Test Benelli Tornado 900 Limited Edition

Test Benelli Tornado 900 Limited Edition Im Auge des Orkans

»Auf viele feine Zutaten setzt Benelli in der ersten, limitierten »Auflage der ? Tornado, um eine Bresche zu schlagen in den Kreis der etablierten Konkurrenz.

Endlich ist es soweit. Benelli ist wieder da. Ganz heiß, ganz anders. Und dem Namen verpflichtet. Tornado – das steht für ein reinrassiges Renneisen. Kompromisslos sportlich - und kompromisslos anders.
In der Tat ist schon der ersten Kontakt mit der Tornado geeignet, eine Reizüberflutung einzuleiten, weil die Benelli bis ins kleinste Detail konsequent durchgestylt ist. Da begibt sich das Auge auf die Spur einer ganz neuen Formensprache, entdeckt so manches Kleinod der modernen Metall- und Kohlefaserverarbeitung. Bleibt hängen an den geschmiedeten Marchesini-Aluminiumfelgen, streicht über das gebürstete Aluminium des Multifunktionsdisplays, will nicht lassen vom stilisierten b an Tankdeckel und Fußrastenanlage. Einerseits. Andererseits lässt die Passform beispielsweise des Sitzbankunterteils zu wünschen übrig, steht der labberige und billige Kupplungshebel im krassen Gegensatz zum Premium-Anspruch des 36000-Euro-Renners.
Im Kapitel »technische Besonderheiten« hingegen wird dieser Anspruch voll und ganz erfüllt. Neu konstruierter Dreizylinder, Kühler über dem Hinterrad, Rahmenverbund aus Stahl und Aluminium, Lüfter in der Heckverkleidung – so etwas gab es noch nie.
Ob´s funktioniert ? Ein Druck aufs Knöpfchen, und die Tornado lebt. Und wie! Mit dem verhaltenen Säuseln japanischer Reihenvierzylinder hat das, was dieser 898 Kubizentimeter große und mit einem Bohrung-Hub-Verhältnis von 88 mal 49,2 Millimetern extrem kurzhubig ausgelegte Dreier von sich gibt, nicht das Geringste zu tun. Ein gewaltiger mechanischer Klangteppich legt sich über das Motorrad, bei dem das Rasseln der Trockenkupplung die erste Geige spielt, während das kehlige Fauchen aus dem Arrow-Titanschalldämpfer dem Takt der kurzen Gasstöße folgt. Blitzartig dreht der Triple hoch, vergessen ist die Zeit des Staunens. Jetzt soll es losgehen, muss es losgehen. Plobb. Und plötzlich herrscht Ruhe. Motor aus. Betretenes Schweigen. Anfängerfehler?
Nein, die Trockenkupplung. Die rückt nämlich schlagartig ein, der plötzlich hergestellte Kraftfluss zum Hinterrad macht dem unterhalb von 4000/min ohnehin sehr kapriziös arbeitenden Dreizylinder den Garaus. Nächster Versuch: Ganz viel Gas und die extrem leichtgängige Kupplung wie in Zweitaktzeiten seelig schleifen lassen. Ja, so geht’s, die Diva setzt sich in Bewegung. Flink steppt der Schaltfuß durchs exakt, aber bisweilen etwas knorrig zu schaltende Getriebe, während sich die Gliedmaßen mit den angebotenen ergonomischen Verhältnissen arrangieren. Sportlich, kompakt, sehr vorderradorientiert thront der Fahrer sehr hoch oben über dem Kühler. 840 Millimeter Sitzhöhe machen in Verbindung mit dem diffizilen Anfahrverhalten der Tornado jeden Ampelstart zum Drahtseilakt für Kurzbeinige. Erschwerend hinzu kommt auch noch die Neigung des Drillings, die gezogene Kupplung und die Null-Stellung des Gasgriffs als Signal zum Dienstende anzusehen. An einer Ampel ist das nur peinlich, in einer engen Bergaufkehre grenzt es an Körperverletzung. »Gemach, Gemach«, werden nun die Vertreter der reinen Rennlehre einwerfen, »dafür ist dieses Kleinod nicht gebaut. Wo das hingehört, weht ein ganz anderer Wind.«
Recht so, recht so. Wenn er denn wehen würde, jenseits dieser unwürdigen Drehzahlniederungen. Nur: So richtig geht da nichts. Denn erstens korrigierte Benelli die avisierte Leistung von 150 über 143 auf nunmehr zivile 136 PS, und zweitens ist auch bei dieser Leistungsangabe der fromme Wunsch Vater des Gedankens. 121 PS lieferte der von einer Sagem-Einspritzung gefütterte Dreizylinder auf dem Prüfstand an der Kupplung ab und statt versprochener 100 Newtonmeter deren 84 bei 9700/min. Unterhalb der 7500/min-Schwelle erreicht er nicht einmal 70 Newtonmeter. Eine Drehmomentschwäche, die jederzeit erfahrbar ist. Lau, sehr lau hangelt sich der Dreier die Drehzahlleiter rauf, kommt erst ab 7000/min richtig in Schwung. Und jenseits der 10000/min geht ihm schon wieder die Puste aus. Begleitet wird dieser Vorgang, speziell unter Last, von kernigen Vibrationen, und auch die Gasannahme im unteren Drehzahlbereich dürfte spontaner sein.
In Zahlen drückt sich diese Unlust angesichts des geringen Gewichts von nur 207 Kilogramm vollgetankt weniger dramatisch aus, als es sich anfühlt: Von null auf 100 km/h in drei Sekunden, 200 km/h werden nach 9,5 Sekunden erreicht. Die Durchzugswerte liegen ebenfalls auf dem Niveau anderer 120-PS-Renner. Trotzdem: Tornado-Interessierte werden für diesen Preis sicher mehr erwarten.
Angesichts dieser Tatsache ist wenig tröstlich, dass das Fahrwerk auf höherem Niveau als der Motor arbeitet. Die feinen Öhlins-Bauteile sind von gewohnter Qualität, die Abstimmung der Gabel hätte aufgrund der extremen Gewichtsverteilung ( satte 110 Kilogramm lasten auf dem Vorderrad, nur 95 auf dem Hinterrad) jedoch straffer ausfallen können. Die hohe Vorderradlast verlangt vom Fahrer eine rennstreckenmäßige Fahrweise mit aktiver Gewichtsverlagerung. Dann lässt sich die Tornado nicht übertrieben handlich, jedoch zielgenau und stabil um die Ecken scheuchen, irritiert aber bei harten Bremsmanövern – die jüngste Brembo-Generation überzeugt wieder einmal mit famosem Biss – mitunter mit einem leicht werdenden Heck.
Eine Dynamik, die am anderen Ende der Kurve leider nicht geboten wird. Etwaigen Interessenten mag es auch angesichts zweier technischer Ausfälle (einmal verabschiedete sich der Zündrotor, einmal wurde ein Fehler im Kühlsystem gemeldet) nur helfen, auf weitere Entwicklungsarbeit von Benelli zu hoffen. Denn so weit, dass auch im Zentrum der Tornado Ruhe herrscht, muss die Ähnlichkeit mit dem Namensgeber wirklich nicht gehen.

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