Ducati gegen Kawasaki
Erinnern Sie sich noch an Scott Russell, Robbie Phillis und den frühen Aaron Slight? Das war eine selige Periode der Superbike-WM in den 90er-Jahren, als diese heute nicht mehr jugendlichen Helden die logischen und ernsthaftesten Gegner der Ducati-Werksfahrer waren. Scott Russell schaffte es 1993 sogar, der damaligen Ducati-Ikone Carl Fogarty einen WM-Titel wegzuschnappen.
Und sie waren die Schrecken der Bologneser vor allem, weil sie auf diesen brachialen, gemein grün lackierten Raketen saßen, auf denen groß und mächtig "Kawasaki" stand. Kawasaki ganz vorn in der Superbike-WM? Am Ende gar der schärfste Gegner von Ducati? Die jüngeren Fans werden ungläubig den Kopf schütteln: Das ist viel zu weit entfernt vom schon länger gültigen Erscheinungsbild der Superbike-Weltmeisterschaft, in dem eine Kawasaki nicht annähernd in Sichtweise tief donnernder Werks-Ducati-Auspuffe kommt.
Superbike-Duell
Studio Zac
Scharfe Spezialwaffe: Die Ducati passt ideal zu Troy Bayliss.
Aber warum ist das so? Was machen die Grünen falsch, wo sie doch eigentlich noch wissen müssten, was nötig ist, um auf den Superbike-Pisten zu bestehen? Oder handelt es sich bei der Rennabteilung Ducati Corse um einen Geheimbund mit Spezialwissen, das anderen Racing-Teams fremd bleibt? Wir wollten es genau wissen und schickten den deutschen Supersport-Meister Arne Tode als PS-Spezial-Tester auf der Strecke von Portimão los, direkt hintereinander mit der Weltmeister-Ducati von Troy Bayliss und der Kawasaki des PSG1-Teams aus San Marino. Mit dieser Maschine landete der Franzose Régis Laconi als bester Kawa-Superbiker auf WM-Gesamtrang 16. Rang 8 im April in Valencia blieb sein bestes Einzelrennen.
Die Ducati zeigte sich bei diesen Testfahrten zunächst gegenüber ihrem Vorgängermodell, der 999 F07, wesentlich näher am Serienmodell 1098R. Das liegt vor allem an den Regeländerungen, welche seit 2008 Zweizylinder-Motoren zwar 1200 cm³ Hubraum zugestehen, im Unterschied zu den 1000er-Vierern. Dafür mussten die Ducati-Ingenieure allerdings sämtliche Tuning-Privilegien streichen. Feinste, extreme, weit vom Serienstandard abweichende Kolben, Pleuel oder Kurbelwellen finden sich im neuen 1,2-Liter-Ducati-Twin nicht mehr. Damit rückt auch das nutzbare Leistungsband der Werks-Duc wieder in Regionen herab, die als Zweizylinder-typisch gelten dürfen und das typische Traktoren-ähnliche Anpacken aus niedrigen Drehzahlregionen erst ermöglichen. Schon unter 5000/min tritt der rote Traktor an, bis bei 11 600/min der Drehzahlbegrenzer einsetzt.
Superbike-Weltmeister Troy Bayliss goutierte diese Entwicklung durchaus: "Die 1098 ist endlich wieder eine typische Ducati mit allen bekannten herausragenden Eigenschaften." Der große Meister fühlte sich also sehr wohl auf dem roten Renner, was, folgt man den Eindrücken von PS-Tester Arne Tode, beileibe nicht nur am Motorrad selber liegt. "Die Ducati glänzt mit einer unglaublichen Kraftentfaltung, eigentlich unter allen Bedingungen. Ich musste mich am Beginn meines Testturns vor allem auf die sehr starke Wheelie-Willigkeit der Maschine auch in höheren Gängen konzentrieren. Das Motorrad, das ich gefahren bin, ist ganz extrem auf den sehr speziellen Fahrstil von Troy Bayliss abgestimmt."
Wer bleibt auf der Strecke?
Studio Zac
Deutscher Supersport-Meister und PS-Rennstrecken-Tester: Arne Tode.
Tatsächlich fordert Bayliss mit seinen zackigen Bremsmanövern und sehr frühem Herausbeschleunigen aus den Kurven ein sehr sensibles, extrem aufs Vorderrad abgestimmtes, fast überhandliches Fahrwerk. "In dieser Abstimmung macht die Ducati zwar sehr viel Spaß, ist aber alles andere als leicht zu fahren", resümiert Tode, für dessen Ansprüche zum Beispiel Troy Corsers 2008er-Werks-Yamaha den weitaus harmonischeren Eindruck machte. Der deutsche 250er-Ex-Grand-Prix-Fahrer Jürgen Fuchs, der beim selben Termin sozusagen die Schwester-Maschine die Werks-Ducati von Bayliss Juniorpartner Michel Fabrizio fahren durfte, bestätigte Arne Tode; Fuchs berichtete von einer ziemlichen zahmen Duc, die so gar nicht aufs Hinterrad wollte: "Die elektronische Wheelie-Kontrolle arbeitete fast zu gut", so Fuchs. Tatsächlich steht das Fahrwerk der Fabrizio-1098 wesentlich neutraler da als beim dreifachen Weltmeister.
Weit weg von der Analyse solcher Feinheiten trafen sich beide deutschen VIP-Tester, als es um die Beurteilung der PSG1-Kawasaki ZX-10R ging. Arne Tode fasste die Einigkeit in Worte: "Die Kawasaki präsentiert eine ganz eigenartige Leistungskurve. Sie entwickelt erstaunlich hohe Spitzenleistung. Da steht sie meines Erachtens den anderen Maschinen, die ich hier gefahren bin, der Yamaha, der Honda und der Ducati, in nichts nach. Ebenso packt sie für einen Vierzylinder im unteren Drehzahlbereich schon überdurchschnittlich zu. Aber dazwischen leidet sie unter einem nur schwer zu ertragenden Leistungsloch." Mit einer ebenfalls auf extreme Handlichkeit ausgelegten Fahrwerksabstimmung versuchte Stammfahrer Régis Laconi, diese Probleme zu kompensieren, allerdings ohne übermäßig großen Erfolg.
Tatsächlich kämpfte die in der Republik San Marino angesiedelte PSG1-Crew nicht erst seit diesem Jahr mit der eher nachlässigen Unterstützung des japansichen Kawasaki-Stammhauses für die Superbike-WM. Teambesitzer Pierguido Pagani fühlt sich bisweilen mit notwendigen technischen Weiterentwicklungen ziemlich allein gelassen. Die wenig Erfolg versprechende unharmonische Leistungskurve etwa war ein Thema, das die beiden PSG1-Kawa-Treiber Laconi und Makoto Tamada, der Japaner immerhin im Range eines offiziellen Kawasaki-Testfahrers, über die komplette Saison plagte. "Aus unserem eigenen Team heraus allein haben wir im Vergleich mit werksunterstützten Mannschaften anderer Hersteller einfach zu wenige Möglichkeiten, mit dem nötigen Aufwand zu testen und zu entwickeln", erklärt Team-Manager Francesco Mastrandrea mit Bedauern. Dennoch fährt PSG1 in der Superbike-WM 2009 weiter Kawasaki, obwohl es zu Irritationen gekommen war, weil 2009 das bisher auf privaten Honda Fireblade aktive Paul-Bird-Racing-Team aus England als werksunterstütztes Kawasaki-Superbike-WM-Team gelten soll. PSG1 wird daher nicht mehr in Grün, sondern San Marinos Farben Weiß und Blau in die Schlachten ziehen.