Test Aprilia RS 250

Test Aprilia RS 250 Apriliafrische

Liebevoll renoviert und den Werks-Rennmaschinen zum Verwechseln ähnlich, könnte die neue Aprilia RS 250 auch noch die letzten unschlüssigen Zweitak-Freaks überzeugen.

Bei aller Liebe, es gehörte bislang schon eine übergroße Portion Begeisterung dazu, sein zweirädriges Leben mit dem giftigen Aprilia-Zweitakterle zu teilen. Nervös, kraftlos im Durchzug und mit verschlafenem Antritt aus dem Stand, konnten im Stadtverkehr selbst dem hartgesottenen Zweitakt-Spezialisten schon mal die Nerven durchgehen. Und damit sind wir schon beim Thema, denn die neue RS 250 ist überm Berg. Dank emsiger Fleißarbeit an der Auspuffabstimmung und gelungenen Detaillösungen hat sich der schwarze Renner im astreinen GP-Design zum recht umgänglichen Kerl gemausert. Dreimal gekickt- läuft, und bereits ein paar Gasstöße später trottet der von Suzukis RGV 250 entliehene Katalysator-gereinigte V2-Motor gemächlich und leise durch die verstopfte City. Na also, geht doch.
Aber es geht noch viel mehr. Ab 3000/min streßfrei fahrbar, holt der Zweitakt-Quirl kurz nach 7000/min tief Luft und brennt ohne Leistungseinbruch los, daß es im wahrsten Sinn des Wortes nur so raucht. Deutlich mehr Power im mittleren Drehzahlbereich als das Vorgängermodell (siehe Leistungsdiagramm Seite 26), spontan im Antritt und flotte 61 PS Spitzenleistung treiben einem das Grinsen ins Gesicht und die RS 250 in Windeseile auf Höchstgeschwindigkeit. Warum die erstarkte RS 250 jedoch mit mageren 55 PS im Prospekt steht, blieb bis Testende ungeklärt.
Zusammengekauert und mit angelegten Ohren durchbricht die RS die magische 200 km/h Mauer, denn die ausladende Verkleidung verbirgt ihren Piloten nahezu vollständig und wirbelfrei vor dem Fahrtwind und schafft somit gute aerodynamische Vorraussetzungen. Fast: denn der faustgroße Lufteinlaß à la GP-Werksrenner mündet ziemlich unsinnig im Nichts. Also nix mit Staudruck und so. Einfach nur Show.
Dafür haben sich die Italiener alle anderen mit Hingabe ausgetüftelten Renovierungsarbeiten einen Sack voll Lire kosten lassen. Die neue verwindungssteife Gabel ersetzt das vergleichsweise flexible Bauteil der 1997er Version. In Verbindung mit der ebenfalls erneuerten, jetzt für messerscharfe Dosierung sorgende Handpumpe der beiden Brembo-Bremszangen am Vorderrad dürfen die Bremspunkte neu gesteckt werden. Apropos: Ab sofort spannt sich ein 120/60er ZR 17 Pirelli Dragon-Pneu über die jetzt 3,5 Zoll breite Vorderradfelge und genehmigt, beim Einlenken noch einen Deut härter in die Eisen zu langen. Perfekt wie bislang auch: die Kurvenstabilität. Da wackelt nix, da eiert nix, wie an der Schnur gezogen bügelt die vollgetankt 162 Kilogramm leichte RS 250 durchs wellige Motodrom in Hockenheim. Einbußen in der Handlichkeit aufgrund der breiteren Bereifung sind entgegen aller Befürchtungen nicht zu vermelden.
Beste Rückmeldung dagegen sichern die vorn wie hinten fein einstellbaren Federelemente und liefern eine glasklare Information über den nahenden Grenzbereich, ohne deshalb den Reiter mit Bockigkeit zu malträtieren. Überhaupt gibt es für den RS Piloten in Sachen Komfort keinen Grund zu klagen. Die Sitzposition auf dem griffigen Gummipolster und das Platzangebot geht auch für große Kinder in Ordnung. Nur die Stummellenker sollten ein paar Grad mehr nach hinten zeigen, um die Handballen zu entlasten.
Im engen Serpentinengewürm, beim alten Modell ein nerviges Drehzahlgewürge mit äüßerst geringem Spaßfaktor, kaschiert der durchzugskräftigere Motor die weit auseinanderklaffenden ersten drei Gangstufen der etwas hakeligen Sechsgang-Schaltbox nahezu perfekt.
Ganz nebenbei reduzierte sich durch die neue Abstimmung auch der Spritverbrauch bei Dauertempo 160 km/h gegenüber der letztjährigen Version um rund 2,5 auf 7,6 Liter pro 100 Kilometer, während der Minimalverbrauch um knapp einen halben Liter anstieg. Nicht zu vergessen in der Kalkulation sind zwei Liter Zweitaktöl pro 1000 Kilometer für die Getrenntschmierung. So um die 20 Mark/Liter kostet der schmierige Saft in bester Qualität.
Immer noch ein kleines Problem: bei kalter Witterung verlangt der bogenförmige Kühler nach einer Handbreit Klebeband, damit der Motor seine notwendige Wassertemperatur erreicht. Auch wenn er bereits mit weniger Temperatur tadellos marschiert, ist es für die Haltbarkeit von Kolben und Zylindern von Vorteil, erst über 50 Grad richtig einzuheißen. Keine sichtbaren Änderungen gab`s an den bisweilen empfindlichen und für manchen Motorschaden verantwortlichen Auslaßschiebern. So bleibt, wie bisher auch als einziger Ausweg, die regelmäßige Kontrolle im Rahmen der alle 4000 Kilometer anstehenden Inspektionen.
Noch eine gute Nachricht zum Schluß: Die kleine Aprilia hat jetzt das, was auch die GP-Werksfahrer haben - einen Schaltblitz im Cockpit. Der läßt sich per Knopfdruck im digitalen Info-Center programmieren und signalisiert dem eiligen Reiter mit einem gut sichtbaren, aber keineswegs aufdringlichen roten Blitzlicht den optimalen Zeitpunkt. Bei 11900/min einjustiert, bleibt genügend Zeit, für den Gangwechsel den nächsten Gang hineinzustippen, bevor der Motor im Begrenzer hängen bleibt.
In der Summe ihrer Eigenschaften ist die Aprilia tatsächlich ein ganz feines Gerät für den Wochenendausflug auf die Rennpiste. Ehrgeizige Heißsporne dürfen sich natürlich auch beim Aprilia-Cup einreihen, der mit nahezu serienmäßigen RS 250 über die Bühne geht (Infos Telefon: 0521/4470353).
Wer´s trotz aller Sportlichkeit am liebsten auf der Landstraße treibt, darf sich etwas mehr Zeit lassen, denn der ausreichend helle Doppelscheinwerfer leuchtet, im Abblendlicht passabel, im Fernlicht hell wie Osram, auch Spätheimkehrern den richtigen Weg. Nur bei der Liebe wird’s problematisch. Das aufgeschraubte Sozius-Sitzpölsterchen treibt selbst einem Nagelbrett-Fakir die Tränen in die Augen. Zudem leidet die kratzempfindliche Oberfläche der Kunststoffteile speziell unter dem direkt auf den Heckbürzel montierten Plastikteil. Also läßt man`s am besten weg und freut sich in aller Einsamkeit über seine rabenschwarze RS 250 in GP-Format.

Die wichtigsten technischen Änderungen - Aprilia RS 250

Technik im Detail: Aprilia RS 250
Die wichtigsten technischen Änderungen

0 Verbesserter Motordurchzug und höhere Endleistung durch günstiger plazierten und widerstandsfähigeren Degussa-Katalysator im Auspuff. Kleiner Tip: Anstatt der drei Formblechteile gibt es leichte Kohlefaserabdeckungen, die sich auf ein kleineres Maß zurechtstutzen lassen bei Firma Diopa, Telefon 0711/60 45 04 für rund 200 Mark (Foto Seite 26)0 Neue, verwindungssteifere 41er Telegabel mit verstellbarer Federbasis, Zug/Druckstufendämfung in beiden Gabelholmen und 25 mm starker Vorderachse. (97er Modell: Feder im linken und Dämpfung im rechten Holm untergebracht, 40 mm Standrohre und 20 mm dünne Achse)0 Leichtes, sauber verarbeitetes Aluminum-Rahmenheck mit einfacher Demontage von Heckbürzel und Lichtanlage.0 Leichte Streuscheibe des Scheinwerfers aus Kunststoff. 0 Vorderradbremse mit fein dosierbarer Handpumpe aufgrund verbesserter und reibungsarmer Kraftübertragung zwischen Hebel und Hydraulikzylinder. (97er Modell: billige Handpumpe mit knatschigem Druckpunkt) 0 Neue Brembo-Bremszangen mit geänderten Befestigungspunkten. 0 Digitales Instrumenten-Display inklusive einstellbarem Schaltblitz mit optischem Signal bei erreichen der Drehzahlgrenze. (97er Modell: analoger Tacho, kein Schaltblitz)0 3,5-Zoll-Felge vorn mit 120/60 ZR 17-Reifen, hinten 160/60 ZR 17 (97er Modell: 3.0-Zoll-Felge mit 110/70 ZR 17, hinten 150/60 ZR 17 Bereifung)0 Behälter von Kühlflüssigkeit und Motoröl liegen jetzt rechts und links zwischen Rahmen und Verkleidung. Öltank leider ohne Sichtfenster zur Ölkontrolle. (97er Modell: Beide Behälter aus transparentem Kunsstoff im Rahmenheck verstaut).

Mein Fazit

So, jetzt geht das in Ordnung mit dem kleinen Zweitakter. Manierlich in der Stadt, zackig über Land und für die echten Rennsport-Freaks ein technischer Leckerbissen bis ins Detail. Fahrwerk und Bremsen sind auf dem neuesten Stand, die Verarbeitung besser denn je.So stellt man sich konsequente Modellpflege vor, auch wenn die konstruktionsbedingten kleinen Schwächen des von Suzuki entliehenen Zweitakt-Triebwerks noch nicht vollständig beseitigt sind.

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