Triumphs Antwort auf die neue Sechser von Kawa ließ nicht lange auf sich warten. Mit der brandaktuellen Daytona 675 und ihrer R-Version wollen die Briten keinen Zweifel an der Hackordnung in dieser Klasse aufkommen lassen.
Triumphs Antwort auf die neue Sechser von Kawa ließ nicht lange auf sich warten. Mit der brandaktuellen Daytona 675 und ihrer R-Version wollen die Briten keinen Zweifel an der Hackordnung in dieser Klasse aufkommen lassen.
Ein launiger Tag in Cartagena/-Südspanien. Die Sonne blinzelt freundlich durch die zarten Schleierwolken, die Wettervorhersage prognostiziert angenehme 15 Grad. Winter? Weit weg! In der Boxengasse reihen fleißige Helfer eine ganze Armada nagelneuer Triumph Daytona 675 R Jahrgang 2013 millimetergenau nebeneinander auf und bestücken sie mit Reifenwärmern. Die Präsentation des jüngsten Supersportlers von der Insel steht an. Wir können es kaum erwarten: Wann geht’s auf die Strecke?
Endlich lässt der Flaggenmann die Journalistenmeute im Abstand von zehn Sekunden von der Leine. Aha, die Sitzposition ist wie angekündigt nicht mehr so extrem, die um zirka fünf Millimeter nach oben gewanderten Lenkerstummel platzieren den Piloten nun bequemer. „Dankeschön“, flüstern die Handgelenke. „Diese Piste lernst du nie!“, unkt dagegen der Orientierungssinn und reißt den Autor flugs aus dem Wohlfühl-Modus. Tatsächlich ist die nicht allzu schnelle Strecke technisch sehr anspruchsvoll, die perfekte Linie schwierig zu finden. „Genau das Richtige für unsere 675er“, schwärmt Triumph-Produktmanager Simon Warburton.
Keine Übertreibung, der Mann hat recht! Die von Kopf bis Fuß komplett neu entwickelte Daytona sticht selbst durch die kniffligsten Passagen sehr souverän und brettert handlich und präzise um die Radien. Dazu liefert sie vor allem auf der Bremse diese gierige, ultradirekte Rückmeldung vom Vorderrad. So trauen sich auch Nicht-Lorenzos in Ecken weit hinein zu ankern und die Eisen erst sehr spät zu lösen. Perfekt funktioniert das in sehr engen Kurven wie dem etwas überhöhten und leicht bergauf führenden Linksknick kurz vor der Zieleingangskurve.
An dieser erfreulichen Vorstellung haben auch die überarbeiteten Pirelli -Diablo Supercorsa SP ihren Anteil. Anderes Profil, neue Kontur, modifizierte Karkasse, mehr Reifenaufstandsfläche, unterschiedliche Mischungen an Reifenmitte und -schulter: Die Italiener haben ganze Arbeit geleistet. Mit der Zeit entwickelt sich auch der Fahrfluss, die Strecke lüftet nach und nach ihr Geheimnis.
Einen Tick weniger Feedback als die Front bietet zunächst das Heck. Wegen der etwas kühleren Temperaturen am Vormittag softete Entwicklungsfahrer David Lopez die Dämpfung am Federbein, wodurch sich das Bike hinten etwas indifferent und weich anfühlt. Problem geschildert, Problem behoben: Lopez schließt sowohl Zug- als auch Druckstufe um einige Klicks und verrät: „Jetzt fährst du die Einstellung, die wir im Handbuch für die Rennstrecke empfehlen.“ Und? Besser! Plötzlich steht die Verbindung zwischen Gashand und Heckpartie und das Hinterrad scheint förmlich am Asphalt zu kleben. Einzig derbe Bodenwellen mag der Öhlins-Monoshock nicht, das Heck hoppelt unsensibel über sie hinweg. Das ist vor allem in Schräglage tricky, wenn das Hinterrad den Bodenkontakt verliert. Doch hier klagen wir auf höchstem Niveau, bis die „R“ an ihre Grenzen kommt, muss sehr, sehr viel passieren. Was die Standard-Daytona in dieser Hinsicht kann, klärt ein späterer Test. Triumph rollte auf der Präsentation lediglich die scharfe R-Variante an den Start.
Erstmals kommt in dem Supersportler ein ABS zum Einsatz. Das nur 1,5 Kilogramm schwere, abschaltbare System stammt von Nissin. Besonderheit: Es verfügt über zwei Modi, einen für die Landstraße, einen für die Piste. Ersterer verhindert den Salto vorwärts, greift dafür aber recht früh ein. Für die Renne stellen wir das ABS natürlich auf „Circuit“. In diesem Modus bringen selbst heftigste Bremsmanöver mit den superben Brembos das System nicht zum Regeln. Außerdem erlaubt es fette Anbremsdrifts. Die neue, klasse eingestellte Anti-Hopping-Kupplung unterstützt derlei Spielchen und garantiert dazu sanftes Abwinkeln ohne ein stempelndes oder ausbrechendes Heck. Zudem verringert sie die Handkraft deutlich. Dafür hat die Daytona eine andere Eigenart: Sie neigt zu Stoppies. Die geänderte, auf Handling getrimmte Geometrie des Fahrwerks mit steilerem Lenkkopfwinkel, kürzerem Radstand und frontlastigerer Gewichtsverteilung fordert ihren Tribut. Ein Schuss mehr -Gabelöl würde dieses Phänomen sicher lindern, denn der Vorderbau taucht beim heftigen Ankerwerfen weit ab.
Bei geöffneter Brause geschieht genau das Gegenteil - herrlich! Wer es darauf anlegt, zieht mit der 675er feine Wheelies. „Habt Dank für diesen genialen Motor“, möchte man Triumph immer wieder zurufen. Trotz des neuen, auf höhere Umdrehungen ausgerichteten Bohrung/Hub-Verhältnisses beißt der Drilling wie gewohnt schon im Drehzahlkeller kräftig zu und powert gleichmäßig durchs Band. Dabei verleiht die kürzere Übersetzung - die Briten zogen dem Ritzel einen Zahn - der Lady einen zusätzlichen Kick. Außer der kurzhubigeren Ausrichtung wartet das Triebwerk mit weiteren Modifikationen auf: erhöhte Kompression, geänderte Steuerzeiten mit länger geöffnetem Auslass, mehr Ventilhub, Ventile nun aus Titan, dazu geänderte Form und breiterer Schaft, Auslassventil-Durchmesser kleiner, zwei Einspritzdüsen pro Zylinder, Zylinder nun beschichtet, Motorblock und Zylinder getrennt, verringerte Schwungmasse des Kurbeltriebs, und, und, und. Dank einiger dieser Eingriffe wuchs die Nennleistung um drei auf 128 PS und das Drehmoment legte um zwei auf 75 Nm zu. Glücklicherweise nahmen die Änderungen keinen Einfluss auf die Laufkultur und den Sound. Nach wie vor knurrt der samtweich laufende Triple bei gespanntem Hahn unwiderstehlich. Dieses Knurren entweicht nun aber nicht mehr unterhalb des Höckers, vielmehr wanderte der Auspuff rechts neben die Schwinge - das senkt den Schwerpunkt.
Und sonst? Vorbei die Zeiten harter Schaltschläge bei Gangwechseln mit Schaltautomat. Triumph änderte die Software der Elektronik, die nun auch die Stellung der Drosselklappen berücksichtigt. Dadurch flutschen die Zahnräder spürbar sanfter ineinander. Fehlt fürs völlige Glück nur noch eine Traktionskontrolle. „Da die Daytona kein Ride-by-wire hat, entwickelten wir für sie keine TC“, erklärt der Produktmanager. Vielleicht kommt’s ja noch. Doch auch so bringt die 675er mächtig Fun. Und passt damit perfekt zum gesamten Tag, der ja schon so launig angefangen hat.
Simon Warburton, Triumph-Produktmanager, zum Thema Renn-Engagement der Briten
? Bei der Entwicklung der neuen Daytona floss viel Know-how von Rennteams mit ein. Ist die Supersport-WM ein Thema für Triumph?
! Leider nicht! Als Produktmanager würde ich gerne Rennsport auf internationaler Ebene betreiben, doch die Konzernspitze sieht das leider anders.
? Können Sie uns einen Grund nennen?
! Wie so oft ist das eine Frage des Budgets. Die Kosten/Nutzen-Rechnung geht wohl nicht ganz auf.
? Engagiert sich das Werk dann wenigstens auf nationaler Ebene?
! Mit Glen Richards holten wir letztes Jahr den Titel der Britischen Supersport-Meisterschaft. Den möchten wir natürlich verteidigen.
? Unterstützt das Werk auch Teams aus anderen europäischen Ländern wie beispielsweise Deutschland?
! Jedes Land hat ein bestimmtes Marketing-Budget. Wie die einzelnen Länder es verwenden, bleibt ihnen überlassen.
Außer dem Namen und ein paar Kleinigkeiten blieb bei der neuen Daytona nichts gleich. Triumph ist es dennoch gelungen, den einzig-artigen Charakter des Supersportlers zu bewahren - Stichworte Sound, Feeling, Design. Die „R“ ist ein richtig heißer Renner ohne erkennbare Schwächen. Was die Standardvariante drauf hat, wird ein künftiger Test klären.
Triumph Daytona 675 (R)
Antrieb
Dreizylinder-Reihenmotor, 4 Ventile/Zylinder, 94 kW (128 PS) bei 12 500/min*, 75 Nm bei 11 900/min*, 675 cm3, Bohrung/Hub: 76,0/49,6 mm, Verdichtung: 13,1:1, Zünd-/Einspritzanlage, 44-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Anti-Hopping-Kupplung, Sechsganggetriebe, Kette
Fahrwerk
Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 67,1 Grad (67 Grad), Nachlauf: 87 mm (88 mm), Radstand: 1375 mm, Ø Gabelinnenrohr: 41 mm, Federweg v./h.: 110/129 mm (120/133 mm)
Räder und Bremsen
Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17/5.50 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 180/55 ZR 17, 310-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 220-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten, (ABS serienmäßig)
Gewicht (vollgetankt)
184 kg*, Tankinhalt: 17,4 Liter Super
Grundpreis
11 890 Euro (13 690 Euro), (jew. zzgl. NK)*
*Herstellerangabe
Mit das wichtigste Merkmal des komplett neu aufgebauten Motors ist das andere Bohrung/Hub-Verhältnis. Mit 76,0 x 49,6 mm statt 74,0 x 52,3 mm ist das Aggregat wesentlich kurzhubiger ausgelegt und erlaubt damit höhere Drehzahlen. So jodelt der Triple nun bis 14400/min, vorher war bei 13 900/min Schluss. Eine kürzere Sekundärübersetzung soll die geänderte Charakteristik kompensieren.