Selten war ein Auftrag so klar definiert: Siegen, siegen, siegen den Italienern die Superbike-Krone wieder abnehmen. Die ersten offiziellen Ergebnisse von Slight und Edwards bei der offiziellen Vorsaison-Tests der Superbike-WM machen Hoffnung. Honda is back. Mit dieser Hoffnung steigt auch die Vorfreude bei uns Normalbürgern. Auf einen supersportlichen Ableger dieser Rennmaschinen für den Straßenverkehr: japanisch perfekt, leistungsstark, kompromisslos und dennoch erschwinglich.
Imola, 2. Februar, 9.30 Uhr. Es ist zum Verzweifeln. Dicke Regenwolken oben, Bodennebel rundum, auf der Piste größere Flächen von Eis und Schnee und in der Box ein Leckerbissen Namens VTR 1000 SP-1. Die erste Testmaschine Europas. 11.30 Uhr, dem größten Optimisten ist klar: Das wird nichts mehr mit dem geplanten Rennstrecken-Test. Also, Plan B raus auf die Landstraße. Immer Richtung Süden, die Sonne suchen.
Die Honda nimmt ihren Reiter nach dem Motto »aufsteigen und wohlfühlen« in Empfang. Recht entspannt die Sitzposition, nicht allzu tief die Lenkerstummel, breit und gut gepolstert die Sitzbank. Den Oberkörper nur moderat gebeugt, wähnt sich der Fahrer eher auf der VTR 1000 F als auf einem Supersportler. Doch nicht nur die Sitzposition, sondern auch die Masse dieser Honda verwundert. Mit vollgetankt 225 Kilogramm ist sie über 25 schwerer als eine CBR 900 RR aus selbem Haus. Und die hat immerhin vier Zylinder und einen Katalysator.
Die Bedingungen sind widrig. Nasse, verschmutzte Straßen führen von Imola aus in Richtung Florenz. Zuerst recht geradlinig durch die Ebene, dann immer kurvenreicher in die hügelige Landschaft der Toskana. Die SP-1 überrascht ein weiteres Mal. Diesmal allerdings positiv. Denn trotz der schlechten äußeren Bedingungen wiegt die schlanke VTR ihren Fahrer in größter Sicherheit . Wie selbstverständlich zieht sie ihre Bahn auf dem schmierigen Untergrund, kündigt direkt und zuverlässig den Grenzbereich an. Nicht das geringste Gefühl von Unsicherheit schleicht sich ein, keine Bedenken, von der Leistungsentfaltung des Zweizylinders überrascht zu werden. Alles geht weich und harmonisch von der Hand. Gefühlvoll bremsen, einlenken, Gas anlegen ein Fahrschul-Motorrad könnte es nicht besser.
Dabei drückt der extrem kurzhubige V2-Antrieb satte 126 PS auf die Prüfstandsrolle am Hinterrad gemessen, versteht sich. Doch von brutalen Kraftausbrüchen keine Spur. Ab 2000/min zieht der Zweizylinder nahezu Gentleman-like durch. Ohne Rucken und mit gleichmäßiger Beschleunigung bis an den roten Bereich bei 10 000/min. Sowohl sein Beschleunigungs- als auch Durchzugspotentzial liegt dabei durchaus auf dem hohen Niveau einer Ducati 996 SPS. Der Honda-Motor wirkt einfach nur zahmer. Wenig Vibrationen, geringe mechanische Geräusche und ein recht verhaltener, im Vergleich zu einer Ducati geradezu schüchterner Klang tragen ebenfalls zum unspektakulären Auftritt bei.
Endlich bessert sich das Wetter, die Straßen werden trocken, das Tempo flotter. Und die VTR? Sie fährt halt, diese Honda. Ohne großes Aufheben. Die Kupplung ist leichtgängig, die Gänge flutschten fast von selbst. Gabel und Federbein bügeln alle Unebenheiten platt, sorgen für angenehmen Komfort und lassen dennoch nichts an direkter Rückmeldung und exakter Radführung vermissen. Auch beim scharfen Anbremsen von ein paar engen Haarnadelkurven ist keine Tendenz zum Stempeln auszumachen. Erst wenn recht harsch in den ersten Gang bei gleichzeitigem Betätigen der hinteren Bremse heruntergeschaltet wird, beginnt das Heck leicht zu springen.
Gute Arbeit leisten auch die speziellen Metzeler ME Z 3-Pneus, mit der Zusatzkennung X eigens für die SP-1 entwickelt. Die Gummis überzeugen durch hohen Abrollkomfort, gute Dämpfung und neutrales Lenkverhalten. Auch gelten die Metzeler-Reifen als probates Mittel gegen Lenkerschlagen. Allerdings lupft die SP-1 trotz ihrer enormen Motorleistung und hecklastiger Gewichtsverteilung nur bei nachdrücklicher Animation das Vorderrad und konfrontiert ihren Piloten somit nur selten mit diesem Problem.
Häufiger ärgert das schmale Balkendiagramm des digitalen Drehzahlmessers, weil es nur schlecht abzulesen ist. Nur gut, dass der V2 ein relativ breites nutzbares Drehzahlband bereit stellt. An den digitalen Tacho gewöhnt sich das Auge dagegen schnell.
Mit jedem Kilometer in Richtung Süden bessert sich das Wetter, die Temperatur steigt auf bekömmliche 16 Grad, man fühlt sich wohl. Und irgendwie hat es diese recht harmlos wirkende SP-1 geschafft, von ihrer eigentlichen Bestimmung abzulenken. Sollte sie nicht der ultimative Renner sein, die Antwort auf Ducati 996 oder Aprilia Mille R? Die Honda macht nämlich auf »guter Kumpel«, wirkt beruhigend anstatt aggressiv, überrascht mit Komfort statt sportlicher Härte und gibt sich bei schnellen Schräglagenwechseln eher bedächtig denn flink oder gar nervös. Ein prima Sporttourer ist sie, auch wenn ihre Fahrleistungen im supersportlichen Bereich liegen. Ein echter Allrounder ist sie, auch wenn es dafür schon die VTR 1000 F oder VFR gibt. Bleibt abzuwarten, ob die SP-1 gegen die direkte Konkurrenz Ducati 996 SPS und Aprilia Mille R auch ohne einen sündhaft teuren Racing-Kit bestehen kann. Dieser spannende Test ist im sonnige Spanien zur Zeit in vollem Gange und klärt die Frage: Meistert die SP-1 das Leben am Limit so souverän wie den Alltag? Zuzutrauen ist diesem Motorrad auf jeden Fall alles.
Test Honda VTR 1000 SP-1 : Was bin ich?
Sie sollte der ultimative Ducati-Killer werden. Dann sprachen Gerüchte von einer eher moderaten Gesamtkonstruktion. Honda VTR 1000 SP-1: beinharter Supersportler oder alltagstauglicher Alleskönner? MOTORRAD ging der Frage nach.