noch nicht reicht, um sich für eine Buell zu begeistern: Auch die bekannte Malaise mit dem Getriebe soll laut Pressetext der
Vergangenheit angehören. Die Zahnräder sind nun schräg statt gerade verzahnt, und selbst die Kupplung soll leichtgängiger sein als bisher.
»Das wurde auch Zeit«, werden Kenner der Materie sagen. Und sich nicht nur das verbesserte Getriebe, sondern ebenso die Fahrwerksmodifikationen in einer zivilen XB12-Variante wünschen. Keine Sorge: Ihnen wird in Zukunft mit der Lightning Long XB12Ss (Preis: 11249 Euro) ge-
holfen. Die übernimmt nämlich bis auf die langen Federwege die Eck-
daten der X, bietet ebenfalls eine längere und höhere Sitzbank, bleibt
im Übrigen aber dem bekannten Lightning-Erscheinungsbild treu und sollte daher nahtlos an den Erfolg der kompakten Schwestern anknüpfen.
Der neuen, kleinen Daytona von Triumph mag man sogar Besse-
res wünschen. Deren Vorgängerin fristete nämlich ein Mauerblümchen-
dasein im Schatten der japanischen 600er-Asse. Mit jedem weiteren
Detail jedoch, das über den neuen Dreizylinder in Erfahrung zu bringen ist, wird klarer, dass da etwas Hochspannendes auf uns zukommt.
Die jüngsten Schnappschüsse der Daytona 680 zeigen eine äußerst kompakte, sehnige, formal eigenständige Athletin, die nichts mehr mit der ausladenden Vorgängerin zu tun hat. Das fängt schon beim Rahmen an. Statt der glattflächigen Alu-Brücke kommt nun das Triumph-typische Rohrgeflecht aus Leichtmetall zum Einsatz, wie es aus der Speed Triple bekannt ist. Darin hängt ein ultrakompakter, rund 680 Kubikzentimeter großer und komplett neu konstruierter Dreizylinder, der dank überein-
ander gelagerter Getriebewellen nicht nur sehr kurz, sondern mit seinen drei Zylindern zudem sehr schmal baut und im Vergleich zur Breite der Daytona 650 beinahe Zweizylinderdimensionen zulässt.
Hinsichtlich der Leistungsausbeute hingegen sollten 600er-Vierzylin-
derdimensionen möglich sein. Das Gerücht spricht von rund 125 PS, die in Verbindung mit einem satten Antritt aus der Mittellage und einem sehr niedrigen Gewicht unterhalb von 190 Kilogramm vollgetankt für famosen Fahrspaß sorgen sollten. Das macht neugierig, während ein gerüchteweise avisierter Scrambler auf Bonneville-Basis wohl keine technischen Überraschungen, dafür allerhand fürs Auge bieten dürfte.
Gleiches gilt für Suzukis neues Angebot in der Mittelklasse. Es verdichten sich die Anzeichen, dass es neben der für dieses Jahr
renovierten Bandit 650 einen weiteren Reihenvierzylinder in deutlich progressiverer Verpackung geben wird. Wie so etwas aussehen könnte,
haben die Designer in Hamamatsu ein paar Hubraumklassen höher schon lange vorgemacht, und zwar mit der B-King, als Studie mit 1300er-Motor. Nun kommt wohl zunächst die kleine Schwester, deren Antrieb auf der Grundlage der aktuellen GSX-R 600 basiert. Und auch sonst dürfte bei der B-King 600 alles zum Einsatz kommen, was gerade State of the Art ist. Brückenrahmen aus Aluminium, Upside-down-Gabel, leistungsfähige Bremsanlage und natürlich der Schalldämpfer im Heck derart gerüstet, hat sie durchaus Chancen, der erfolgreichen Yamaha FZ6, Kawasaki
Z 750 und der Honda Hornet 600, die sich vor allem in Südeuropa blendend verkauft, Konkurrenz zu machen.
Ihren Mitstreiterinnen Konkurrenz machen will auch die gründlich überarbeitete GSX-R 600, deren Erscheinungsbild sich traditionell dem der großen Schwester GSX-R 1000 angleichen wird. Außerdem darf als sicher gelten, dass die leistungsmäßig ein klein wenig ins Hintertreffen geratene 600er sich in der 2006er-Version wieder auf Augenhöhe ihrer Kontrahentinnen bewegt. Gemeint ist damit insbesondere die Yamaha YZF-R6, die ebenfalls zur Überarbeitung ansteht. Auspuff im R1-Stil
im Rahmenheck, Schwinge mit Unter- statt Oberzügen wie die große Schwester, eine Winzigkeit leichter und vielleicht ein bisschen stärker die R6 des nächsten Jahrgangs wird sicher kein neues Modell, sondern ein modellgepflegtes.
Ganz im Gegensatz zur Supermoto, die auf Basis der WR 450 F in den Startlöchern steht. Sehr eindeutig und viel kompromissloser dem Sport verpflichtet als zum Beispiel die XT 660 X, dürfte die neue Yamaha-Supermoto aufregend aggressiv gestaltet sein und quasi schon im Stand Haken schlagen. Dazu dank des hochdrehenden Hightech-Einzylinders rund 50 PS und ein Gewicht zwischen 110 und 120 Kilogramm das wäre doch was.
Das mögen auch die Fans der Roten aus Bologna sagen
und einen verstohlenen Blick nach Rimini werfen, denn nicht Ducati, sondern Bimota entwirft zurzeit das aufregendste Kleid für den luftgekühlten Desmo-Twin. Nach der Sportlerin DB5 werden die Riminesen ein Naked Bike auf ebendieser Basis vorstellen. Ob das DB6 heißen wird wie bei unserer Retusche, ist noch nicht klar. Technisch jedenfalls sind keine Überraschungen zu erwarten, 92 PS und ein Gewicht von knapp 180 Kilogramm vollgetankt genügen selbst gehobenen Ansprüchen. Das
Design sowieso.
Womit wir wieder bei Ducati wären. Es wird für 2006 definitiv keinen Nachfolger der SS-Baureihe mit dem luftgekühlten 1000er geben. Und ein Facelift der 999 ebenfalls nicht. Selbst der Scrambler mit halbiertem Testastretta-Twin, über den Ducati derzeit nachdenkt, wird für das
Modelljahr 2006 nicht fertig. So müssen sich die Fans damit trösten, dass im Oktober die Auslieferung der Sportclassic-Modelle beginnt. Zunächst kommt die Paul Smart 1000 Limited Edition zu den Kunden, die insgesamt nur 2000-mal gebaut werden soll. Danach geht es weiter mit
der Sport 1000. Die beiden Modelle unterscheiden sich lediglich durch
die Federelemente (die Paul Smart ist komplett mit Öhlins ausgerüstet, die Sport mit Marzocchi/Sachs) sowie die Halbschale an der Replika.
Im Übrigen ist alles identisch: 1425 Millimeter Radstand, 66 Grad Lenkkopfwinkel, Speichenräder mit aktuellen Reifenformaten (120/70 und 180/55), 320er-Bremsscheiben mit schwimmend gelagerten Doppel-
kolbenzangen, 15-Liter-Tank. Und natürlich der Motor, der 92 PS bei 8000/min leistet.
Während jedoch die Paul-Smart-Replika nur in Silber mit grünem Rahmen lieferbar ist, wird es die Sport 1000 neben dem bekannten Gelb zusätzlich in Rot und Schwarz, jeweils mit weißem Längsstreifen, geben.
So, das ist der Stand der Dinge. Fast. Natürlich gibt es auch
eine »neue« Harley. Die Dyna-Reihe wurde überarbeitet und ist um die
puristische Street Bob ergänzt worden. Aber im Vergleich zur heißen Buell-Enduro ist das doch eher Stillstand.
Neuheiten 2005/2006 : Es geht voran
Alle Jahre wieder. Es wird spannend. Aus Gerüchten werden Tatsachen, aus vagen Hinweisen konkrete Meldungen. Was kommt, was kommt nicht oder doch ganz anders? Der letzte Stand der Dinge.
