Test Yamaha YZF 1000
Was ist Trumpf?

Wer weiß das schon. Ist aber auch egal, solange man ein As im Ärmel hat - ein Thunderace von Yamaha zum Beispiel. Das Spiel kann beginnen.

Die Spielregeln im Sportbereich haben sich in den letzten neun Jahren nicht verändert. So lange ist es her, daß Yamaha mit der ersten FZR 1000 einen entscheidenden Stich im sportlichen Spiel für sich verbuchen konnte. Stärker, schneller, leichter lauten auch heute noch die Vorgaben an die Ingenieure. Verändert hat sich allerdings die Anzahl der Mitspieler. War es damals kaum eine Handvoll großvolumiger Big Bikes, streitet sich jetzt gleich eine ganze Meute wildgewordener 600er, 750er und 900er um die sportbegeisterte Kundschaft.

Neues Spiel, neues Glück - ein neues Motorrad muß her, sagten sich die Marketingstrategen von Yamaha, und zwar nach den bekannten Spielregeln stärker, schneller, leichter. Das Produkt dieser Erkenntnis: die YZF 1000 R Thunderace.

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Test Yamaha YZF 1000
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Wie schon ihre kleinere Schwester, die 600er Thundercat, besitzt auch die neue 1000er den Charme einer großen Wildkatze. Runde, gefällige Formen prägen die Linie und verleihen der YZF eine geschmeidiges und elegantes Äußeres, die weit heruntergezogene Schnauze suggeriert Angriffsbereitschaft. Als überraschend harmlos entpuppt sich dagegen die Sitzposition. Trotz der bullig breiten Abmessungen fällt diese zur Freude von Nackenmuskulatur und Handgelenken äußerst zahm aus. Dank eines kürzeren Tanks und den hoch montierten Lenkerstummeln können jetzt auch kleinere Leute eine menschenwürdige, aufrechte Haltung einnehmen.

Eine angenehme, entspannte Sitzposition ist nur ein Garant für ein sicheres Fahrgefühl, ein gut funktionierendes Fahrwerk ein weiterer. Und auch da kann sich die neue YZF 1000 R einiges auf ihr Haben-Konto schreiben lassen. Kernstück ist ein Brückenrahmen auf Basis des 750er Superbikes aus gleichem Hause. Der ist nicht nur stabiler und 5,2 Kilogramm leichter als der alte FZR-Rahmen, er sorgt auch für einen um 40 Millimeter kürzeren Radstand. So wundert es wenig, daß die neue YZF ungewohnt handlich und agil auf Lenkbefehle reagiert.

Diese Leichtfüßigkeit wird unterstützt durch die qualitativ hochwertigen und sehr feinfühlig ansprechenden Federelemente. Sowohl am hinteren Federbein von Bilstein als auch an der wuchtigen Telegabel mit 48 Millimeter dicken Standrohren lassen sich Dämpfung und Federbasis beliebig einstellen und den herrschenden Gegebenheiten anpassen. Ob soft und bequem auf der sonntäglichen Bummeltour mit Sozius oder sportlich straff im Eilgang, die YZF verwandelt sich mit wenigen Handgriffen von der Schmuse- zur Raubkatze.

Wer sich allerdings auf das Spiel mit der Raubkatze einläßt, sprich eine deutlich straffere Fahrwerksabstimmung als die gut funktionierende Serieneinstellung wählt, darf sich nicht wundern, daß die Katze auch mal ihre Krallen zeigt. Besonders auf welligen Pisten kann die YZF schon mal drohend mit dem Lenker zucken.

Wird das Spielfeld von kurvigen Landstraßen auf die Autobahn verlegt, kann die Yamaha dagegen nicht ganz überzeugen. Zwar verhilft die stark verbesserte Aerodynamik der YZF zu einer deutlich höheren Endgeschwindigkeit, dafür reagiert die 1000er jetzt aber mit leichten Pendelbewegungen. Der Auslöser dieser harmlosen, doch unnötigen Instabilität liegt vermutlich mehr an der Bereifung als an der handlichen Fahrwerksgeometrie der YZF. Das Testmotorrad ist mit Metzeler ME Z2-Pneus bestückt, Reifen also, die eher für einen Tourer als für einen reinrassigen Sportler entwickelt wurden. Ein Teil des YZF-Kontingents wird laut Mitsui Deutschland serienmäßig auch auf sportlicheren Bridgestone BT 50 ausgeliefert.

Keine Zweifel hinterläßt dagegen die Antriebseinheit. Der stark überarbeitete FZR-Motor zeigt schon auf dem MOTORRAD- Prüfstand, daß er bei bester Laune ist. 110 PS drückt er in der gedrosselten 98-PS-Version auf die Rolle. Was die YZF 1000 R in der offenen Version zu leisten imstande ist, muß sie zur Zeit in einem großen Vergleich zeigen. Das Ergebnis wird bereits in Heft 9 nachzulesen sein.

Bis dahin gilt, daß zumindest die gedrosselte Version alle bislang gemessenen Big Bikes in den Schatten stellt. Gleichgültig ob Honda CBR 900 RR, Kawasaki ZX-9R oder Suzuki GSX-R 1100, weder in Beschleunigung noch im Durchzug läßt die YZF etwas anbrennen. Dabei ist die unerlaubte Mehrleistung durch die schlampige Drosselung eher zweitrangig. Es ist vielmehr die füllige Leistungskurve, die die Yamaha zum Chef im Ring macht.

Die Überarbeitung des Fünfventilers hat sich sichtlich gelohnt. Gerade im Bereich zwischen 3000 und 5000/min zeigt sich der wassergekühlte Vierzylinder enorm kraftvoll, ohne dabei aggressiv und bissig auf Gaswechsel zu reagieren. In der Ruhe liegt seine Kraft, und diese Ruhe behält er bis in höhere Drehzahlregionen bei. Und weil die Leistungskurve bereits bei 9XXX/min ihren Höhepunkt erreicht, erübrigen sich Drehzahl-Exzesse bis an die Grenze des roten Bereichs bei 11500/min.

Die Schaltarbeit im Fünfganggetriebe kann aufgrund der überragenden Durchzugsqualitäten stark eingeschränkt werden. Kein Fehler, denn Schalten macht bei diesem Getriebe nicht den allergrößten Spaß. Zu hakelig rasten die einzelnen Gangstufen ein, und zu nervig ist die Leerlaufsuche bei noch etwas zu kaltem Motoröl. Dafür entschädigt die Antriebseinheit durch ruckfreie Kraftübertragung zum Hinterrad.

Ein weiteres Lob gebührt den Bremsen. Super Verzögerung, hervorragend zu dosieren und endlich auch standfester als vergangene Yamaha-Anlagen. Übrigens die gleiche Bremsanlage, die schon bei der kleinen YZF 600 R für beste Noten gesorgt hat. Die aus einem Stück gefertigten Vierkolbensättel werden auch mit den 233 Kilogramm der 1000er spielend fertig. Allerdings sind das nur zehn Kilogramm mehr als bei der 600er, die Yamaha-Ingenieure also auch in puncto Gewicht ihre Vorgabe erfüllt haben. Leichtes Spiel wird die Konkurrenz mit der Thunderace sicherlich nicht haben.

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MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023