Test Honda CBR 600 F

Test Honda CBR 600 F Auf ein Neues

Zum x-ten Mal renovieren die Japaner ihren Topseller und versprechen, was sie bislang immer gehalten haben: die beste CBR 600 F, die es je gab.

Es hätte alles so schön sein können. Direkt im Anschluss an die Präsentation der neuen Honda CBR 600 F und FS Ende Oktober im spanischen Almeria wurden die ersten Testmaschinen an die Presse verteilt. Doch leider waren die nur für Deutschland gebauten Kat-Modelle noch nicht verfügbar – und werden erst im Januar 2001 vom Band laufen. Also was tun? Warten bis nächstes Jahr? Oder ein Modell ohne Kat testen und im Januar das Ergebnis mit einer abgasgereinigten Version vergleichen? Da der Kat erfahrungsgemäß das Fahrverhalten nicht beeinflusst und laut Honda nur ein PS bei der Spitzenleistung kostet, entschied sich die Redaktion für den sofortigen Test des Katalysator-freien Modells. Um die Neugier der 600er-Fangemeinde zu stillen.
Denn die ist gespannt. Nachdem Suzuki mit einer komplett neuen 600er antritt, stellt sich natürlich die Frage, ob die neben der Einspritzung in vielen Details überarbeitete CBR 600 F da mithalten kann? Sie kann, zumindest wenn man von den Belangen des täglichen Lebens ausgeht. Es grenzt schon fast an Magie, mit welcher Selbstverständilchkeit diese 600er ihren Fahrer aufnimmt. Sitzposition, Hebeleien und Knieschluss sind für kleine und große Piloten gleichermaßen perfekt, Kupplung, Bremse und Gasgriff extrem leichtgängig. So müsste jedes Fahrschul-Motorrad sein.
Als richtiges Ärgernis stellt sich allerdings die Kaltstartautomatik heraus. Wie schon die CBR 900 RR dreht auch die 600er die ersten ein, zwei Kilometer mit knapp über 2000/min unverhältnismäßig hoch. Einflussnahme unmöglich. Ansonsten überzeugt die CBR auch im Fahrbetrieb. Leichtfüßig wie ein Roller lässt sie sich durch den dichten Stadtverkehr manövrieren. Selbst flinke Haken kann der CBR-Treiber ansatzlos und nahezu ohne jeden Krafteinsatz an den hoch montierten Lenkerstummeln schlagen. Die für Sportler-Verhältnisse ausgesprochen bequeme, aufrechte Sitzposition, die weit ausladenden Rückspiegel und das informative Cockpit machen einem das Leben auf der Honda ebenfalls sehr leicht.
Ähnlich spielerisch nimmt die neue CBR Landstraßen jeglicher Kategorie unter die Räder. Auf Anhieb vermittelt sie das Gefühl der Vertrautheit. Alles funktioniert, wie es soll, nichts bedarf der Gewöhnung. Fahrwerkseitig zwar durch zusätzliche Versteifungen im Bereich von Lenkkopf und Schwingenaufnahme für höhere Aufgaben gerüstet, entspricht die Abstimmung der Federelemente und somit auch deren Qualitäten ganz dem Vorgängermodell: tadelloses Ansprechverhalten, im Solobetrieb ausreichende Reserven auch für flotteren Einsatz und ein genügend breiter Verstellbereich.
Mit Urlaubsgepäck oder Sozuis jedoch wird’s eng. Da reicht selbst die volle Vorspannung am Federbein nicht aus, ein Durchsacken bei größeren Bodenwellen zu verhindern. Ohne zusätzliches Gewicht zieht die Honda dann wieder zielsicher ihre Bahn, glänzt mit vorbildlicher Handlichkeit und neutralem Kurvenverhalten. Nicht zuletzt ein Verdienst der Michelin-Pilot-Sport-Bereifung, die neben Bridgestone und Dunlop vorrangig als Erstausstattung montiert werden soll.
Dank Einspritzung, größerer Airbox, dickeren Lufteinlässen und neuem Zündkennfeld schiebt der kleine Vierzylinder überraschend erwachsen über den gesamten Drehzahlbereich voran. Wie eh und je nahezu vibrationsfrei und jetzt auch ohne das nervige Leistungsloch zwischen 5000 und 6000 Touren. Ein wahres Gedicht: das Getriebe. Butterweich und trotzdem präzise flutschen die Gänge hinein. Mit einer kürzeren Gesamtübersetzung zusätzlich auf Trab gebracht, kann sich die CBR vor allem bei den Durchzugwerten gegen die Suzuki GSX-R 600 durchsetzen. Unter Vorbehalt allerdings, das wahre Potenzial wird erst die Nachmessung der Kat-Version bringen. Denn zum Erstaunen der Testmannschaft jagte die Honda ungebührlich viel Sprit durch die Einspritzdüsen. Für MOTORRAD Grund genug, an der Serienmäßigkeit des ersten Testexemplars zu zweifeln.
Bis das geklärt ist gilt aber: prima Gasannahme, keine Lastwechselreaktionen, homogene Leistungsentfaltung und bei entsprechendem Drehzahlniveau immer mehr Pferdchen abrufbar, als man auf öffentlichen Straßen galoppieren lassen sollte. Im besten Fall legen sich 113 ins Zeug, um den 201 Kilogramm schweren Sportler auf über 250 Sachen zu beschleunigen. Auf Geschwindigkeiten über 200 km/h reagiert die CBR mit einem Gefühl der Leichtigkeit. Und zwar der Fahrzeugnase. Vor allem bei aufrechter Sitzposition wirkt sie dann beim Überfahren von Längs- oder Querrillen etwas nervös, was aber niemals bedenklich wird.
Und sollte es trotz aller Gutmütigkeit mal eng werden, die Stopper der CBR werden’s schon richten. Gerade unter schwierigen Bedingungen wie nasser, mit Herbstlaub bedeckter Fahrbahn und niedrigen Temperaturen sorgt die Honda-Bremse für glasklare Verhältnisse. Brillante Wirkung und perfekte Dosierung machen die überarbeitete Vierkolben-Anlage auch für weniger routinierte Fahrer zur allerersten Wahl.
Erste Wahl ist die CBR ebenfalls, wenn es um den nächtlichen Durchblick geht. Die neuen Scheinwerfer sind im wahrsten Sinne des Wortes ein Lichtblick. Da mutiert sogar die vor wenigen Seiten gelobte GSX-R 600 zum Glühwürmchen. Unglaublich hell und breit leuchtet der Lichtkegel selbst den letzten Winkel der Fahrbahn aus.
Ein Punkt, der beim Einsatz auf der Rennstrecke keine Rolle spielt. Doch der bleibt der CBR 600 F vorläufig noch erspart. Dort ist die Motorleistung so entscheidet, dass erst die Kat-Version den Vergleich mit der übrigen 600er-Konkurrenz antreten soll. Für all diejenigen, die sich mehr für das Leben auf der Landstraße interessieren, kann jetzt schon festgehalten werden: Die Honda-Ingenieure haben ihr Versprechen eingelöst. Diese CBR 600 F ist wieder mal ein Schritt nach vorn, auch wenn es keiner mit Siebenmeilen-Stiefeln ist.

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