Die Honda CBR 1000 RR schwimmt momentan auf einer Welle des sportlichen Erfolgs. Jürgen Oelschläger und
Michael Schulten dominieren die Super-
bike-IDM mit ihren von Alpha-Technik
aufgebauten Fireblades. Und in der Weltmeisterschaft bricht Chris Vermeulen auf der Ten-Kate-Honda immer häufiger in die Phalanx der Werks-Ducatis ein. Mit mehreren Siegen auf seinem Konto ist er mittlerweile ein ernst zu nehmender Titelaspirant.
Für diese Erfolge gibt es plausible Erklärungen: Die neue Generation von Super-
sportlern ist extremer denn je auf Sportlichkeit getrimmt, da macht die Honda
keine Ausnahme. Anders als deren Vorgängerin übrigens, die eher den Kompromiss suchte. Und so möchte die 2004er-CBR auch am liebsten mit sportlichem Einsatz bewegt werden. In ihrem Element ist sie, wenn der Fahrer schon beim Einbiegen auf eine Gerade die nächste Kurve fokussiert, den Bremspunkt möglichst spät setzt, hart umlegt, möglichst früh wieder ans Gas geht. Das Triebwerk jubelt im fünfstelligen Bereich, die CBR lupft das Vorderrad. Für den Rennsport bietet eine solche Maschine eine hervorragende Basis. Doch wie sieht es im Top-Test-Parcours und im Alltag aus, wo ganz andere Kriterien zählen?
Die Motorleistung lässt auf der Straße bei einem Niveau von deutlich über 150 PS selbstverständlich keine Wünsche offen. Im Vergleich zu früheren Testmaschinen fehlten bei diesem Exemplar zwar in der Spitze vier PS, aber im Alltag hat dies keinerlei Relevanz.
Mäßig ist angesichts des gebotenen Potenzials der Verbrauch bei Landstraßentempo. Auf der MOTORRAD-Testrunde schluckte die Fireblade 5,7 Liter auf 100 Kilometer, einen halben Liter weniger als
die U-Kat-Version im Vergleichstest in
MOTORRAD 6/2004. Zusammen mit den besseren Schadstoffwerten kommt die CBR auf 708 Punkte, also zehn Punkte mehr
als in Heft 6. Die Spitzenposition bei den 1000er-Supersportlern ist damit gefestigt.
Das Sahnestück ist aber weniger der Motor als vielmehr ein qualitativ hochwertiges Fahrwerk. Sehr handlich, mit hoher Lenkpräzision und äußerst stabil durchkurvt die Honda den Pylonendschungel des Top-Test-Parcours. Eine Stärke, die sie auch auf der Landstraße voll ausspielen kann. Egal, ob schnelle oder holprige Passagen, die CBR vermittelt mit ihrer eher soften Abstimmung, die auf der Landstraße perfekt passt, dem stabilen Fahrverhalten und der guten Rückmeldung viel Sicherheit und Vertrauen. Sie liegt wie das sprichwörtliche Brett auf der Straße und macht es einem dadurch einfach, sich dem Grenzbereich zu nähern.
Wie gut das Fahrwerk ist, wird deutlich, wenn man das Set-up ändert. Wohl sind Unterschiede zu spüren, doch selbst auf praxisfremde Einstellungen reagiert die
Fireblade unkritisch. Was im Sport ebenfalls nicht ohne Bedeutung ist. Mit etlichen
Kilos weniger und einigen PS mehr gewinnt derjenige, der die Leistung am besten auf den Boden bringt.
Wünschenswert wäre trotz des guten Gesamteindrucks eine straffere Gabelabstimmung. Die Front taucht bei Richtungswechseln tief ein, das wird besonders im schnellen Slalom des Top-Tests deutlich. Zudem fällt das relativ hohe Aufstellmoment des Pirelli Diablo Corsa beim Bremsen in Schräglage auf, in erster Linie am Umkehrpunkt des Testparcours. Ebenso störend sind die Lastwechselreaktionen, die nicht nur ein frühes Gasanlegen im Umkehrpunkt erschweren und im langsamen Slalom einen sauberen Rhythmus verhindern, sondern die Fireblade auch
auf der Landstraße mitunter etwas ruppig erscheinen lassen.
Bremsmessung und Kreisbahn zählen dagegen zu den Paradedisziplinen der Honda. Obwohl die Gabel bei der Bremsmessung auf Block geht und das Hinter-
rad wegen der heute üblichen vorderradorientierten Gewichtsverteilung leicht den
Bodenkontakt verliert, bleibt die CBR immer sicher auf Kurs. Die sehr gute Bremsdosierung sowie die geringe Handkraft und brachiale Verzögerung machen die Vier-
kolbenanlage mit ihren 310er-Scheiben zur Referenz. Belegt wird dies durch die sehr hohe mittlere Verzögerung von 9,7 m/s2. Und auf der Kreisbahn profitiert die CBR einmal mehr von ihrem stabilen Fahrwerk. Die Trennfugen können sie nicht von ihrer Linie abbringen, die Fußrastenausleger halten permanent Bodenkontakt.
Dass die Fireblade selbst auf bucke-
ligen Landstraßen immer lammfromm bleibt, dafür sorgt der elektronische Drehflügel-Lenkungsdämpfer. Nachdem bei der Vorgängerin der fehlende Lenkungsdämpfer von MOTORRAD heftig kritisiert wurde, spendierten die Honda-Techniker dem aktuellen Modell ein elektronisch geregeltes Bauteil. Die aufwendige Konstruktion bietet den Vorteil, dass sie erst bei höherem Tempo wirksam eingreift. Bei niedrigen Geschwindigkeiten ist das Dämpfungsventil geöffnet, dadurch sollen Handling und die Lenkpräzision möglichst wenig beeinflusst werden.
In der Praxis funktioniert das innovative System tadellos. In langsamen Kehren ist der Lenkungsdämpfer nicht spürbar. Beim zügigen Überqueren übler Bodenwellen zuckt der Lenker kurz, wird dann aber sofort eingebremst. Ein echter Fortschritt im Vergleich zur heiklen Vorgängerin.
Das Bekenntnis zum Sport kostet die diesjährige Fireblade allerdings in manchen Kriterien der Alltagswertung einige Pünktchen. Was auf kurzen Strecken im forcierten Tempo noch passt, entpuppt sich auf langen Reisen als wenig komfor-
tabel. So etwa die kompromisslos sportlich orientierte Sitzposition. Mit viel Last auf den Handgelenken und einer sehr straffen Sitzbank werden Tagesetappen von über 500 Kilometern zu einer echten Härteprüfung. Ein weiteres Problem bringt die Unterbringung des Gepäcks mit sich. Immerhin sind am Heck ausreichend Verzurrmöglichkeiten geboten.
Wer hitzigen Diskussionen aus dem Weg gehen will, sollte auf einen Urlaub mit Sozius verzichten, da der Platz hinter dem Fahrer allenfalls genügend Komfort für die Spritztour zur nächsten Eisdiele zur Ver-
fügung stellt. Da es aber nicht in der Bestimmung einer Fireblade liegt, bei einer Urlaubstour mit Sozius zu überzeugen, und andere Supersportler in diesem Punkt auch nicht besser abschneiden, sind diese Schwächen zu verschmerzen. Auf der Autobahn besticht die CBR bei höheren Geschwindigkeiten selbst mit Gepäck, nicht gerade förderlich für die Aerodynamik, durch ihren unbeirrbaren Geradeauslauf.
Einen hohen Schnitt vereiteln jedoch die häufigen Tankstopps. Während die theoretische Reichweite auf der Landstraße mit 316 Kilometern akzeptabel ist, sieht es bei freier Bahn und hohem Vollgasanteil ganz anders aus. Schon nach gut 160 Kilometern warnt die Tankleuchte, was einen Verbrauch von etwa neun Litern des teuren Superbenzins bedeutet. Etwas Spielraum lässt die mit 3,5 Litern ausreichend bemessene Reserve.
Man muss nicht unbedingt Vermeulen oder Schulten heißen, um Spaß an dieser Honda zu haben. Im serienmäßigen Zustand leistet sie sich kaum Schwächen, besitzt indes sehr ausgeprägte Stärken. Dass die Kunden dies honorieren, belegen die Zulassungszahlen. Mit 2644 Stück liegt die CBR auf Rang fünf im ersten Halbjahr 2004. Nur Yamaha verkaufte von der R1 im Segment der Supersportler rund 250 Stück mehr. In der MOTORRAD-Bestenliste liegt die Honda Fireblade weiterhin auf Platz acht und ist somit einziger Supersportler unter den Top Ten.
War sonst noch was? - Honda CBR 1000 RR Fireblade
Plus
Sehr gute Verarbeitung
Sehr gute Ergonomie
Klar ablesbare Instrumente mit allen
wichtigen Informationen
Gute Lichtausbeute des Scheinwerfers
Wegfahrsperre
Minus
Wenig Rücksicht in den Spiegeln
Bei schnellen Autobahnetappen recht durstig
Leichte Anfahrschwäche bei
2000 Umdrehungen
Fahrwerkseinstellungen (Klammerwerte
für Rennstrecke)
Gabel
Druckstufendämpfung:
2 (0,5) Umdrehungen offen
Zugstufendämpfung:
2,5 (2,5) Umdrehungen offen
Federbasis:
8 (5) Umdrehungen offen
Federbein
Druckstufendämpfung:
13 (4) Klicks offen
Zugstufendämpfung:
2 (0) Umdrehungen offen
Federbasis: 3 Kerben
Fazit - Honda CBR 1000 RR Fireblade
Auch die Honda CBR 1000 RR ist nicht perfekt, obwohl sie sehr nahe dran ist. Während sich die weiche Gabel nur in extremen Situationen bemerkbar macht, nerven die Lastwechselreaktionen im Alltag. Ansonsten besticht die Fireblade mit ihrer Stabilität, der famosen Bremse und der sehr guten Fahrbarkeit. Die saubere Verarbeitung rundet den guten Gesamteindruck ab.
MOTORRAD-Messungen - Honda CBR 1000 RR Fireblade
Fahrleistungen
Höchstgeschwindigkeit* 287 km/h
Beschleunigung
0100 km/h 3,2 sek
0140 km/h 4,7 sek
0200 km/h 7,6 sek
Durchzug
60100 km/h 3,5 sek
100140 km/h 3,5 sek
140180 km/h 3,4 sek
Tachometerabweichung
Effektiv (Anzeige 50/100) 46/97 km/h
Drehzalmesserabweichung
Anzeige roter Breich 12000 /min
Effektiv 11800 /min
Verbrauch im Test
bei 100 km/h 5,0 l/100 km
bei 130 km/h 5,9 l/100 km
Landstraße 5,7 l/100 km
Theor. Reichweite 316 km
Krafstoffart Super
Maße und Gewichte
L/B/H 2050/825/1110 mm
Sitzhöhe 820 mm
Lenkerhöhe 840 mm
Wendekreis 6620 mm
Gewicht vollgetankt 211 kg
Zuladung 177 kg
Radlastverteilung v/h 52/48%
Fahrdynamik1
Bremsmessung
Bremsweg aus 100 km/h 39,9 Meter
Mittlere Verzögerung 9,7 m/s2
Bemerkungen
Die Gabel taucht sehr tief ein und geht
auf Block, und das Hinterrad verliert den Bodenkontakt. Dabei bleibt das Motorrad sehr spurstabil.
Handling-Parcours I (schneller Slalom)
Rundenzeit 20,3 sek
vmax am Messpunkt 103,7 km/h
Bemerkungen: Die weiche Fahrwerksabstimmung geht auf Kosten der Handlichkeit. Am Umkehrpunkt ist ein starkes Aufstellmoment des Vorderreifens zu spüren.
Handling-Parcours II (langsamer Slalom)
Rundenzeit 28,1 sek
vmax am Messpunkt 55 km/h
Bemerkungen: Hier machen sich die Lastwechselreaktionen bemerkbar. Die Handlichkeit beim Umlegen ist gut, in großer Schräglage kippt die CBR ein wenig in
die Kurve hinein. Die Fußrastenausleger setzen auf.
Kreisbahn Ø 46 Meter
Rundenzeit 10,3 sek
vmax am Messpunkt 52,6 km/h
Bemerkung: Das ist die Parade-Disziplin der Fireblade. Sie liegt sehr ruhig, und selbst die Trennfugen bringen das Fahrwerk nicht aus der Ruhe.
Technische Daten - Honda CBR 1000 RR Fireblade
Motor
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine Ausgleichswelle, zwei oben liegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 44 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 350 W, Batterie 12 V/10 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 40:16.
Bohrung x Hub 75,0 x 56,5 mm
Hubraum 998 cm3
Verdichtungsverhältnis 11,9:1
Nennleistung
126 kW (171 PS) bei 11250/min
Max. Drehmoment 115 Nm bei 8500/min
Schadstoffwerte (Homologation) in g/km
CO 0,819 / HC 0,436 / NOx 0,097
Fahrwerk
Brückenrahmen aus Aluminium, Motor mittragend, geschraubtes Rahmenheck, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, verstell-
bare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 310 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 220 mm, Einkolben-Schwimmsattel.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 190/50 ZR 17
Bereifung im Test Pirelli Diablo Corsa
Maße und Gewichte
Radstand 1412 mm, Lenkkopfwinkel 66,25 Grad, Nachlauf 102 mm, Federweg v/h 120/135 mm, zulässiges Gesamtgewicht 388 kg, Tankinhalt/Reserve 18/3,5 Liter.
Service-Daten
Service-Intervalle alle 6000 km
Öl- und Filterwechsel alle 12000 km
Motoröl SAE 10 W 40
Telegabelöl SAE 10 W
Zündkerzen NGK IMR9C-9HES
Leerlaufdrehzahl 1200±100/min
Reifenluftdruck solo (mit Sozius)
vorn/hinten 2,5/2,9 (2,5/2,9) bar
Garantie zwei Jahre
Farben Blau/Rot/Weiß,
Schwarz/Silber, Rot/Schwarz
Preis 12990 Euro
Nebenkosten 200 Euro
Punktewertung: Antrieb - Honda CBR 1000 RR Fireblade
Nicht so sehr mit brutaler Leistung und Drehfreude, wie es eine Kawasaki ZX-10R tut, überzeugt das CBR-Triebwerk, sondern mit einer
homogenen Leistungskurve, deren Vorteile in der Fahrbarkeit liegen. Lob gibt es noch für das leicht
und exakt zu schaltende Getriebe, Kritik muss sich die Honda allerdings wegen der starken Lastwechselreaktionen gefallen lassen.
Punktewertung: Fahrwerk - Honda CBR 1000 RR Fireblade
Das Prunkstück der CBR. Mit ihrer
hohen Stabilität vermittelt sie
ein hohes Maß an Vertrauen und
Sicherheit. Für die Rennstrecke dürfte die Gabel jedoch etwas
härter abgestimmt sein. Sie geht
bei einer Vollbremsung auf Block.
Punktewertung: Sicherheit - Honda CBR 1000 RR Fireblade
Als Referenz zählt die Bremsanlage. Dosierung, Verzögerung und Handkraft setzen Maßstäbe, die Wirkung ist dank des stabilen Fahrverhaltens auch sehr gut umzusetzen. Der elektronische Lenkungsdämpfer
und das gute Licht tun ein Übriges, damit die CBR in diesem Kapitel reichlich Punkte sammelt. Lediglich die Aufstellneigung beim Bremsen könnte geringer sein und die Sicht nach hinten besser ausfallen.
Punktewrtung: Alltag - Honda CBR 1000 RR Fireblade
Zwei Punkte mehr kassiert die Fireblade für die höhere Reichweite, die aus einem geringeren Verbrauch als beim Vergleichstest resultiert. Die Ausstattung ist sehr umfangreich, die Zuladung eher bescheiden.
Punktewertung: Komfort - Honda CBR 1000 RR Fireblade
Sitzkomfort und Windschutz sind mit Sicherheit nicht die Stärken
eines Supersportlers. Der Soziusplatz ist nicht langstreckentauglich. Dafür verwöhnt die CBR mit einem sehr laufruhigen Triebwerk.
Punktewertung: Kosten / Umwelt
Dank des geregelten Katalysators gibt es für die besseren Abgaswerte im Vergleich zur U-Kat-
Version noch einmal fünf Punkte mehr. Und der um 0,5 Liter
geringere Landstraßenverbrauch
beschert weitere drei Punkte.
Einziger Wermutstropfen sind
die hohen Unterhaltskosten.
Leistungsdiagramm - Honda CBR 1000 RR Fireblade
Die Leistungskurve der CBR 1000 RR ist linear, aber nicht spektakulär. Im mittleren Bereich fehlt der imposante Druck einer ZX-10R und obenheraus Drehfreudigkeit. Schon bei 11300/min erreicht sie ihre Höchstleistung. Dafür profitiert sie von der guten Umsetzbarkeit der Leistung.
Der kleine Einbruch bei 3000/min macht sich beim Anfahren
negativ bemerkbar. Die Getriebe-
abstufung und Gesamtüber-
setzung passen perfekt zur
Motorcharakteristik.